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Feldfrisch ins Glas

In Süddeutschland geht die Hopfenernte zu Ende. Es war ein gutes Jahr, das uns ein paar anständige Craft Beere bescheren sollte – und das vielleicht schon ziemlich bald.
Eine Höllenmaschine ist das, diese Hopfenpflückmaschine von 1963. Aber der Josef Ehrmaier, dem sie gehört, das ist ja auch ein Teufelskerl. Es rumpelt und brummt und kracht in der Scheune am Ortsausgang von Tegernbach, mitten in der Hallertau. Und das ab Ende August vier ganze Wochen lang. Von früh bis spät.
Wirklich: Sehr früh bis spät. Die Arbeitstage eines Hopfenpflanzers wie Josef Ehrmaier  dauern zur Hopfenernte schon mal von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends. Und in dieser Zeit rattert die Hopfenpflückmaschine non-stop.
Vorne steht ein alter Mann mit Ohrenschützern und Gummistiefeln und füttert sie pausenlos mit meterlangen Hopfenranken, die der Bruder von Josef Ehrmaier und ein Freund mit dem Traktor von den im 6-Kilometer-Umkreis verstreut liegenden Feldern heran karrt. Im Bauch der Maschine zupfen große Kämme aus Holz und Metall die Dolden heraus.
Sie kullern über Förderbänder rauf und runter, während das Höllending Blätter und Ästchen im hohen Bogen durch eine Art gigantischen Auspuff ins Freie bläst. Ganz hinten stehen zwei Männer, die die sauberen Dolden in Metallwannen packen, um sie in die Trocknungsanlage in einem kleinen Turm hinter der Scheune zu bringen. Und über allem hängt die dickste, fetteste, süßlichste Hopfenduftwolke in der Luft, die man sich nur vorstellen kann.
Eigentlich ist Josef Ehrmaiers alte Hopfenpflückmaschine ohnehin schon voll ausgelastet. 2009 hat der junge Bayer den Hof, die Anlage und die Hopfenfelder seiner Eltern gepachtet – und seitdem seine Flächen jährlich um etwa 10 Prozent vergrößert. Und trotzdem verlangte er in diesem Jahr der alten Maschine noch einmal mehr ab: Denn dieses Jahr hat sie zum ersten Mal Josef Ehrmaiers Cascade-Hopfen geerntet. Einen astrein für Craft Beer geeigneten Aromahopfen, der eigentlich aus den USA kommt.

Die Hopfenfresser
Ein paar Hopfen-Fakten in aller Kürze: Grundsätzlich muss man zwei Arten von Hopfen unterscheiden, Aromahopfen und Bitterhopfen. Beide werden für die Bierherstellung verwendet. Wie die Namen aber bereits vermuten lassen, bringen Bittersorten vor allem Bittere und machen das Bier länger haltbar.
Bei Aromahopfen stehen die ätherischen Öle im Vordergrund, je nach Sorte können die etwas Zitrusartiges haben, mehr florale Noten, an Honig, Harz oder Gras erinnern – all die Aromen eben, die so ein handwerklich gebrautes Pale Ale oder ein doppelt gehopftes IPA so besonders machen.
Logisch also, dass diese Sorten im Craft-Beer-Bereich die bedeutendere Rolle spielen, während Industriebier oft mit reinen Bitterhopfen auskommt.  In den USA werden aktuell 52 Prozent der dort angebauten Aromahopfen von Craft-Beer-Machern verbraucht – und das, obwohl deren Bier nur acht Prozent des jährlichen Gesamtbiervolumens der USA ausmachen.
In Liebe mit dem Aromahpfen
Nach der offiziellen Schätzung des Verbandes der deutschen Hopfenpflanzer war 2014 ein gutes Hopfenjahr, der trockene Frühling und der durchwachsene  Sommer waren für das Wachstum der Pflanzen perfekt. Allein in der Hallertau werden 30.000 Tonnen Ertrag erwartet – der Großteil davon Bitterhopfen.
In Deutschland wird aktuell überwiegend Bitterhopfen angebaut. Das liegt zum Teil daran, dass diese Sorten oft robuster, weniger krankheitsanfällig und ertragsstärker sind. Zum anderen haben die Brauereien die längste Zeit auch nach nichts anderem verlangt. Bitterhopfen sind in der Regel deutlich billiger als Aromasorten und lassen sich leicht extrahieren.
Auch die hopfenpflanzenden Nachbarn von Josef Ehrmaier setzen deshalb auf bittere Sorten wie Taurus, Herkules oder Perle. Nur der Josef, der hat in diesem Jahr zum ersten Mal ein ganzes Feld Aromahopfen angebaut. Weil er damit in der Craft Beer Szene mitmischen möchte. Sein ganz persönliches „Cascade Valley“ nennt er das kleine, gut geschützte Tal hinter dem Tegernbacher Sportplatz, wo sein erster Aromahopfen erstaunlich gut gedeiht. Wegen der vielen Liebe, die er von ihm bekommt, sagt der Josef.
Grünhopfenbier
Während der Josef wie die meisten deutschen Hopfenpflanzer seinen Hopfen normalerweise getrocknet und zu 60-Kilo-Ballen gepresst an große Hopfenhändler wie Barth-Haas oder Hopsteiner verkauft, die daraus Pellets oder Extrakte machen und die an die Brauereien vertreiben, verkauft er das bisschen Aromahopfen, das die erste Cascade-Ernte ihm einbringt direkt an deutsche Craft-Beer- Macher. Vor ein paar Tagen war Thorsten Schoppe von Schoppe Bräu  in Berlin bei ihm zu Besuch und hat 25 Kilo Cascade frisch, also direkt vom Busch quasi, nach Berlin mitgenommen.
Grünhopfen oder Wet Hops nennt man den erntefrischen, weder getrockneten noch gepressten Hopfen. Und Biere, die mit solchen Dolden frisch vom Feld gebraut werden, entsprechend Wet Hop Beer, Fresh Hop Beer oder eben Grünhopfenbiere.  Eine seltene, saisonale Spezialität. Gibt es nur zur Hopfenernte. In eher kleiner Menge, meistens, und schmeckt nicht selten eher herb und grasig.
Genau so ein Wet Hop Beer hat Thorsten Schoppe daraus gemacht. Ist, wie man hört, gar nicht so einfach, weil der grüne Hopfen so viel mehr Volumen hat als der zu trockenen Pellets gepresste. Und das passt dann gar nicht unbedingt in jeden Sudkessel.
Letztes Jahr brachte die Kreativbrauerei Kehrwieder aus Hamburg so ein Grünhopfenbier als limitierte Sonderauflage heraus, mit dem kann-man-mögen-oder-nicht Namen „Feuchter Traum“. In München haben die Jungs von Crew Republic dieses Jahr mit feldfrischem Hopfen gebraut, Eric Toft hat schon letztes Jahr das Schönramer Grünhopfen Pils vorgelegt. Mag – eben weil der frische Hopfen recht bissig sein kann – nicht jedermanns Sache sein, aber ein Teufelszeug, dass es sich zu probieren auf jeden Fall einmal lohnt.

Credits

Foto: Hopfenfeld via Shutterstock

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