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Dr. Fillers Erstling: Fichten-Cola nach Omas Art

Aus der Wiener Molekularküche kommt Bleibendes: Genervt von in wenigen Minuten verzehrter Tellerkunst, verwandelte sich Heinz Preschan in Dr. Filler.  Unter der Geheimidentität des Kochs entstanden zwei grundverschiedene Barlimonaden.

Heinz Preschan steht im 22. Stock und seufzt: „Ob ich es nochmal tun würde, weiß ich nicht“. Der Spitzenkoch des Wiener Wolkenkratzer-Lokals Das Turm hat einen rechtlichen Marathon hinter sich. Eigentlich wollte er doch nur eine Limonade abfüllen. Doch so einfach ist das in Österreich, das eine seit Jahrhunderten geölte Bürokratie besitzt, nicht. Dort, wo es vielen Beamten schlicht egal ist, „wer über mir Minister ist“. Könnte ja sonst schließlich jeder kommen. Und etwa durchsichtige Etikette auf Limoflaschen kleben, wie es Preschan tat. Dass es dazu kam, hat mit der Globalisierung zu tun. Und mit der Oma des Kochs.

Cola ist tot, es lebe Cola!

Aber der Reihe nach. Der 33jährige Preschan stammt eigentlich aus der Steiermark. Und dort wird nicht nur aus Kürbiskernen Öl gepresst und aus Löwenzahn ein „Röhrlsalat“ zubereitet, sondern man hat auch seine eigene Medizin. Der Maiwipferl-Saft wird aus den Trieben der Nadelbäume gewonnen. Oma Preschan gibt als brave Großmutter dem „Buam“ natürlich dieses Heilmittel mit, wenn er wieder in die böse Stadt muss. Der Enkel hat gerade erfahren, dass eine der vielen Anrainer rund um die Twin Towers am Wienerberg die Abfüllung von Cola auflässt. Mit Blick auf die vis-á-vis gelegenen ehemaligen Amatil-Werke tüftelt er gerade ein „Abschiedsgericht“ aus, das Coca Cola und Gänseleber kombinieren soll. Irgendwann ist dann der Maiwipferl-Sirup der Oma im Glas mit der braunen Brause – „und das hat mich richtig geflashed!“

Das Heureka des Küchenchefs kommt zum richtigen Zeitpunkt. In den USA hat sich Preschan in Ginger Beer verliebt, dafür hadert er mit der Gourmet-Welt. „Selbst meine schönsten Gerichte sind in ein paar Minuten aufgegessen. Hauben und andere Bewertungen sind ohnehin etwas sehr Schnellebiges“. Insgeheim bewundert er die Winzer, deren Flaschen ehrfürchtig geöffnet werden. Einen Weinberg braucht er nicht, doch dafür hat er einen Stock tiefer eine Bar mit unschlagbarem Wien-Blick. Hier werkt Martina Habison, eine der unterschätzten Bartenderinnen Wiens. Und immerhin serviert der Haubenkoch beim „Liquid Dinner“ seit langem mit Spirituosen zubereitete Gerichte wie Rote Bete-Götterspeise mit Bourbon. Also schlug die Stunde für die Geheimidentität Preschans: „Dr. Filler“ ward geboren. Der feilte monatelang an seinem Arsenal, ehe er jetzt der Öffentlichkeit als Retter der Barlimo entgegentrat.

Waldspaziergang für Gin-Trinker

Schon seit einigen Wochen kursieren die 0,2-Liter-Fläschchen testweise in Wiens Bars, ein waldiger Geruch entströmt der Fichten-Cola, die eigentlich ein Tonic sein möchte. Denn auf die meisten Cola-Attribute – Phosphorsäure, Zuckercouleur für die Farbe, und Koffein – verzichtet Dr. Filler. „Das soll man trinken?“, erinnert sich Preschan mit Schaudern an eine schmerzhafte Begegnung mit der Säure. Von den klassischen Cola-Attributen sollte man sich also verabschieden. Schon der Geruch zeigt an, dass es hier in eine aromatisch ganz andere Richtung geht: Satte Limette, fast so intensiv wie Klo-Stein, steht am Anfang. Dazu kommen eine zarte Ingwernote und eine harzige Komponente wie frisch aus dem Märchenwald.

Tatsächlich schmeckt die transparente Bar-Limo aus Dr. Fillers Küche waldig und harzig (wie man es vom Retsina kennt), Piniennadeln sieht man vor seinem geistigen Auge. Aber auch eine dezente Zitronennote gesellt sich dazu und sorgt mit der fast elegant zu nennenden Karbonisierung für Frische. Hier wird nicht mit Kohlensäure das Aroma potenziert, sondern eine feinperlige Säure bringt den Drink zum Strahlen. Denn Cola hin, Cola her, „am besten passt es zu einem guten Gin“, sieht es Preschan auch in der Verwendung eher als Tonic an.

Dr. Fillers Ding in Orange

„Etwas mainstreamiger“, so der Neo-Barlimo-Produzent, stellt sich der Zweite im Bunde dar, die knallig-orange Variante aus dem Hause Preschan. Der säurige Körper stammt von der Orange, das Finish verleiht die Mandarine. Blutorange, intensive Mandarine und auch säuerliche Ananas sind die Duftnoten, die aus dem Glas steigen. Auch bei „Mandarine-Orange“ fällt die dezentere Kohlensäure auf. Sie ermöglicht es, das zarte Spiel zwischen Süße und Säure, wie es die Mandarine im Idealfall aufweist, im Glas zu verfolgen. Vor allem am Beginn beeindruckt auch die Saftigkeit der Zitrusfrüchte. Wenn das der „Mainstream“ ist, soll es uns recht sein.

Vertrieben wird die Filler-Linie noch im Alleingang. „Die meisten Händler pushen halt die großen Hersteller“, seufzt Preschan. Wie ein fleischgewordenes „Trotzdem“ lässt er aber nicht locker. Denn die 5.000 Flaschen Erstauflage – „drunter werfen die die Abfüllanlage gar nicht an“ – wollen schließlich verkauft sein. Dann kann er Stufe zwei von Dr. Fillers Plan zur Bar-Weltherrschaft einleiten. Die besteht in Hausbesuchen in den Bars und Verkostungen unter dem Codenamen „Tailormade“. „Jeder Bartender darf sich ein Botanical aussuchen, mit dem er gerne arbeitet. Und ich mache einen Filler daraus“, schallt Zukunftsmusik vom Turm am Wienerberg. Und die klingt verdächtig wie ein Muezzin-Ruf Dr. Fillers an die Barcommunity.

Credits

Foto: Wiener Ring und Flaschen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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