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FÜNF! alkoholarme Drinks

Ein wenig Druck vom Gaspedal zu nehmen: nach dem alkoholträchtigen und von Völlerei begleiteten Dezember schadet das nicht. Wir haben FÜNF! Vorschläge, bei denen ein Verlust an Volumenprozenten nicht automatisch aromatische Tristesse im Glas bedeutet.

Wer den Verzicht auf hochtourige Drinks nur als Kasteiung betrachtet, hat einen internationalen Trend verschlafen. Egal, ob man von „low ABV“-Drinks oder „Session Cocktails“ spricht, weniger ist aktuell für viele Bartender mehr. Doch keine Angst, wir sehen eine Bar ohne Alkohol weiterhin als so sinnvoll an wie ein Steakhouse für Vegetarier – doch auch ohne Fassstärken-Spirituosen lassen sich Cocktails zubereiten. Der Londoner Bar-Star Ryan Chetiyawardana hat es in seiner Dandelyan Bar bei den „Sea Containers“ vorgemacht und bewusst auf Cocktails mit wenig Alkohol gesetzt. Selbst einem Virgin Cocktail wie dem auf Apfelsaft basierenden „Sour-less“ widmet er die gleiche Aufmerksamkeit wie „boozy” Cocktails. Das Motto unserer FÜNF!-Drinks können wir getrost von Mr. Lyan borgen: „Pack flavour into lighter options“!

1) Americano – der Negroni fürs Trockendock

Die Nummer 1 macht uns die Sache leicht, denn der „Americano“ lebt ja als Proto-Negroni davon, dass der namensgebende Graf Camillo statt Soda Gin in seinem Drink wollte. Den hatte bereits Gaspare Campari gut 50 Jahre früher als „Milano-Torino“ ersonnen, und damit eine perfekte Eselsbrücke für Bartender gebaut: Aus Mailand kam Campari, aus Turin der Wermut. Soda dazu und fertig! Ob es für den Negroni anfangs nur ein paar Dashes Gin sein sollten, wie man in der Accademia Campari lehrt, mag historisch umstritten sein, eine schmackhafte, „low ABV“-Variante des Americano ergibt aber auch diese Fassung.

Wer jemals den Drink im „Camparino“, dem gar nicht so lange erst zurückgekauften Ur-Lokal der roten Dynastie in Mailands Galleria Vittorio Emanuele II, trank, weiß worauf es beim Italo-Aperitif ankommt. Die findigen Herren im weißen Dinnerjacket verfügen über eine besondere Karbonisierungsanlage, die selbst den Campari-Soda mit einer stabilen (!) Schaumkrone versieht. Soda aus dem Siphon wäre also jene Variante, die den Americano perfektioniert. Salute!

2) Epiphany – der Prototyp des Shim

Systematisch ging es Dinah Sanders an. Die Bloggerin erfand nicht nur einen eigenen Terminus für leichte Cocktails, nämlich „Shim“, sondern fragte Bartender nach ihren Varianten bzw. durchforstete die Cocktail-Bücher der letzten 150 Jahre. Das 2013 erschienene Kompendium „The Art of the Shim: Low-Alcohol Cocktails to Keep You Level“ listet 53 davon auf, die ihrer Definition – „weniger als anderthalb Zentiliter 40%-iger Alkohol im Drink“ – entsprachen.

Der Ausdruck Shim bedeutet übersetzt so viel wie „Beilegescheibe“ und soll das „missing link“ zwischen alkoholfreien und kräftigeren Drinks bezeichnen. Den eher unschönen Begriff versüßt eine attraktive, asiatisch inspirierte Rezeptur, die Shaher Misif – heute in der Bostoner Highball Lounge am Shaker – noch in seiner Zeit in der Cantina-Bar in San Francisco kreiert hat. Mit seinem Namen „Epiphany“ (Erscheinung) passt er bestens in den Januar, in dem ja auch das Fest der Erscheinung des Herrn, besser bekannt als „Drei-Königs-Tag“, gefeiert wird.

Epiphany

2 dicke Scheiben Gurke (geschält)
4 cl Dolin Vermouth Blanc
3 cl Sake

3 cl frischer Zitronensaft
4 cl Zuckersirup
3 cl Grapefruit-Limonade (z. B. San Pellegrino Pompelmo)

Glas: Highball

Dekoration: Grapefruitzeste

Zubereitung: Gurke im Shaker muddlen. Restliche Zutaten außer Limonade dazugeben, mit Eis schütteln und ins vorgekühlte Gästeglas auf Eiswürfel abseihen. Mit Grapefruit-Limonade aufgießen und vorsichtig umrühren.

3) Schwachstrom mit Likörchen – „Fizz“-Baukasten

Für Traditionsbewusste hat auch Jerry Thomas eine Rezeptur parat, die eigentlich einen ganzen Baukasten an abwechslungsreichen Cocktails ermöglicht. Der Trick besteht darin, in der Definition des „Professors“ das Wörtchen Spirituose durch Likör zu ersetzen: Aus der vierteiligen Fizz-Basis-Rezeptur des „Bartender’s Guide“ wird somit das Trio aus Likör, Zitrone und Sodawasser – Zucker haben wir per definitionem ohnehin schon im Likör. Stellvertretend sei ein Melon Fizz rezeptiert, der dem winterlichen Unterbewußtsein nebenbei signalisiert „es kommt wieder ein Sommer“. Praktisch jede andere Likörvariante eignet sich aber genauso.

Melon Fizz

5 cl Midori
Saft einer halben Limette
10 cl Soda Water

Glas: Highball

Dekoration: Limettenzeste

Zubereitung: Melonenlikör und Saft im Glas auf Eiswürfeln miteinander verrühren und mit Soda Water aufgießen.

Damit fängt der Spaß aber erst an, denn mit frischen Früchten lässt sich dieser Schwachstrom-Drink ebenso aufpeppen wie mit Kräutern und Gemüse. Gurke und Basilikumblätter etwa unterstützen das Detox-Feeling.

4) Disteln für die Surfer – Cardamaro Highball

Wenn wir schon entgiften, dann gehören natürlich auch die Distelgewächse, die Familie der bekannt leberfreundlichen Artischocke, dazu. Aus Cardy und Benediktenkraut, zwei weniger bekannten Vertretern, erzeugt Tosti in der Nähe des piemontesischen Asti seinen „Cardamaro“. Der Bitterlikör mit 17% Vol. erfreut sich im fernen Kalifornien großer Beliebtheit. Denn als das Salt Air vor knapp zwei Jahren seine Pforten in Venice öffnete, sah man sich mich einer typisch amerikanischen Einschränkung konfrontiert, die „unsere Kreativität herausforderte“, wie Bartender Brian Butler meint. Denn mit einer Schanklizenz für Bier und Wein verbaten sich härtere Spirituosen von vorneherein.

Der Cardamaro – ersatzweise lässt sich auch der hierzulande bekanntere Cynar verwenden – hingegen passte ins strenge US-Recht und wurde als Moscow Mule-Abwandlung zum Signature Drink. Die kalifornische Bar verwendet dazu Bitters von der aus L.A. stammenden Miracle Mile Bitters Company, als leichter erhältlicher Ersatz eignet sich aber auch Angostura Bitter.

Salt Air Highball

5 cl Cardamaro
0,7 cl frischer Limettensaft
2 Dashes Forbidden Bitters

Ginger Beer

Glas: Highball

Dekoration: Limettenscheibe

Zubereitung: Glas mit Eiswürfeln füllen, alle Zutaten (außer dem Ginger Beer) miteinander verrühren und mit Ginger Beer auffüllen.

5) The Mauser – Tiki, ganz ohne Rum-Orgie

 Auch in New York spricht man allmählich von einem echten „low proof movement“, eines ihrer Epizentren ist das als „Bar de Conservas“ deklarierte Donostia. Zu den Eigenheiten der baskischen Taverna im East Village zählt ebenfalls eine nicht vorhandene Schanklizenz für Spirituosen. Also greift Bar-Chef Will Peet gerne zu fortifizierten und aromatisierten Weinen – Mischungen aus Wermut und Sherry bilden oft die Basis seiner überraschenden Kreationen. Und so gibt auch ein Sherry-Trio den Rum-Ersatz bei seiner Zombie-Variante, die mit Grenadine, Grapefruit und Angostura aromatisch klar auf Tiki-Kurs bleibt, allerdings mit deutlich weniger Umdrehungen.

The Mauser

6 cl Fino Sherry (z. B. Tio Pepe)
4,5 cl Amontillado Sherry
2 cl Moscatel Sherry
2 cl frischer Limettensaft
1,5 cl frischer Grapefruitsaft
0,7 cl Grenadine
1,5 cl hausgemachter Vanillesirup
0,75 cl hausgemachter Ingwersirup
3 Dashes Angostura Bitters

Glas: Hurricane

Dekoration: Peychaud’s Bitters und Minz-Bouquet

Zubereitung: Alle Zutaten auf Eis schütteln und ins mit Crushed Ice gefüllte Glas abseihen.

* Vanillesirup: Eine Vanilleschote (der Länge nach aufgeschnitten) mit einer Tasse Wasser und einer Tasse Zucker auf kleiner Flamme eine halbe Stunde köcheln lassen. Abkühlen, abseihen und im Kühlschrank zugedeckt aufbewahren.

* Ingwersirup: Eine halbe Tasse ausgepressten Ingwer-Saft und eine Tasse Puderzucker in einen verschließbaren Behälter füllen und schütteln, bis sich der Zucker auflöst. Im Kühlschrank kalt stellen.

Credits

Foto: Glühbirnen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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