TOP

Big City Life – FÜNF! Cocktails, die eine Stadt im Namen tragen

Es gibt Ausnahmen, aber: Cocktails kommen aus Städten. Deswegen tragen Cocktails Städtenamen. MIXOLOGY ONLINE stellt FÜNF! Drinks vor, die nach Metropolen benannt sind. Und nein: New York und seine Stadtteile kommen darin nicht vor. Dafür einige vergessene Klassiker.

Warum trägt eigentlich jeder Cocktail einen Namen? Nun, da wäre zum einen die Tatsache, dass der Drink ja ähnlich wie Mensch und Tier einen Rufnamen tragen muss, über den wir auf ihn Bezug nehmen können. Zum anderen ist der Name häufig nicht nur optischer, sondern auch inhaltlicher Ausdruck vom zu erwartenden, liquiden Labsal. Schlussendlich ist die Namensgabe in einer Bar in puncto Kommunikation essentiell. Wer will sich schließlich an einem Freitagabend missverstehen oder unnütz-kompliziert den „süßen, grünlichen, leicht scharfen, alle Geschmackssinne treffenden Drink, den ich letzte Woche, vielleicht auch schon vor zwei Wochen einmal hatte“ bestellen?

Niemand. Genau deswegen haben Drinks einen Namen. Aus welchem Grund sie ihn verliehen bekamen, mag unterschiedliche Gründe haben. Möglicherweise ist er einfach eine Verschriftlichung der in ihm vorkommenden Ingredienzien und nimmt Bezug auf die in ihm verwirklichte Kategorie (Gin Basil Smash, Gin Tonic), oder er zeichnet freskenartige Bilder im neoromantisch-historischen Gewand (Cuba Libre, Sloppy Joe’s), hat einen prominenten Namensvater (Negroni, Hemingway Special), nimmt auf anzügliche Art und Weise Bezug auf so manche Situation (Hanky Panky) oder ja –  er trägt den Namen einer Stadt. Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe dieser Cocktails, die nach Städten benannt wurden. Häufig war dies dem Zufall geschuldet, nicht selten aber steckt dahinter eine lustige Anekdote. FÜNF dieser City-Cocktails stellen wir heute vor.

Der Vancouver

Wir beginnen unsere flüssige Odyssee durch die Metropolen dieser Welt in einem Land voll unberührter Natur, landschaftlichen Weiten und pulsierenden Großstädten. Einem Land, das ebenso wenig mit dem großen, südlich gelegenen Nachbarn in Verbindung gebracht werden möchte, wie es sich auf nur eine Amtssprache einigen will und kann: Kanada. Weit westlich, nahe der Pazifikküste, liegt Vancouver, die drittgrößte Stadt des Landes. Was für viele Naturfreunde und die weite Ferne suchende Backpacker noch immer als das Nonplusultra gilt, das ist von den Cocktail-Menüs unserer Zeit fast gänzlich verschwunden.

Generell war der Vancouver zwar immer ein beliebter Drink, zum großen Klassiker avancierte er jedoch nie. Entstanden ist er verschiedenen Quellen zufolge während der 1950er-Jahre im Sylvia Hotel, der ersten wirklich legalen Cocktailbar Vancouvers. Wie fast schon charakteristisch für einen Cocktail mit spärlichen Informationen zur Entstehungsgeschichte, werden auch beim Vancouver so manche Mythen und Gerüchte aus der Barkiste gezaubert. So soll er beispielsweise die letzte liquide Freude des Stummfilmstars Errol Flynn kurz vor dessen Ableben gewesen sein. Ähnlich wie auch Flynn verschwand der in jener Zeit so beliebte Cocktail auch von der Bildfläche. Glücklicherweise jedoch – anders als Flynn – nur für eine gewisse Zeit. Mittlerweile hat sich auch die Up-and-Coming Barstadt Vancouver mehr und mehr der Mixologie verschrieben. Womit kann man das besser zum Ausdruck bringen als mit so einem Klassiker? Letztlich ist der Drink augenscheinlich zunächst nicht mehr als eine Martinez-Variation, die allerdings um die süßlich-kräuterige Komponente des Bénédictine ergänzt und formvollendet wird.

6 cl Martin Miller Gin
1,5 cl Punt e Mes
1 BL Dom Bénédictine
1-2 Dashes Orange Bitters

Glas: Coupette

Garnitur: Zitronenzeste

Alle Zutaten auf Eiswürfel gut kalt rühren und anschließend in das vorgekühlte Glas einfach abseihen. Mit einer Zitronenzeste garnieren.

Der Toronto Cocktail

Wir durchqueren jenes atemberaubende Land und machen Halt in der mit 2,6 Millionen Einwohnern größten Stadt Kanadas. Die am nordwestlichen Ufer des Ontariosees und unweit der Niagarafälle liegende Metropole liegt geographisch sehr nahe an der Grenze zu den Vereinigten Staaten. Kein Wunder, dass bei einer solchen Nähe auch ein heftiger Urheberstreit über diesen Cocktail entbrannt ist: Der Toronto, woher kommt er doch gleich? Nun ist er neben dem Hanky Panky einer der wirklich wenigen klassischen Cocktails, die mit Fernet Branca arbeiten. Gerade das wird ihm beim Urheberstreit zum Verhängnis. So argumentiert die eine Seite, der Cocktail stamme aus dem Raum New York, da sich dort im Zuge der großen Immigrationswelle Ende des 19. Jahrhunderts eine große Zahl italienisch-stämmiger Migranten niedergelassen hätte, die ihre Amari mit auf den anderen Kontinent brachten. Belegt ist jedoch ebenfalls, dass im Großraum um Toronto gleichermaßen große italienische Communities bestanden und das von David Embury 1948 veröffentlichte Rezept nach kanadischen Rye Whiskey verlangt.

Cocktail-Historikern gelang es schließlich, das Rezept – zwar noch nicht Toronto benannt – bereits in dem frühen, 1922 erschienenen Werk „Cocktails and How to Mix them“ von Robert Vermeire zu finden. Hier findet sich unter anderem mit einer leicht modifizierten Spirituosenwahl (entweder Rye oder gar Cognac) auch durch „this cocktail is much appreciated by the Canadians of Toronto“ eine schlüssige Erklärung für den Namen. Letztlich ist der Toronto eine Manhattan-Variation, bei der roter Wermut durch den minimalen Einsatz von Zuckersirup in Verbindung mit Fernet kompensiert wird. Der Toronto, auch jenseits von Kanada ein wahres Vergnügen!

6 cl Rye Whiskey
0,75 cl Zuckersirup
0,5 cl Fernet Branca
2-3 Dashes Angostura Bitters

Glas: Coupette oder Tumbler

Garnitur: Orangenzeste

Alle Zutaten auf Eiswürfel gut kalt rühren und anschließend in das vorgekühlte Glas einfach abseihen (in der Tumbler-Variante auf frisches Eis). Mit einer Orangenzeste garnieren.

Der The Parisian

Wir setzen unsere Reise fort, lassen die Stadtteile New Yorks links liegen und überqueren den Atlantik. Unser nächster Stopp heißt Frankreich, genauer gesagt Paris. Nun war und ist die französische Hauptstadt stets ein wichtiger europäischer Hotspot für die Entwicklung der Barkultur. Nicht zuletzt wurden hier zahlreiche, heute noch gerne getrunkene Klassiker kreiert, darunter zum Beispiel der Mimosa, French 75 oder auch Sidecar, um nur einige wenige zu nennen.

Der die Stadt im Namen tragende Cocktail ist jedoch ein längst vergessener Genuss, der erst vor wenigen Jahren wieder zunehmend Beachtung fand: The Parisian. Erstmalig Erwähnung findend in Harry MacElhones 1929 verfasstem Rezeptband „Harry’s ABC of Cocktails“, war der Klassiker nach gleichen Teilen letztlich nie mehr als eine geschickte Initiative zur Bewerbung des Crème de Cassis-Likörs. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen erschien der Anfang der 1920er-Jahre erstmalig servierte Parisian aufgrund seiner zunehmenden Popularität und Bezeichnung als „Parisian Martini“ auch in anderen Veröffentlichungen wie dem legendären „Savoy Cocktail Book“. Seine sehr süßliche Variante mit gleichen Teilen wäre heute mit Sicherheit nicht mehr zeitgemäß, und auch Frank Meier, Bartender im Pariser Ritz Hotel, versuchte Mitte der 1930er-Jahre den Einsatz vom Cassis in homöopathischer Barlöffel-Einheit geschmacklich möglichst einzudämmen. Heutzutage sind wir da glücklicherweise ein wenig offener.

Vive la France!

3 cl trockener Wermut
3 cl Gin
2 cl Crème de Cassis

Glas. Cocktailschale

Garnitur: Zitronenzeste

Alle Zutaten auf Eis in einem Shaker gut shaken und anschließen einfach in eine Cocktailschale abseihen. Mit einer Zitronenzeste garnieren.

Der London Buck

Sind wir schon einmal in Europa, so lassen wir es uns natürlich nicht nehmen,  der Metropole an der Themse einen Besuch abzustatten. Denn auch hier wurde Cocktailgeschichte geschrieben, in den letzten Jahren häufig mehr als in anderen Großstädten dieser Welt. „Bucks“ sind DNA-technisch sehr nahe mit Highballs und Longdrinks verbunden und tragen dementsprechend unterschiedliche Namen. So fällt ein Horse’s Neck letztlich genauso in diese Kategorie wie ein Dark ‘n’ Stormy oder der vor allem in den letzten Jahren immer beliebter werdende Moscow Mule (hier übrigens ein weiter Städte-Cocktail).

Bleiben wir aber beim London Buck, über dessen Herkunftsgeschichte die wildesten – leider meist auch unbestätigten – Theorien bestehen. So besagt eine Quelle, er wäre aus dem im Londoner „The Buck’s Club“ einst servierten „The Buck’s Fizz“ entstanden und später in London-Buck umgeändert worden. Heute wissen wir, dass die Komponenten des besagten, vermeintlichen Urvaters vom Buck mit Champagner und Orangensaft eher früher Vorläufer des Mimosa gewesen sein können. Schlüssiger ist dann schon die Theorie, er sei ein Ableger des Horse’s Neck. Da er wohl zunächst nur aus Ginger Beer und etwas Zitronensaft bestand, wurde ihm mit der Hinzugabe einer Spirituose der nötige Kick – Buck – verliehen. Dass er dafür nicht unbedingt in London erfunden sein muss, zeigt die Geschichte des Moscow Mule (Moskau findet nur Erwähnung durch den im Mule verwendeten Vodka) oder die des Shanghai Bucks, der nichts mit der asiatischen Großstadt gemein hat. Letztlich zeigt sich hier also, wie der Städtezusatz einen Cocktail ganz gerne mal griffig und mondän erscheinen lassen kann.

5cl Gin
2cl frisch gepresster Zitronensaft

Ginger Beer

Drink im Longdrinkglas auf Eiswürfel bauen, vorsichtig rühren, mit Zitronenzeste garnieren

Der Singapore Sling

Nach einer langen und beschwerlichen Reise sind wir nun am Ziel angekommen: Singapur, die östlichen Metropole, deren Name in Verbindung steht mit einem historisch-bedeutsamen Drink. Denn nicht nur schließt sich hier unser Kreis der in einst famosen Hotels entwickelten Drinks, der Singapore Sling stellt gleichermaßen den cocktailhistorisch sicherlich bedeutsamsten Drink dar.

Um das Jahr 1915 im Raffles Hotel von Ngiam Tong Boon zunächst als Gin Sling betitelt, ist er heute ein trauriges Überbleibsel einer einst sehr populären Kategorie. Die Slings, bzw. der Gin Sling, datiert so beispielsweise auf das Jahr 1790. Bestehend aus Spirituose, Zucker und Wasser bildet er den Urvater dessen, was uns heute als Cocktail bekannt ist. Der Irrglaube, jener heute noch Weltruhm tragende Singapore Sling würde tatsächlich zu besagter Kategorie gehören, ist ein wohl gehütetes Geheimnis des Raffles Hotels. So gilt das von Boon einst niedergeschriebene Rezept längst als verloren und das, womit heute zahlreiche Touristen verwöhnt werden, datiert auf eine Komposition aus dem Jahre 1936. Die zu diesem Zeitpunkt stattfindende Tiki-Welle schlägt sich auch im Singapore Sling nieder, der durch die Verwendung der Fruchtsäfte eher einem Punch gleicht. Das tat dem Erfolg des Drinks jedoch keinen Abbruch.

4 cl Gin
1,5 cl Limettensaft
1,5 cl Cherry Heering
1 cl Grenadine
2 BL Cointreau
2 BL Dom Bénédictine
2 Dashes Angostura Bitters
12 cl Ananassaft

Glas: Highball

Garnitur: Ananasslice, Cocktailkirsche

Alle Zutaten in den Shaker geben, mit Eiswürfeln füllen und mindestens 15 Sekunden kräftig schütteln. In das mit Eiswürfeln gefüllte Glas abseihen.

Credits

Foto: Vancouver via Flickr/Alex Costin

Kommentieren