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Destillerie

Gin Sul aus Hamburg

Bei der derzeitigen Frequenz in der neue Ginmarken auf den Markt kommen, muss man sich langsam fragen, wie groß die weltweiten Wacholdervorräte sind, damit der Bedarf auch zukünftig gedeckt werden kann. Einer der neuesten Vertreter der wacholdergetränkten Spirituosen ist Gin Sul aus Hamburg.

Bevor Wacholder weltweit gehandelt wird wie Safran oder Öl, haben wir allem Anschein nach noch ein bisschen Zeit. Und wenn man sich Vertreter wie Gin Sul anschaut ist das auch gut so, wenn es weiter junge und mutige Brenner gibt, die etwas anderes machen wollen und ihrem Produkt einen eigenen Stempel aufdrücken können.

Zwei Herzen in einer Flasche

Der Kopf hinter dem neuen Hamburger Gin, Gin Sul, ist Stefan Garbe. Der ehemalige Werbetexter gab seinen Job vor einigen Jahren auf und entschied sich mit seiner Frau zusammen, dass fortan der Gin den Lebensunterhalt sichern sollte. „Vom Trinken zum Sammeln zum Machen“, beschreibt Garbe seinen Weg zum Brenner. Der ursprüngliche Plan nach Portugal zu gehen, um dort zu brennen und vom riesigen Gindurst auf der Iberischen Halbinsel zu profitieren, musste leider aufgegeben werden. Trotz großer persönlicher Beziehungen zu Portugal, waren die bürokratischen Hürden dort eine Destillerie zu betreiben einfach nicht zu überwinden.
Aber auch in der ersten Heimat, nämlich in Hamburg, wächst der Durst nach wacholdrigen Spirituosen und so wurde das Projekt einfach in der Hansestadt verwirklicht.
Nachdem eine ehemalige Tischlerei im Stadtteil Altona umgebaut und eine eigene Destille installiert wurde, wird dort seit November 2013 das Rezept, welches eineinhalb Jahre Entwicklungsphase hinter sich hat, gebrannt. Die Botanicals die er nutzt stammen zu einem guten Teil aus Portugal. Neben riesigen Zitronen, die ihm von Freunden persönlich zugeschickt werden und Bio-Wacholder, gibt es noch eine sehr spezielle Zutat. Zistrose heißt der Strauch, dessen Blätter ein Harz produzieren, das vor der Sonne schützen soll. Laut Garbe kann man an der Algarve kaum zwei Schritte machen, ohne Wacholder oder Zistrose zu begegnen und die Mischung der Aromen beider Sträucher macht das spezielle Aroma aus, das man an der portugiesischen Küste atmet.

Konzentration durch Reduktion

In den Gin gelangt Zistrose durch die Mazeration der Blätter. Weiterhin werden klassische Botanicals genutzt, wobei die Auswahl in der Versuchsphase immer weiter eingeschränkt wurde. „Von ursprünglich mehr als 35 Botanicals sind im endgültigen Rezept 14 übriggeblieben. Ich wollte einen Gin, der in Cocktails oder Longdrinks funktioniert aber auch pur zu genießen ist, also besonders weich ist“, beschreibt Garbe seine Idee. Die Umsetzung scheint gelungen. Unlängst äußerte sich auch das Sprachrohr der Barszene Hamburgs, der Löwe Jörg Meyer, sehr begeistert und legt zudem einen Besuch der Destillerie jedem Hamburger und Besuchern der Stadt ans Herz.
Gin Sul, übersetzt in etwa Gin des Südens, überzeugt also bereits in Idee und Geschichte. Auch das Packaging, eine Steingutflasche, wie sie früher für Genever genutzt wurde, die den Inhalt besonders gut schützt und die bedruckt ist mit einem Typschiff, wie man es sowohl in Hamburg als auch in Portugal findet, wirkt sehr durchdacht und weiß zu gefallen.

Gin Sul

Jetzt muss also nur noch der Inhalt überzeugen. Und das kann er. Die Nase wird im ersten Moment von Wacholder dominiert, einen Moment später zeigen sich auch kräutrige Noten von Rosmarin und Eukalyptus. Eine leichte Süße schwingt mit und stellt ein mildes Trinkerlebnis in Aussicht. Samtweich und trocken beginnt der Gin am Gaumen, zeigt dann seine leichte Würze und endet in einem lang anhaltendem Abgang. Die Aromen sind hervorragend eingebunden und Gin Sul eignet sich wirklich auch für den Purgenuss. Ein hervorragender Gin für einen sehr trockenen Martini oder einen Gin & Tonic.

Und auch die Portugiesen, die ironischerweise keinen eigenen Gin herstellen, haben sich in Gin Sul verliebt. Der portugiesische Blog Gin Lovers sieht in Gin Sul den ersten Schritt zur Versöhnung zwischen Deutschland und Portugal, nachdem es politische Verstimmungen gab in letzter Zeit. Darauf einen Gin Sul & Tonic.

 

 

 

Credits

Foto: Gin Sul

Comments (2)

  • Manuel

    Hey, nur mal so nebenbei, die Portugiesen haben sehr wohl eigenen Gin. Jede Menge sogar.
    Ein bisschen mehr Recherche wäre nicht schlecht 😉

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    • Redaktion

      Hallo Manuel,

      es soll auch gar nicht abgestritten werden, dass es auch schon vor Gin Sul sogenannten Gin aus Portugal gab und auch immer noch gibt. Die Frage ist dann immer nur, was in den so etikettierten Flaschen enthalten ist. Mazerierter Compound-Schnaps für ein paar Euro macht noch keinen Gin. Auch Stephan Garbe, Gründer von Gin Sul und selbst quasi halber Wahl-Portugiese , hat in einem späteren Interview mit uns ähnliches zu Protokoll gegeben:

      https://mixology.eu/stephan-garbe-gin-sul/

      Es ist wohl eher eine Frage der Perspektive 😉 In jedem Fall aber ein berechtigter Einwand!

      Herzliche Grüße aus der Redaktion
      // Nils Wrage

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