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Das Wesen „schwieriger“ Drinks: ZEHN! Versuche

Warum sind „schlimme“ Drinks eigentlich so schlimm? Hat nicht jedes Labsal ein Recht auf Existenz, solange es Menschen gibt, die danach verlangen? Und vor allem: Stecken hinter B-52, Sex On The Beach oder Korn-Cola nicht auch echte Charakterköpfe? Wenn schon das nicht, dann doch wenigstens markante Typen. Obwohl man nicht unbedingt den ganzen Abend mit ihnen verbringen will. Nutzen wir den geringen zeitlichen Abstand zur exzessivsten Nacht des Jahres für eine fuselige Milieuschau.

Jeder kann auf die zu Millionen verkauften, berüchtigten Underdogs der Barwelt eindreschen und sie verteufeln. Allein – damit macht man es sich zu einfach. Viel wichtiger – und spannender! – als sich einfach über sie zu echauffieren, ist es doch, einmal zu schauen, wie sie funktionieren. Denn der Erfolg gibt allen hier versammelten, flüssigen Bedrohungen absolutes Recht und eine wirtschaftliche Bedeutung, an die keine, aber auch gar keine aufwendig hergestellte Boutique-Spirituose und kein Craft-Cocktail auch nur ansatzweise heranreichen könnte.

Das soll niemanden dazu ermuntern, ab sofort zum Apero lieber Vodka-Bull statt eines Martinis zu trinken. Eine Betrachtung des Wesens so mancher Drink-Unart aber hilft uns vielleicht manchmal, zu verstehen, warum einige zweifelhafte Tropfen derart oft über den Tresen gehen, obwohl sie doch mehr oder minder gar nichts mit wirklicher Trinkkultur zu tun haben. Und ganz ehrlich: Schrille Typen machen halt auch ziemlich Spaß!

1) Vodka & Energy

Ich habe es schon einmal gesagt: Der Vodka & Energy ist im Prinzip die Kim Kardashian unter den Drinks, das Longdrink gewordene Instagram-Selfie mit Dreifachfilter und Retusche. Ein Getränk, dessen Anhänger durch den Genuss folgende Botschaft aussenden: Abendliches Feiern ist ein Kraftakt, der sich nur überstehen lässt mit einer Maximalzufuhr von in klebrigem Blubber ertränktem Koffein und Alkohol.

2) Piña Colada (ca. 1981)

Die Piña Colada-Variante mit Sahne, Kokossirup und Ananasnektar hält sich seit Jahrzehnten stabil an vielen Theken. Bis heute. Mann kann sie ehesten mit der beleibten Lieblingstante von früher vergleichen, die einem ständig heimlich Süßigkeiten zugesteckt hat. Dafür hat man sie geliebt. Leider bekam man dann während der Heimfahrt auf dem Rücksitz ganz, ganz schreckliches Bauchweh.

3) B-52

Der B-52 möchte eigentlich immer folgendes sagen: „Es ginge auch noch schlimmer! Ich bin zwar abscheulich, aber hey – eigentlich mögt Ihr mich doch alle ganz gern, oder?“

Die Mélange aus Kaffeelikör, Irish Cream und Overproof Rum ist wie der Typ früher im ersten Semester, der auf Partys am Anfang immer noch Spaß gemacht hat. Bis er vor Übermut anfing, vom Balkon zu pinkeln oder ins Waschbecken zu kacken. Nein, es geht nicht schlimmer!

4) U-Boot

Die Perversion des Herrengedecks. Werden Bier und Schnaps nebeneinander genossen, geht es eigentlich durchaus um sich ergänzende Aromen. Die zusammengeschüttete Variante als U-Boot, Submarino oder gar „Jägerbomb“ hingegen ist eher dafür verantwortlich, dass zahlreiche Studentinnen aus Alabama oder Idaho gar nicht mehr wissen, wie sie eigentlich die Chlamydien vom Spring Break mit nach Hause genommen haben.

5) Korn-Cola

Im sozialen Mikrokosmos der norddeutschen Einöde ist der „KoCo“ ein Synonym für fortgeschrittenen Genuss – er ersetzt das schnöde Bier und atmet als Zwischenstufe zur Cuba Libre weite, mondäne Welt, gepaart mit Heimatverbundenheit. Der Stargast jedes Schützenfestes brilliert stilecht im einfachen Aperitifglas mit einem Hohleiswürfel. Jedenfalls solange, bis sich seine Fangemeinde ins Gebüsch erbricht. Doch zum Glück verzeiht man dem gutmütigen Bengel immer wieder!

6) Tequila, Salz, Zitrone

Wenn man mit 30 oder 40 zum Klassentreffen kommt, gibt es immer einige Spezialisten, die zwar mittlerweile Anwalt oder Arzt sind, aber ihre Trinksitten seit einem Vierteljahrhundert nicht verändert haben. Für genau diese Menschen stehen an vielen Tresen noch immer einige Salzstreuer bereit. Während andere Anwesende bei der Class Reunion für eine Flasche Reposado heutzutage auch mal gern so viel zahlen wie für einen Single Malt.

7) Vodka & Milch

Der skurrile Hang der Amis zu kalter Milch ist hinlänglich bekannt. Denn Milch ist ja so gesund! Das wussten auch in den 1950er und 1960er-Jahren schon clevere Geschäftsmänner wie Roger Sterling aus der Serie „Mad Men“. Und weil moderne Männer damals tagsüber im Büro Vodka tranken, da dieser keine Fahne verursacht (seinerzeit ein Werbespruch von Smirnoff), vermischt der gesundheitsbewusste Bürohengst seinen Vodka eben noch mit Milch. Leuchtet ein, oder?

8) Long Island Iced Tea

Die Ausgabe 3/16 des MIXOLOGY-Magazin hat uns gezeigt, dass es auch im Jahre 2016 noch möglich ist, sich mit einem Drink wie dem Long Island Iced Tea ernsthaft zu befassen. In der verbreiteten Variante jedoch, am besten im Bierkübel auf Crushed Ice serviert, ist er nichts anderes als die optimale Begleitung für ein klassisches Tinder-Date, bei dem die beiderseitigen Absichten an sich von vornherein geklärt sind. Dann tut er, was er am besten kann: Zwanglosigkeit herbeiführen.

9) Sex On The Beach

Wer einen Drink so nennt, will gar nicht ernst genommen werden. Gleichzeitig trifft der Name auch das Wesen der Mischung aus Vodka, Cranberry und Pfirsich auf den Kopf: Der Sex On The Beach ist das weit geöffnete Hemd in Pastellblau. Das rosa Clubsakko. Der Schnurrbart. Das stolz zur Schau gestellte Brusthaar. Der weiße 1959er Chevy Impala, der im Schritttempo durch Fort Lauderdale tuckert. Aber bei 38 Grad im Schatten und 95% Luftfeuchte schmeckt dieses Klischee einfach ziemlich geil. Wirklich.

10) Gin & Tonic

Der G&T? Berüchtigt? Ein Ramsch-Drink? Nein. Und: Ja. Denn der Hype der letzten Jahre befeuert einen Paradigmenwechsel. Der vornehme Brite, der sich vielerorts noch für den persönlichen Distinktionsgewinn anbietet, verliert hier und da unter Bartendern bereits an Ansehen und wird zum überteuerten, neuen -> Vodka & Energy der besseren Gesellschaft. Und ehrlich, selbst auf Sylt oder in St. Moritz wäre Kim Kardashian noch deplatziert!

 

Dieser Text erschien ursprünglich in der Printausgabe der MIXOLOGY 4/2016. Zu einem Abonnement geht es hier, die aktuelle Ausgabe 6/2016 finden Sie hier.

Credits

Foto: Foto via Pixabay.

Comments (1)

  • Alexander Morgenstern

    Pina Colada. Ein Getränk das Seemännern und Ananas Plantagen Bauern schon eh und je getrunken haben. Allein die Logik sagt uns das tato mit Sicherheit keine Sahne an Bord oder Land zur Verfügung stand. Der Marketing des Elektronischen Mixer und Schlussendlich die 70er – 80er die es immer Bunter und Crémeiger haben wollten, machten aus einen köstlichen einfachen Getränk, eine grausame Magenverdrehende Dessert Variante. Unwissenheit und Marketing verdrehten Konsumenten Kopf und Magen.

    Sex on the Beach. Wahrscheinlich war es der Name der dem Getränke zum Erfolg verhalf. Jeder ordentlich ausgebildete Barkeeper weiß wie schwer es ist mit Orangensaft zu mixen vor allem wenn er frisch gepresst ist. Der Geschmacksüberdenkende Saft lässt der Spirituose keinen Raum sich zu entfalten.

    Hier stellt sich in einer Zeit in der Konsumenten immer mehr auf Inhalte achten die Frage: Ist es an der Zeit einen Schlussstrich zu ziehen und diese Getränke ein für alle mal Geschichte sein zu lassen? Oder können wir sie noch einmal twisten und der Zeit der Aufgeklärten Baristen neu Aufleben lassen?

    Nehmen wir doch mal einen Long Island ice tea her. Wieviel Respekt vor der Spirituosen ist da noch zu erkennen? Haben wir nicht gelernt das man eine Basisspirituose beim Mixen ehren soll mit der Ummantelung von Aromen? Wenige Ausnahmen lassen maximal zwei Basisspirituosen zu.

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