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Brauer-Dating/ Brauer sucht Brauer

In der Craft Beer Szene macht man immer mal wieder gemeinsame Sache. „Collaboration Brewing“ nennt sich das, wenn zwei oder mehr Brauer gemeinsam für einen einmaligen Sud im Kessel rühren. Nur: Was haben die Craft Brewer eigentlich davon?
Ein bisschen muss sich das für die Männer aus New York doch wie Urlaub anfühlen: Ein Morgen im beschaulich-bayerischen Riedenburg an der Altmühl. Draußen kriecht der Nebel den Fluss entlang, drinnen wartet ein fulminantes Frühstücksbuffet mit Brezn und Bierschinken auf sie und in der Küche brät Katrin Krieger Spiegeleier. Wenn’s nur nicht so verdammt früh und die beiden so schrecklich Jet-Lag gebeutelt wären. Aber Robert Lemery und Tom Villa sind ja auch nicht zum Spaß hier –sondern zum Arbeiten. Die beiden Brauer der Brooklyn Brewery in New York sind nach Niederbayern gekommen, um mit Maximilian Krieger, Juniorchef des Riedenburger Brauhaus, ein transatlantisches „Collaboration Beer“ zu brauen.
Brauer Gangbang
Von „Collaboration Brewing“ spricht die Craft Beer Szene, wenn zwei oder mehr Craft Brewer gemeinsam Bier brauen. Immer sind das besondere Biere in limitierter Auflage, oft gibt es einen bestimmten Anlass, ein Bierfest beispielsweise, und in der Regel tauchen die Namen aller Beteiligten irgendwo auf dem Etikett auf. Brauer erzählen gern, dass sie von solchen Zusammenarbeiten unheimlich viel lernen und dass das inspirierend sei. Darüber hinaus darf man aber wohl auch sagen, dass sich diese Biere super verkaufen, schon allein, weil ihrer Entstehung eine gute Geschichte ist.
Besonders kleine Craft Beer Brauereien profitieren von einmaligen Kooperationen mit Big Shots der Szene, weil sie ihnen Bekanntheit bringen. Aber auch den Großen tut die Aufmerksamkeit gut, die garantiert ist, wenn sich zwei Schwergewichte zusammentun. Als Stone Brewing mit BrewDog 2009 das „Juxtaposition Black Pilsener“ machte, war das ein ziemlicher Knaller – nicht nur wegen der 150 Kilo Makadamia Nuss und den 50 Kilo Kaffeebohnen, die sie darin verwendet haben, sondern wegen der beiden fetten Namen auf dem Label. Das gilt auch für „Isabelle Proximus“, ein Sauerbier, an dem gleich fünf namhafte Brauereien mitgemischt haben. Da legte nur die deutsche Craft Beer Créme de la Créme noch einen drauf, als sie zur diesjährigen Braukunst Live das „Tripple Nipple IPA“ und damit das Ergebnis einer einmaligen Kollaboration von sechs (!) Brauereien präsentierte (Ale-Mania, BrauKunstKeller, Hopfenstopfer, Kreativbrauerei Kehrwieder, Schoppe und Pax Bräu).
Bier als Friedenspfeife
Wahr oder nicht: Die Idee des „Collaboration Craft Beer“ entstand vor zehn Jahren, nachdem Adam Avery, Chef von Avery Brewing in Colorado, und Vinnie Cilurzo von der kalifornischen Brauerei Russian River festgestellt hatten, dass sie beide ein belgisches Bier namens „Salvation“ auf dem Markt hatten. Das eine hell, das andere dunkel. Ein dummer Zufall, der in anderen Branchen bestenfalls einer gütlichen Einigung außer Gericht bedurft hätte, schlimmstenfalls aber einen hässlichen, langen Markenrechtsstreit mit einer Horde hochbezahlter Anwälte auf beiden Seiten nach sich gezogen hätte.
Nicht so aber unter Brauern: Nach einer kurzen, pragmatischen Aussprache – „Blöd, aber weißt du, ich habe jetzt halt schon 100.000 Etiketten gedruckt.“ „Klar, Mann, kein Thema, ich auch!“ oder so ähnlich – einigte man sich, dass jeder sein Bier weiter brauen durfte und beschloss darüber hinaus, einen „Salvations“-Verschnitt rauszubringen. Statt Friedenspfeife quasi. Im Ernst: Die beiden Brauer haben ihre Biere einfach zusammengeschüttet und unter dem Namen „Not Litigation Ale“ als das vielleicht erste „Collaboration Beer“ ever verkauft. Lief hervorragend.


Brauwagemut in Potenz
Mag sein, dass andere, weniger berühmte Brauer schon vorher zusammengearbeitet haben, aber zumindest steht die Zusammenarbeit von Avery Brewing und Russian River am Anfang eines großen Collaboration Brewing Booms in den USA. Dennoch blieb ihre Art des Zusammenspiels spektakulär und selten: Die wenigsten Collaboration-Biere sind heute Cuvées, viel öfter entstehen Rezept in Gemeinschaftsarbeit. Und man kann sich vorstellen, wenn zwei furchtlos-kreative Craft Brewer zusammenkommen, potenziert sich deren Brauwagemut, kommen oft noch verrücktere Sachen raus, als wenn jeder allein vor sich hin experimentiert: Gerade brauten Johannes Heidenpeter (Heidenpeters) und Fritz Wülfing (Ale-Mania) zusammen ein Spezialbier. Geschmacklich schier nicht zu beschreiben, Biersommelierweltmeister Oliver Wesseloh sprach von „altem Weißwein und gewissen Apfel-  und Kiwinoten“, die beiden Brauer sind sich noch nicht einmal über den Namen ganz einig, Arbeitstitel ist „Verbocktes Kölsch mit Salbei“. Der Collaboration-Sud wird demnächst bei Heidenpeters zu verkosten sein.
Als die Jungs von Beer4Wedding (die ab Ende Mai übrigens Berliner Bier Fabrik heißen werden) vor knapp einem Jahr zu Recherchezwecken Kristian Strunge von Stronzo Brewing in Dänemark besuchten, schlug der ihnen eine spontane Brausession vor. „Wir sind durch sein Malzlager gegangen, haben seinen Hopfenvorrat angesehen und uns dann gemeinsam an ein Rezept gesetzt“, erzählt Sebastian Mergel. „Jeder bringt seine Wünsche und Vorstellungen mit ein und dann wird das Rezept auf dem Papier erdacht.“ Raus kam ein Amber Ale namens „Hurtigtog Tontaube“. „Wir haben jeweils ein Wort aus der anderen Landessprache gewählt das wir besonders lustig fanden“, so Mergel, „ein absoluter Nonsensname.“
Braukollaboration digital oder im Kessel?
Bisweilen finden solche Braukollaborationen über ganze Ozeane hinweg per Email, Skype und Facebook statt. Schöner ist es aber natürlich, wenn die Kooperationspartner zusammen in den Kesseln rühren. So wie die Jungs aus der Brooklyn Brewery für ihre Zusammenarbeit mit Riedenburger.
Im Laufe des Tages besprechen die drei ihr Double IPA immer wieder neu. Doch ein bisschen mehr Cascade? Columbus? Ein deutscher Hopfen? Die New Yorker lassen sich das alte Sudhaus der Kriegers genau erklären und erzählen, wie sie in Williamsburg unter der Leitung vom Craft Beer Shootingstar Garrett Oliver brauen. Der hatte diesen Cooperation-Sud angezettelt, er und Max Krieger haben sich in einer italienischen Craft Brewery kennengelernt. Und gute Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit deutschen Brauern hatte Oliver ohnehin, nachdem er schon vor Jahren mit Hans-Peter Drexler von Schneider Weisse je eine New Yorker und eine bayerische Variante der „Hopfen Weiße“ gebraut hatte.
Anfang des Jahres kam der Gemeinschaftssud, das „Dolden Boom“, auf dem Markt, vereinzelte Flaschen sind nur noch mit Glück zu haben. Obwohl sie alle in Deutschland verkauft wurden.
Beer4Wedding und Stronzo haben sich ihr Collaboration-Bier geteilt: „Wir haben die Hälfte des Suds abgenommen, in Deutschland beim Zoll angemeldet und mit Kristian beim Braufest auf dem RAW-Gelände in Berlin letzten Sommer präsentieren und fast alles verkaufen“, erzählt Mergel. „Kristian konnte auf die Weise die Berliner Brauszene kennenlernen und er hat Kontakte zu Händlern in Berlin hergestellt. Die andere Hälfte hat er in Dänemark unters Volk gebracht. Das ganze war eine reiner Handschlag-Vertrag.“ Und offenbar ein Win-Win-Ding für alle.
Gemeinsam lernen
Bleibt noch die Frage, ob denn gestandene Brauer an so einem gemeinsamen Brautag wirklich etwas voneinander lernen können, wie sie gern behaupten. Sebastian Mergel wägt ab. Einerseits geht es erst einmal um den Spaß daran: „Für mich ist so etwas wie eine gemeinsame Session. Man macht das ja gerne, also Brauen, und wenn man das mit einem Gleichgesinnten teilen kann, macht es gleich doppelt Spaß.“ Andererseits ist an der Sache mit dem Lernen aber auch was dran: „Brauen ist etwa mit Kochen zu vergleichen und Kochen ist ja auch sehr von der Erfahrung abhängig. Von der Erfahrung des Anderen kann man also immer lernen und profitieren.“
 

Credits

Foto: Nina A. Klotz

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