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Aus dem Urlaub in das Glas – der Don Raphael

Mario Kappes hat vor langer Zeit den Don Raphael erfunden. Aber erst heute erzählen wir seine Geschichte. Sie beginnt bei einer besonderen Anekdote in Jerez de la Frontera und endet als minimalistisch-komplexer Drink im Glas. Denn natürlich ist der Don Raphael auch eine Geschichte über andalusische Spirituosen und spanische Gastfreundschaft.

Tourlaub. Ein Kofferwort aus Tour – zu deutsch Besichtigung – und Urlaub, der alljährlich hartverdienten Auszeit zur Entspannung und häufig auch zur Wiedergewinnung langsam abhanden kommender Inspiration. Beide Dinge miteinander zu kombinieren scheint in den letzten Jahren besonders für Bartender immer mehr zur Quelle der Erholung zu avancieren. Und mal ganz ehrlich: Wer kann es ihnen verübeln?

Spanisch vorkommen …

Mario Kappes, langjähriger Headbartender im Le Lion und heutiger Brand Ambassador der Hamburger Borco-Marken-Import, ist so ein Typ. Und doch war die im Urlaub bei Jerez de la Frontera geplante Führung durch die Brandy-Bodega anders als alle Besichtigungen zuvor. „Ich habe Urlaub in Jerez de la Frontera gemacht und war – wie auch heute noch – Fan von Cardenal Mendoza. Somit wollte ich dort unbedingt eine Besichtigungstour machen, was aber in der Form gar nicht so einfach war, weil so etwas gar nicht angeboten wurde. Ich musste mich quasi erst um die Besichtigung bewerben. Mein großes Glück war, dass der Kellermeister – Raphael –Zeit hatte. Er führte mich ausgiebig durch die Bodega, vom Rohbrand bis zum Nonplusultra habe ich alles probieren dürfen. Am Ende war Raphael von meiner Begeisterung so berührt, dass er mir eine Flasche Nonplusultra schenkte“, so Kappes über seine Erlebnisse heute.

Und so merkte er erst Stück für Stück und nach und nach, welch große Ehre ihm da eigentlich widerfahren war. Schließlich war der erhaltene, edle Tropfen nichts anderes als eine limitierte Premium-Auflage, die sonst nur ans Königshaus oder eben an wichtige Personen wanderte. Um seinem gewonnenen Promistatus in Andalusien gerecht zu werden, beschloss Kappes, die Flasche für einen wichtigen Moment in seinem Leben aufzubewahren. „Diese Flasche hat insofern besonderen Wert für mich, als dass ich immer gesagt habe, sie erst zu öffnen, wenn ich Vater werde. Als ich eines Tages mit der Flasche unterm Arm ins Lion kam, da wusste Jörg schon Bescheid.“

Spanish Simplicity

Was zunächst klingt wie eine schöne, von privaten Erfahrungen getragene und mit Kultur und Mentalitäten gespickte Anekdote, ist in Wahrheit nichts anderes als die Vorgeschichte eines genialen Drinks, der mittlerweile nationale sowie auch internationale Anerkennung erfahren hat. Mario Kappes Vision war, das Erlebte in einem Drink zu verwirklichen und darin nicht nur Erfahrungen, sondern auch Mentalität, Lebensgefühl und Charakteristika der andalusischen Region mit einfließen zu lassen.

Entstanden ist der Don Raphael, ein dem Kellermeister von damals gewidmeter Drink, schon vor einiger Zeit. „Der Drink ist bestimmt 13 oder 14 Jahre alt. Das war eine Zeit, in der diese Art Getränk noch überhaupt nicht angesagt war. Eine Zeit, in der Mixologie noch nicht stattfand und viel mit Maracujasaft und Cranberry gearbeitet wurde, aber nichts wirklich Reduziertes aus kleinen Gläsern. Mal ein paar alten Herren einen Manhattan, aber das war’s … “

Reduzierte Genialität

Faktisch vereint der Cocktail die wichtigsten Destillate jener bekannten südspanischen Region mit den dort wachsenden, sonnengereift-fruchtigen Orangen. Die würzig-elegante, gleichermaßen lang anhaltende Note des Cardenal Mendoza Gran Reserva schmiegt sich mit ihren Trauben-Pflaumennoten perfekt an den süßlichen Don Zoilo Pedro Ximénez Sherry mit leicht-nussigem Nachgeschmack. „Mir war die Fruchtkomponente zwischen dem PX und dem Cardenal Mendoza sehr wichtig, daher entschied ich mich dafür, die Orangenzeste mitzurühren“, so Kappes über die Präsenz der Orange, die so zu dem Bitters noch eine Verstärkung erfährt.

So ist es wieder die Einfachheit der Rezeptur, die schlussendlich besondere Gaumenfreuden bereithält. „Das Spannende an den einfachen Rezepturen ist, dass sie in der Umsetzung sehr schwer sind. Da geht es dann wirklich um die einzelne Spirituose, und wie kompatibel sie mit der anderen ist.“ So muss man hier viel eher auf die Zubereitung achten, als dies der Fall bei an Sirups und Fillern überbordenden Cocktails ist. Es kommt auf Feinheiten an. Das Glas vorzukühlen, Schmelzwasser auszugießen, die weiße Schicht von den Zesten trennen – keineswegs Gegebenheiten, die man als selbstverständlich erachten sollte, sondern eher Nuancen, die Spreu von Weizen trennen können.

Alles zu seiner Zeit

Dass der Don Raphael sich erst seit einigen Jahren vermehrt einer Begeisterung erfreut, läge laut Kappes vor allem an der Rückbesinnung auf die Mixologie, die mittlerweile wieder salonweit gelebt wird. „Im Lion habe ich dann gemerkt: Jetzt ist die Zeit für den Drink da. Damals haben sich an dem Drink nur der Hoteldirektor und ich, vielleicht mal vereinzelt ein Gast erfreut.“ So ist der Drink letztlich nicht nur eine Hommage an prägende Erlebnisse, sondern auch das Sinnbild des heute gelebten Barstils. Raph–innierte Simplizität!

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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