TOP

FÜNF! Drinks mit Gemüse

Erntedank wird auch an der Bar gefeiert. Und da reden wir nicht vom Selleriesalz am Glasrand. Auch die Olive im Martiniglas gilt nicht. FÜNF! Cocktails, denen Gemüse tatsächlich das aromatische Rückgrat gibt, sollen es sein.

Während jedes Kraut gemuddled wird und jedes Obst schon einmal in den Blender geraten ist, scheinen die wenigen Klassiker mit gemüsiger Beteiligung in der an sich schon schmalen Ecke der „Savoury Drinks“ zu verstauben. Das war nicht immer so. Pastinaken-Wein klingt vielleicht nicht unbedingt nach einem Verkaufsschlager. Und doch gehörte er jahrhundertelang zu den ländlichen Berauschungsmitteln Europas, ehe man die Kartoffel importierte und ihren Stärkegehalt für den Selbstgebrannten nutzte. Gemüse war neben Getreide die Alkoholquelle der Masse.

„Gärtner sind die ultimativen Mixologen“, bringt es Amy Stewart auf den Punkt. Die Autorin von „The Drunken Botanist“ zeigt aber auch auf, wie Gemüse für Destillate und Drinks in Vergessenheit geriet. Irgendwann schlich sich die Abneigung gegen diese „primitiven“ Mixturen ins allgemeine Bewusstsein. Ein gutes Maß Schuld an dieser Entwicklung darf man auch der Prohibition unterstellen, nach der man genug vom Rüben-Rum getrunken hatte. David A. Embury etwa nennt den „Red Snapper“ in „The Fine Art of Mixing Drinks“ voll Verachtung ein Beispiel für „exotic misfits“. Da wir nicht jedem seiner Leser einen Start in 10.000 Meter Höhe spendieren können, wo – laut Airline-Statistik – der Tomatensaft so unvergleichlich besser schmeckt, finden sich hier ein FÜNF!-Gartenbeet-Gemenge.

1) Bei Tomaten sehen wir rot Mary & Tomatini

Wer mit seinem grünen Daumen auch den Barlöffel schwingt, kommt an der Bloody Mary nicht vorbei. Also steht sie gleich zu Beginn der Garten-Cocktails. Im Grunde eignet sich ihr Süße-Säure-Spiel auch ohne große Zusätze zum Ausbalancieren von Alkohol – vor allem Vodka. Das Rezept darf als bekannt vorausgesetzt werden. Allerdings stellt der dickflüssige Saft ein kleines Problem für die gar nicht so seltenen Tomatenverweigerer dar.

Eine Variante mit geklärtem Saft, wie sie der von Jimmy Barrat (Zuma, Dubai) vorgelegte „Tomatini“ darstellt, kann man hingegen auch solchen Menschen servieren, die bei Tomaten rot sehen. „Ich mag selbst keinen Tomatensaft und behandle daher die Tomate wie eine Frucht“, verrät Barrat den Trick. Ergo wird eine ganze Tomate zerstoßen, dazu kommen Vodka, Zitronensaft und weißer Balsamico, Zuckersirup sowie eine Prise Salz (wer eine weitere Zutat aus dem Garten verwenden will, nimmt Selleriesalz) und Pfeffer. Als Garnitur nimmt Jimmy – trotz seiner Tomatophobie – eine Cocktailtomate.

Tomatini

50 ml Vodka
15 ml weißer Balsamico-Essig
15 ml Zitronensaft
10 ml Zuckersirup (1:1)
(Sellerie-)Salz, Pfeffer

Glas: Martini
Garnitur: Cocktail-Tomate
Zubereitung: Tomate im Shaker muddeln, mit allen weiteren Zutaten auf Eis shaken und doppelt ins gekühlte Martiniglas abseihen.

2) Der Drink auf der Erbse

Ausgerechnet Grün, die Gemüsefarbe schlechthin, scheint unterrepräsentiert an den Theken dieser Welt. Der „Jolly Green Giant“, eine Kreation von Zachary de Git im Tippling Club, zeigt, dass sich Experimentierfreude abseits von Tomate und Co. auszahlt. Denn bei näherer Betrachtung hat ein Drink mit Erbsen einiges für sich. Die zarte Süße der jungen Schoten ist schon mal gut, dazu kommt eine ungewöhnliche und intensive Farbe, die man nicht oft im Cocktailglas sieht. Und der Schalenanteil sorgt auch für eine gewisse Bitterkeit. Fehlen nur noch die Säurequelle und der Alkohol – sie bringen Zitronen, Plymouth Gin und Luxardo Maraschino ein. Zusätzlich gesüßt wird der erdig riechende Cocktail mit Agavennektar. Im Longdrink-Glas serviert, ist das nicht unbedingt ein Drink, der einen Schönheitspreis gewinnt, aber aromatisch eine echte Bereicherung.

Noch einfacher ist der Sommerdrink, den der Londoner Gemüsezauberer Rich Woods (Duck & Waffle) vergangenes Jahr mit frischen Erbsen für das Pop-up „Imaginarium“ in Shoreditch kreiert hat.

Mind Your Peas & Qs

100 Gramm frische Minze
200 Gramm Garten-Erbsen
1 Flasche Gin*
50 ml Tonic Water

Glas: Ballonglas
Garnitur: Minze
Zubereitung: Ein Ballonglas mit Eis füllen und 50 ml des Erbsen-Gin mit der gleichen Menge Tonic auffüllen und vorsichtig umrühren. Mit Minze-Zweig garnieren.

* Für die Erbsen-Infusion werden Minze und Erbsen 48 Stunden lang im Gin eingelegt. Dann durch ein Küchentuch abseihen und in die Flasche füllen.

3) Ultra-violett: Hola, Chica!

Die Spitzenküche inspiriert sich schon lange in Südamerika, also lassen wir uns auch in Sachen Gemüse eine Anregung geben. Wobei Mais zwar eigentlich als Getreide gilt. Das „Purple Corn“ bringt aber eine ganz neue Farbe in die Gemüse-Abteilung. Die getrockneten Körner bilden die Basis für ein Getränk, das in Peru eigentlich als alkoholfreier Durstlöscher den Sommer begleitet: Chicha Morada. Während der Mais für die Farbe sorgt, liefern Früchte und Gewürze den eigentlichen Geschmack. Daher sind die Rezepte dafür so zahlreich wie peruanische Großmütter. Unsere Basis stammt von den Autorinnen des „Everything Peruvian Cookbook“, Morena Cuadra and Morena Escardo.

Chicha Morada

4 Kolben getrockneter, violetter Mais
Schalen von einer Ananas
1 gehackter Apfel
1 gehackte Quitte
5 Zimtstangen
Gewürznelken
Piment
Saft von vier Limetten
Zucker (nach Bedarf)

Zubereitung: Körner von den Kolben rebeln und mit den zerbrochenen Kolben sowie allen Zutaten in einen Topf geben. Rund die vierfache Menge Wasser zugeben und aufkochen. Temperatur reduzieren und ca. eine Stunde ohne Deckel köcheln lassen – die Farbe sollte ein tiefes Violett sein. Abkühlen lassen, nach persönlichem Geschmack süßen und mit dem Limettensaft abschmecken. Im Kühlschrank aufbewahren (oder als Limo servieren).

Die farbintensive Basis lässt sich vielfältig für Drinks einsetzen. Etwa in der „Chicha del Chef”, die Pablo Sanchez für die „Casa Chameleon“ in Costa Rica kreiert hat (sie verbindet zwei Unzen weißen Rum und eine Unze Maracujasaft mit der Chicha). Noch farbenprächtiger ist ein Twist auf den „Pisco Sour“ (quasi: Peru trifft Peru!) mit der Mais-Mischung. Mit der Gin-basierten Variante holt sich Carlos Ruiz aus Princeton jüngst in New Jersey den Titel des regionalen „Mixologen des Jahres“.

The Mr. Ruiz

55 ml Gin
24 ml frischer Limettensaft
24 ml Demerara-Sirup
30 ml Chicha Morada
1 Eiweiß

Glas: Coupette
Garnitur: Zimtpulver
Zubereitung: Alle Zutaten in den Shaker geben und zuerst ohne Eis shaken. Danach mit Eis shaken und doppelt in eine gekühlte Coupette abseihen.

4) Favorit im gelben Trikot The Bowery Fix

Ein heimlicher Bar-Favorit, wenn es um Gemüse im Drink geht, scheint die gelbe Paprika zu sein. Der „Yellow Lamborghini“ von Salvatore Calabrese verdankt seine aromatischen Pferdestärken etwa dem Nachtschattengewächs. Es spielt aber auch eine – durch Chili verstärkte – Hauptrolle in Naren Youngs (Saxon+Parole) Signature Drink. Die New Yorker Bar kann überhaupt als eine Hochburg der Savoury Drinks angesehen werden, auch der „Tomato Spritz“ oder der „Celery Gimlet“ werden hier gerne serviert. Der „Bowery Fix“ hingegen bringt nicht nur Feuer ins Spiel, er hat auch Rauch zu bieten, den der Mezcal beisteuert.

The Bowery Fix

45 ml Tequila Blanco (100% de Agave)
8 ml gelbe Chartreuse
15 ml Mezcal
30 ml frischer Saft von gelber Paprika
15 ml frischer Zitronensaft
15 ml Zuckersirup
3 Dashes Chili-Tinktur**
Prise Zitrus-Salz*

Glas: Coupette
Garnitur: Chili-Öl-Tropfen***
Zubereitung: Alle Zutaten außer dem Chili-Öl mit Eis shaken und doppelt abseihen – mit ein paar Tropfen Chili-Öl garnieren.

*Zitrus-Salz: Zesten von etwas Zitrone, Limette, Orange und Grapefruit in einem Mörser mit Meersalz mörsern.

**Chili-Tinktur: Chili nach Wahl (Jalapeño, Chipotle o. ä.) waschen, schneiden und von Samen befreien. Über Nacht in Vodka einlegen. Ist der gewünschte Schärfegrad erreicht, Vodka abseihen und Chili entfernen.

***Chili-Öl-Tropfen: Getrocknete Chili mörsern oder zerbröseln und für einige Stunden mit Olivenöl vermischen – abseihen und in eine Dash Bottle füllen.

5) Die Karotte: München und die Bunnies

Chili-Rot, Mais-Violett und Erbsen-Grün, wohin man also international schaut. Doch wo bleibt das Schwarz-Rot-Gold? Keine Angst, auch hierzulande wird gemixt, was das Beet hergibt. Und das nicht erst, seit „savoury“ wieder „smart“ ist. Bereits 2009 inspirierte Dietmar Petri eine „scheinbar genmanipulierte Karotte, mit der ich was machen musste“. Geworden ist es nach den Worten seines Erfinders, der ihn damals noch in der Cortiiina Bar für den Münchener The Duke Gin kreierte, „ein unglaublich zugänglicher Aperitif, der so locker leicht daherkommt wie eine Daunenfeder im Winde“. Der würde auch Bugs Bunny schmecken, feixte Petri in seinem Blog-Post zur Entstehung noch.

Duke and the Bunny (Dietmar Petri, Fleurs du Mal, München)

40 ml The Duke Gin
20 ml frischer Limettensaft
20 ml Lillet Blanc
10 ml Zuckersirup
4 dünne Karottenscheiben (Spargelschäler verwenden)

Glas: Martini
Garnitur: Karottenschnitz
Zubereitung: Alle Zutaten mit Eis in einen Shaker geben und kräftig schütteln (Petri: „Shaken, bis der Arm weh tut“), danach ins gekühlte Martiglas abseihen.

Übrigens: Wer sich über die Farbspiele der Rezepte wundert, die verdanken sich einem der wichtigsten Apostel der neuen Gemüse-Liebe. Alain Passard, der mit der Guide Michelin-Höchstnote von drei Sternen gekrönte Patron des Pariser „L’Arpège“, beschäftigt gleich mehrere Gärtner für sein fleischloses Restaurant. Und er soll das Schlusswort haben: „Das Wesen des Gemüses besteht aus vier grundlegenden Farben: Weiß, Gelb-Orange, Purpur-Rot-Violett und Grün. Es liegt an uns, dass diese Palette das ganze Jahr auf dem Teller ist“. Oder eben im Glas…

Credits

Foto: Shaker, Gemüse und Minze via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Comments (5)

  • Stephan Scheungrab

    reply
    • Redaktion

      Hallo Stephan,

      der Name liegt natürlich bei vielen Kreationen mit der roten Frucht sehr nah. Aber ansichtig Deiner Zubereitung bzw. Garnierung mit Basilikum und Mozzarella scheint es sich eher um einen Namensvetter denn um einen wirklichen Verwandten zu handeln, gell? 😉
      Leider ist das volle Rezept unter dem Link nicht auffindbar. Wie lautet es denn?

      Liebe Grüße
      // Nils Wrage

      reply
  • Stephan Scheungrab

    Leider ist das Rezept nicht mehr online.
    Aber sogar von der Zubereitungsart sehr ähnlich. (wenn nicht sogar identisch)

    Hier das Rezept.

    5 cl Kauffman Voda
    1 cl weißer Balsamico essig
    0,5 cl Spicy Sirup Monin
    1 Barlöffel Weisser Rohrzucker
    1/4 Barlöffel Selleriesalz
    Halbe Tomate

    Tomate kleinschneiden. Alles Zusammen kräftig shaken.
    Double Strain in Martiniglass.

    Ich finde es ja eher lustig als störend. 🙂

    reply
    • Redaktion

      Wirklich sehr ähnlich. So wie ich im hamburgisch-ulmer Fall des Gin Basil Smash. Gute Ideen brechen sich immer ihre Bahn!

      reply
  • Stephan Scheungrab

    Dann warte ich jetzt mal auf den nächsten Drink mit Paprika und Gin. 🙂

    reply

Kommentieren