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Destillerie Bauer: Die Nüsse des Letzten Mohikaners

Mit Jahreswechsel gibt es nur noch drei Firmen, die Jägermeister abfüllen: Das Stammhaus in Wolfenbüttel, das Werk in Kamenz und Bauer im österreichischen Graz. Die Steirer produzieren allerdings auch eigene Destillate – länger, als sie Kräuterbitter füllen.
„Hier reifen Marillen- und Birnenbrand für unser Jubiläum“, pocht Hans-Werner Schlichte auf die Barriques im so genannten Krug-Keller. Im Jahr 2020, zum hundertsten Bestehen der Franz Bauer GmbH werden sie abgefüllt. Schlichte stellt die dritte Besitzergeneration dar, der kinderlose Namensgeber hat sich bereits in den 1960er Jahren zurückgezogen, nachdem er die Likör- und Schnapsproduktion am ehemaligen Brauerei-Gelände in der Prankergasse aufgebaut hatte.
Traditionshaus mit kosmopolitischer Referenz
Heute vertreibt das Unternehmen neben anderen internationalen Spirituosen (Ron Barceló, Angostura, Bunnahabhain, Patrón Tequila, aber auch der vor sieben Jahren abgewanderte „Licor 43“ kehrte zurück) den Kräuterlikör Jägermeister.
Österreich mag ein kleines Land sein, für die Wolfenbütteler stellt es aber einen wesentlichen Markt dar: 1,72 Millionen Flaschen wurden in der Alpenrepublik im Vorjahr verkauft, das macht Platz zwei (hinter Aperol) in der Spirituosen-Verkaufswertung. Von einer Sättigung kann man jedoch angesichts des Plus von 1,5% gegenüber 2012 nicht sprechen. Weiterhin wird also pro Kopf ein Achtelliter im Jahr gekippt.
Kleine, grüne Fläschchen
1967 fanden sich die Strategien der Deutschen, die im Ausland den Erfolg begehrten, und der Grazer, der sich Vertriebsmarken suchte. Seit damals wird der im Tankwagen aus Niedersachsen angelieferte so genannte „Grundstoff“, also die verschnittenen Mazerate der 56 Botanicals, mit Neutral-Alkohol, karamellisiertem und flüssigem Zucker sowie Wasser zum Endprodukt gemischt.
„Die Mengen an Neutralalkohol gibt es in Österreich nicht, wir beziehen ihn z.B. aus Frankreich und den Niederlanden“, so Eigentümer Schlichte. Gibt das Labor in Wolfenbüttel dann grünes Licht, darf abgefüllt werden.
Wobei auch hier ein Sonderweg beschritten wird: „Hier werden mehr 0,02-Liter-Kleinstflaschen getrunken, als in allen Ländern weltweit zusammen – ein absolutes Unikum“, nennt Jörg Staege, Area Manager für Westeuropa bei Mast-Jägermeister, Zahlen.
31 Millionen der kleinen Fläschchen, die beim Aprés Ski oder Junggesellen-Abschieden praktisch verpflichtend gereicht werden, sind es pro Jahr. Auch die kleinen Gebinde stammen aus der Steiermark, zwei ganze Monate läuft bei Stölzle Oberglas in Bärnbach nichts anderes als grünes Glas über die Förderbänder (ansonsten ist es Braunglas für die Pharmazie).
Schietwetter lässt die Zirbe kalt
Bauers Produktion umfasst aber auch eine Obst-Verschlussbrennerei, die jährlich 1500 Tonnen Früchte zu Destillaten verarbeitet. Die Gärzisternen fassen 330.000 Liter, den Löwenanteil machen Marille (Aprikose) und Birne aus. Das Sortiment reicht aber „von A wie Ang’setzter bis Z wie Zirbenschnaps“, umschreibt es Oliver Dombrowksi, der sich mit Schlichte die Geschäftsführung teilt.
Vor allem die Zirbe bereitet ihm mittlerweile Freude. Während weder Obst-, noch Weinbauern mit dem durchgehend verregneten August glücklich sind und teilweise erhebliche Ernteausfälle gemeldet werden, „gab es eine bombastische Zirbenernte“. Die mit den Nadelbaum-Zapfen aromatisierte Spirituose „Zirben Zauber“ (35%, ca. EUR 17,-/Liter) wird vor allem im alpinen Bereich geschätzt, die Rohstoffe kommen aus der Kärntner Nockalm-Region.
Im dritten Jahr muss Nuss!
Neben dieser botanischen Erfolgsmeldung hat Bauer einen „Shooting Star“, der selbst Dombrowski überrascht. Der bereits seit drei Jahren erzeugte Haselnuss-Geist (also ein Destillat aus in Neutralalkohol eingemaischten Nüssen) „geht heuer so richtig durch die Decke“. Der Geist mit 33% Alkohol und dem „Kuss der Haselnuss“, wie es das Etikett formuliert, füllt offenbar die Lücke zwischen den zu süß empfunden Likören und zu alkoholisch-scharfen Bränden. Glaubt man Dombrowski, sitzt man zwischen diesen Stühlen also bequem.
Keinen Glauben schenken sollte man seiner Legende der Herstellung („Übrig gebliebene Haselnuss-Schnitten pressen wir aus”), doch der Geruch ist mit dem Hinweis auf die Wiener Gebäckspezialität aus dem Hause Manner gut beschrieben. Allenfalls noch Karamell-Sahnebonbon fiele einem ein, doch die Haselnuss bleibt unverkennbar.
Am Gaumen wandelt sich dieses eindimensional süßliche Bild zu einer überraschend vielschichtigen Spirituose: Viskos im Mundgefühl und anfangs mit zart pfeffriger Note, braucht die Haselnuss offenbar wie ein betagter Motor, um auf Touren zu kommen. Erst allmählich wird es nussiger, ab der Mitte dominiert die Haselnuss dann, doch es kommt noch mehr. Denn jetzt beginnt die schärfere Gangart der 33%: „die darf man ruhig merken“, sieht Dombrowski eine Trennlinie zu Likören. Der Abgang ist von leichter Pfefferwürze geprägt und entsprechend lang. Das hätte man angesichts des Schnitten-Geruchs so nicht vermutet.
Taugt die Nuss zum Mixen?
Wie es um die Mixability der Haselnuss steht, demonstrierte Ben Koch, Barchef der Wiener Ebert’s Bar und nominiert für den „Newcomer des Jahres“ bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2015. Für seinen „Secret Fall“ kombiniert er Bauers Zugpferd Jägermeister mit dem Geist, aber auch zweierlei Portwein und Angostura. Wegen der Weine – „die sollen atmen“ – wird der Drink auch „geworfen“.d
Secret Fall
(Ben Koch, Ebert’s Cocktailbar, Wien)
4 cl Jägermeister
1 cl Bauer Haselnuss
1 cl weißer Portwein
1,5 cl Tawny Port
1 Dash Angostura Bitter
1 Dash Orange Bitter
Auf eine Garnitur verzichtet Ben Koch, der Drink wird in einem Flachmann aus Glas, neben einer glimmenden Schale mit Kirsch-Pfeifentabak in einer Zigarrenkiste gereicht.
 

Credits

Foto: via Destillerie Bauer

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