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FÜNF! grässliche Sommerdrinks

Ein hoch auf das Hoch! Seit einigen Tagen beschert uns „Annelie“ rekordverdächtige Sommertage. Lust auf einen sogenannten „Sommerdrink“? Wohl kaum ein Begriff aus der Getränke-Branche ist so sehr ein zweischneidiges Schwert. Für viele Menschen scheint es nichts Schöneres zu geben, für andere ist schon das Wort an sich ein Graus. Aus der unüberschaubaren Wucht aller kühlen Erfrischungen haben wir uns FÜNF! besonders dreiste herausgesucht. Eine Warnung!

Jedes Jahr im Frühling geht sie allmählich los: auf Blogs, in Zeitschriften, in Lokalzeitungen und natürlich massiv lanciert durch die PR-Abteilungen großer Getränkefirmen tobt spätestens ab April die Suche, oder auch: der Kampf, nach dem nächsten sogenannten Sommerdrink.

Dabei sollten sich sensible Geister eigentlich schon am Begriff selbst stören. Sommerdrink — was bist Du? Ein Getränk, das „nach Sommer“ schmeckt? Ein Drink, der zu warmen Temperaturen, zu Strand und Laissez-faire passt? Oder womöglich ein Labsal, das den inneren Sonnenschein hervorruft?

Während die meisten Bartender-Augen bei besagtem Schlagwort meist in heftiges, missgünstiges Rollen geraten, scheint der Großteil der trinkenden Bevölkerung jener obskuren Gemengelage der „Sommerdrinks“ doch sehr zugetan zu sein. Andernfalls würde eben nicht alljährlich von neuen Zubereitungen die Rede sein. Schaut man sich die verbindenden Eigenschaften jener Drinks an, fallen ein paar wichtige Dinge auf: Der Sommerdrink scheint geradezu darauf angewiesen zu sein, Schaumwein zu enthalten.

Und auch ansonsten sind es jene üblichen Verdächtigen der leichten Dessert-Küche, die uns immer wieder begegnen: Minze, Erdbeeren, eigentlich auch alle anderen Beeren. Wenn Spirituosen, dann eigentlich immer weiße — offenbar meint man, dass jene bei hohen Temperaturen nicht so sehr ins Kontor schlagen.

Wir müssen uns also eingestehen: eine Patentrezept für den Sommerdrink gibt es sicher nicht. Aber dafür eine babylonische Anzahl an Zubereitungen, die sich jenen Namen selbst verliehen haben oder die im Sommer in rauen Mengen von Kellnern auf die Terrassen dieser Welt geschleppt werden. Schauen wir uns FÜNF! besonders schlimme von ihnen an.

1) Bier-Mixgetränke

Ja, auch von der Bierindustrie wird der Sommer gern als Verkaufsinstrument genommen. Und wir wollen unverblümt sein: die meisten der erhältlichen Bier-Premixes sind prinzipiell eine Beleidigung für jeden Gaumen, der dem Kindergartenalter entwachsen ist. Waren die ersten Vertreter der Gattung im wesentlichen nur eine hip verpackte Variante des traditionellen „Radler“ oder „Alsterwasser“, nämlich Bier mit Zitruslimonade, ist die Flut seit Jahren ungebrochen und ebenso gewaltig wie zuckrig.

Grapefruit, Beeren-Mix, Curuba, Apfel, Birne und weitere Preziosen werden in der Zuverlässigkeit eines Kirchenkalenders zur warmen Jahreszeit auf den Markt geblasen. Überzuckerte Brühen, bei denen man sich ernstlich fragt, ob sie je mit Bier in Kontakt getreten sind oder ob nicht doch einfach ein wenig Neutralalkohol im Limonadentank versenkt worden ist. Das Ganze abgelichtet in Eisbottichen auf Dachterrasse — und der Sommer soll kommen können. Alkohol für Menschen, denen sogar Industriepils schon zu intensiv schmeckt.

2) Die Frozen-Keule

Haben Sie schon einmal in Florida eine Margarita oder einen Daiquiri geordert? Wer diese Frage mit „ja“ beantwortet, der wird oftmals die Erfahrung gemacht haben, dass man hier generell ein „Frozen“ vor jeden klassischen Sour zu setzen scheint — es sei denn, man gerät mit Glück an einer jener seltenen guten Bars. In den meisten Fällen nimmt aber keine Schale mit einem sorgfältig zubereiteten Cocktail, sondern ein Eimer mit püriertem Eis auf dem Tisch Platz.

Doch nicht nur in den USA begegnen uns jene Schläfen-Schläger, auch der Rest der Welt labt sich in der Sommerzeit gerne an Frozen-Drinks.
Was von einigen modernen Barbetreibern augenzwinkernd und gleichzeitig hochwertig auf andere Kategorien übertragen wird, ist in den meisten Fällen ein Graus. Archetypisch darf der Frozen-Strawberry-Daiquiri gelten. Denken wir an eine große Rooftop-Bar: wir sehen Limettensaft aus der Flasche, industriell gefertigtes Erdbeerpüree, billigen weißen Rum und eine ganze Menge Eis. Das alles mit der Feinfühligkeit eines Vorschlaghammers zu einem „Drink“ verarbeitet. Noch jemand ein Bier?

3) Mojito X.0

Ein Mojito ist etwas wunderbares. Richtig zubereitet, gibt es ehrlicherweise kaum etwas schöneres, um zu großer Hitze auf flüssigem Wege entgegen zu treten. Feine, minzige Frische, ein wenig säuerliche Limette, aromatischer, aber leichter Rum. Das alles eiskalt gerührt und mit etwas Soda zu einem wunderbaren Highball verlängert. So simpel kann großes Kino sein.

Doch wie war das mit der Minze als Allzweckwaffe der Sommerdrink-Schmieden? Genau! Es dürfte so gut wie keine Frucht unter Gottes Sonne geben, mit der noch keine Mojito-Variante auf die sommerliche Bühne geschubst wurde. Angefangen vielleicht beim vor vielen Jahren noch gefeierten Pink Mojito, möchte man mittlerweile Reißaus nehmen vor der Schwemme an Mango-Brombeer-Maracuja-Erdbeer-Melonen-Papaya-Mojitos.

Dabei ist die eigentliche Tragik noch nicht einmal, dass jene Drinks nicht schmecken, sofern sie mit frischen, reifen Früchten oder anständigen Likören hergestellt sind. Aber sie demonstrieren die Lieblosigkeit und mangelnde Kreativität, mit der dem „twisten“ von Klassikern zur Sommerzeit in vielen Fällen begegnet wird. „Was werfen wir denn diesen Sommer in den Mojito?“ — „Hhhmmm, vielleicht Feigen?“ — „Geil! Hatten wir noch nie.“ Dabei sind die Möglichkeiten, mit Kräutern und Spirituosen zu variieren, gewaltig. Auch jenseits des vermeintlich sommerlichen Obst.

4) Piña Colada — die deutsche Variante

In letzter Zeit wird und wurde viel über die Piña Colade gesprochen. Zu Recht! Denn in ihrer modernen Urform, die in den 1950er Jahren in Puerto Rico entwickelt wurde, ist sie ein unschlagbarer tropischer Knaller. Die Kombination aus weißem Rum, reifer, pürierter Ananas und Kokos ist nicht nur traditionell karibisch, sondern ein einzigartiger, feincremiger Genuss, der zeigt, welche Aromenwelt man mit wenigen frischen Zutaten kreieren kann.

Dann kam die Verfügbarkeit industrieller Zutaten sowie der deutsche Drang nach geheuchelter Exotik — und damit der Tod der Piña Colade in Form ihres „Evil Twin“, der bis zu heutigen Tag jeden Sommer millionenfach Verkauft wird: schlechter Rum, Sahne, Ananassaft aus Konzentrat und Kokosgeschmack aus der Sirupflasche. Also all das, was eine Piña Colada nicht sein sollte. Klebrig, übersüßt und pappig, dabei ohne jene wunderbare Bindung, die pürierte Ananas mit sich bringt. Man wundert sich, weshalb dieser Drink seit Jahrzehnten die Karten unzähliger Bars vor allem im Sommer als unangefochtener Topseller anführt. Dabei ist die echte Variante mittlerweile ohne Probleme und für nur wenig mehr Geld zu beschaffen. Tja, die Gewohnheit.

5) Hugo

Wie immer wollen wir hier nicht zu sehr auf ein easy target schießen. Und tatsächlich ist der Hugo nicht zwangsläufig ein schlechter Drink. Sei es in seiner Ur-Rezeptur, die noch auf Weißwein basierte und Melisse den Vorzug gegenüber dem Trend-Aroma Holunderblüte gibt. Oder aber wenn die Zutaten stimmen: Holunderblütensirup oder Likör lassen sich in vielen Fällen selber herstellen. Dazu ein guter Crémant, Spumante oder Winzersekt, ein kleiner Lime-Squeeze, etwas kräftiges Soda und aromatische Minze — der unter Bartendern verhasste Hugo kann, unter uns gesagt, eine ziemliche Delikatesse sein. Und das besonders im Sommer!

Umso trauriger ist das Ergebnis, mit dem der Hugo Opfer seines eigenen Erfolges wurde. Denn die Kombination aus synthetischem Blütenaroma, minderwertigem Frizzante-Secco, Medium-Mineralwasser und einem lappigen, einsamen Minzblatt ist eine ziemlich deprimierende Angelegenheit. Wenn nicht gar ein Premix verwendet wird! Das alles auf wässerigen Eisknubbeln zusammengerührt und für € 3,50 verkauft, ergibt nicht anderes als einen Drink, der eher auf den Herbst hoffen lässt. Oder auf einen Aperol Spritz. Obwohl… Naja, darüber sprechen wir dann im nächsten Frühling.

Credits

Foto: Frau am Pool via Shutterstock.

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