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FAKTEN: Der Sinn im Gin – Ein wenig Aufklärungsarbeit

Ja, ja: Gin ist ein riesengroßer Trend und man kann derzeit kein Celebrity-Heftchen mehr aufschlagen, ohne nicht mindestens drei Perfect-Serve-Empfehlungen vorgehalten zu bekommen. Der Trend geht bereits so weit, dass sich große Zeitungen in der Pflicht sehen, kritisch über nervende, selbst ernannte Gin-Experten zu berichten.

Die Realität hat mit dem Einblick aus dem Jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung allerdings wenig zu tun. Mag sein, dass diejenigen, die sich ein wenig auskennen mit ihrem Wissen, nicht hinter dem Berg halten. Wer allabendlich hinter dem Tresen steht und die Ohren spitzt, erfährt aber nicht selten gefährliches Halbwissen. Zeit, mit ein paar halbseidenen Gerüchten rund um das Thema Gin aufzuräumen:

1) Gin wird aus Wacholderbeeren destilliert

Klingt unglaublich? Ich habe den Satz „Gin ist wie Vodka, wird aber statt aus Kartoffeln aus Wacholderbeeren hergestellt“ nicht nur einmal gehört. Manchmal hab ich mich empört eingemischt, meist aber unsichtbar mit den Augen gerollt.

Nur ganz kurz für die nächste Barrunde: Gin kann aus so ziemlich allem hergestellt werden, was sich destillieren lässt. Per Definition ist Gin eine Spirituose mit Wacholdergeschmack, die durch Aromatisieren von trinkbarem Alkohol mit Wacholderbeeren gewonnen wird.

2) London Gin muss immer aus London kommen

Nein. Ein Hamburger muss nicht aus Hamburg kommen, der Berliner (Krapfen) nicht aus Berlin, und selbst ein Wiener Schnitzel lässt sich hervorragend in Köln zubereiten, wenn man sich an Kalbfleisch hält. Im Falle von London Gin handelt es sich nicht um eine Herkunftsbezeichnung, sondern um eine Qualitätsstufe.

Unter anderem muss das Wacholderaroma durch eine erneute Destillation mit pflanzlichen Stoffen erreicht werden, um diesem Gütesiegel gerecht zu werden. Außerdem darf das fertige Destillat nur 0,1g Zucker pro abgefülltem Liter enthalten.

3) Man benötigt eine Destille um Gin herzustellen

Es kommt drauf an, welche Art von Gin man produzieren möchte. Für einen Dry Gin braucht man tatsächlich eine Destille. Theoretisch reicht es allerdings, einen Alkohol zu nehmen und Aromen – die nicht einmal natürlichen Ursprungs sein müssen – hinzuzugeben.

Eventuell noch schütteln, fertig ist der hausgemachte Gin. Wer sich etwas mehr Mühe machen möchte, folgt der Anleitung im Stern. Man sollte den Artikel allerdings bis zum Ende lesen, bevor man anfängt.

4) Gin kann man nicht pur trinken

Eigentlich unfassbar, dass jemand diesen Satz fallen lässt, über etwas, das zum Konsum hergestellt wurde. Gin mag nicht den Status als Sipping-Spirituose wie vielleicht Rum oder Whisky innehaben, aber dennoch verfügt Gin über eine sehr ausgefallene und eigene Aromatik, und viele Marken eignen sich hervorragend zum puren Verzehr. In besonderem Maße vor allem die fassgelagerten Sorten, die in letzter Zeit vermehrt auf den Markt kommen.

5) Gin wurde erst durch den aktuellen Trend groß

Es gab noch nie so viele Ginmarken wie heute auf dem Markt – daran besteht kein Zweifel. Gin war aber schon immer eine der wichtigsten Spirituosen hinter der Bar, nicht nur für den Gin & Tonic. Bereits vor fast 25 Jahren adelte Charles Schumann den Gin mit der Aussage: „Eine Bar ohne Gin ist wie die italienische Küche ohne Pasta. (…) Keine Spirituose konnte ihn je erreichen. Mit keiner anderen wurden so viele klassische Cocktails und Drinks kreiert.“ Dem ist nicht viel hinzuzufügen.

6) England trinkt am meisten

In England wird viel Gin produziert, vielleicht sogar noch mehr getrunken. Am Ende des Tages ist der Gin, wie wir ihn heute kennen und zu uns nehmen auch etwas, was auf England zurückgeht, er schmeckt aber anderen Nationen noch ein wenig besser. Ganz weit vorn sind die Philippinen, die allerdings eine eigene Marke bevorzugen. Auch deutlich vor den Engländern liegen die Spanier, bei denen die Gin & Tonic-Kultur schon vor einigen Jahren Einzug hielt.

7) Jan Stremmel von jetzt.de liegt falsch

Auch wenn der Text, an dem wir uns schon zu Beginn unserer Infoseite aufgehängt haben, nicht in allen Punkten begeistert: Jan liegt auch nicht in allen Punkten falsch. Er hätte aber etwas differenzieren können. Wer im Club nassgetanzt und angeschwippst den Schlaumeier an der Bar markiert, nervt. Keine Einwände.

Wenn sich die studierenden Freunde aber zu Hause oder an einer ordentlichen Bar über verschiedene Aromen und „Luft in Wasser“ unterhalten, ist dies allemal besser, als wenn sie stundenlang in ihr Smartphone starren, ohne ein Wort zu sagen.

Credits

Foto: Sherlock, Wacholder und Tapete via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Comments (1)

  • Bluto Blutarski

    War das der gleiche Schumann, für den aromatisierte Vodkas ein NoGo sind 🙂 ?

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