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Königlicher Wermut? La Quintinye Royal

Über Wermut hört man viel derzeit. Andererseits auch nicht. Zwar wird eine große Wermut-Renaissance prophezeit, jedoch verläuft diese doch immer noch als eher schleichendes Phänomen. Mit La Quintinye Vermouth Royal schickt sich die nächste Marke an, um endlich zum Durchbruch zu führen. Marco Beier hat ihn probiert.

Wermut ist schon eine seltsame Spirituose. Eine anständige Bar ohne Wermut ist schlicht nicht vorstellbar. In vielen Bars reichen allerdings schon zwei oder drei verschiedene Flaschen um das gesamte Angebot an Cocktails anbieten zu können.

In der Barszene gilt Wermut schon eine ganze Weile als „Next Big Thing“, also jene Spirituose, der in Zukunft ein ordentliches Potenzial vorausgesagt wird, und die Bartender rund um den Globus als ihr neues Lieblingsspielzeug entdecken. Sollte diese Kategorie nun auch endlich und großflächig beim Konsumenten wahrgenommen werden, könnte 2015 ein gutes Jahr für den Wermut werden.

Spezieller Wermut aus Frankreich

In den vergangenen Jahren sind bereits zahlreiche neue Vertreter der Kategorie aufgetaucht. Mit Belsazar etwa gibt es auch ein taufrisches Produkt aus dem deutschsprachigen Raum, das bereits international von sich reden macht. Ebenso erfährt der schon über 100 Jahre alte Burschik’s Wermut aus Wien letzthin großen Zuspruch. Aber auch aus den klassischen “Wermut-Ländern” wie Frankreich und Italien kommen neue Sorten, während die alteingesessenen Hersteller versuchen, die aktuelle Aufmerksamkeit für sich zu nutzen.

Ein neues Produkt aus Frankreich ist La Quintinye Vermouth Royale, produziert vom Hause EWG Spirits & Wine, das unter anderem auch für G’Vine oder den Likör Esprit de June verantwortlich ist. In Deutschland wird der Wermut, wie auch die beiden anderen genannten Produkte, von Sierra Madre vertrieben.

Obwohl noch sehr jung, beruft sich der Vermouth Royal auf eine lange Geschichte, angefangen bei Namenspatron des Wermuts ist Jean-Baptiste de la Quintinye, seines Zeichens der Botaniker, der im 17. Jahrhundert die Küchengärten des Schlosses von Versailles gestaltete, dem in dieser Form gehuldigt werden soll. Wermut bzw. dessen Vorläufer sind bereits 100 Jahre länger bekannt und wurden bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Italien getrunken.

In etwa zur gleichen Zeit, 1589 um genau zu sein, wurde versehentlich ein Fass, welches noch ein wenig Cognac enthielt, mit Traubensaft befüllt. Nach einiger Reifezeit entdeckte man zufällig, dass das Ergebnis durchaus trinkbar war, und man produziert seitdem den Likörwein Pineau des Charentes. Dieser bildet nun die Grundlage für den vorliegenden Wermut.

Sébastien Robicquet, Gründer von EWG Spirits & Wine ist der Schöpfer dieses Wermuts und sieht sein Produkt als klare Innovation auf dem Markt: „In einer traditionellen Kategorie ist es ein innovativer Wermut und passt perfekt in unser Sortiment. Außerdem zeigt er hervorragend unser Fachwissen bei der Infusion und Destillation von Kräutern.“ Und nicht zuletzt sieht Robicquet ihn allein aufgrund seiner Geschichte und Zutaten als eindeutigen Vertreter der französischen Luxuskategorie.

Luxus im Geschmack?

Aber sich selbst einerseits als Luxusprodukt einzuordnen und dann auch als solches wahrgenommen zu werden, sind ja bekanntlich zwei paar Stiefel. In der Verpackung hat der Vermouth Royale durchaus etwas Adliges. Historische Elemente auf dem Etikett und das Symbol der französischen Könige, die Lilie zieren stolz die Flasche. Zur Verkostung stehen die drei erhältlichen Qualitäten Rouge, Blanc und Extra Dry. Allen drei Abfüllungen liegt außer Wein und Pineau des Charentes ein Kräutermix aus 12 Zutaten zugrunde, der, je nach Sorte, um andere Aromen erweitert wird. Neben dem Wermutkraut sind dies vor allem Engelwurz, Ingwer, Chinarinde und die seltene Weinblüte, Markenzeichen in den Produkten von EWG.

Geschmacklich haben alle drei Wermuts eines gemeinsam: eine für Wermut sehr ausgeprägte, deutliche Bitternote. Im Blanc noch recht unterschwellig, ist sie im Rouge schon sehr präsent. Eine Komponente in einem Wermut, an die man sich erst gewöhnen muss. Im ersten Moment ist der Vermouth Royale eine sehr schöner Wermut mit einer angenehmen, leichten Süße. Dieser erste Eindruck wird allerdings durch die bittere Note überdeckt, was den Produkt im puren Genuss sehr schwerfällig erscheinen lässt.

Und auch im Cocktail macht es einem die bittere Note nicht wirklich leicht. Wenn der Wermut dem Drink eine leichte Süße verleihen soll, wie beispielsweise im Negroni, lässt er einen im Stich, während er dem Martinez eine neue, trockenere Seite verleiht. Auch der Extra Dry hat diese bittere Note und macht den Wermut trotz seines homöopathischen Einsatzes sehr dominant.

Kein Wermut für jeden Tag

Als universeller Wermut, der als typischer Allrounder in jedem Drink funktioniert, darf La Quintinye Vermouth Royal definitiv nicht betrachtet werden. Mit ihm zu arbeiten, verlangt vom Bartender ordentlich Fingerspitzengefühl und macht ihn eher zu einer Spezialität als zu einer Basiszutat. Auch wenn dies zwar in gewisser Weise zu den Attributen eines Luxusartikels gehört, ist es in diesem Fall wohl nicht die gewünschte, denn Wermut wird an der Bar immer noch zu einem Großteil in Cocktails verarbeitet. La Quintinye Vermouth Royal erweitert die Auswahl der Wermuts um eine ungewohnte Nuance, ob hier aber der Durchbruch zum neuen Bartender-Liebling Wermut liegt, wird man sehen.

Credits

Foto: Versailles via Shutterstock

Comments (4)

  • Stephan

    Weihnachten lag bei mir das Savoy Cocktail Book unterm Baum und ich bin immer wieder über die vielen Cocktails mit französischem und italienischem Wermut gestolpert. Kann man die Wermutwelt überhaupt noch in diese beiden Kategorien aufteilen? Sollte man sich lieber am RZ orientieren? Oder muss ich doch einen Vermouth-Monat einlegen um mir die Aromaprofile genauer anzuschauen?
    Für mich als Wermut-Neuling: Wie stabil ist Wermuth nach dem öffnen? Bei 17% kann das gute Zeug mir ja in der Flasche durchaus noch zeroxidieren, zumindest aber sich die Aromen verflüchtigen, oder nicht?

    Gruß,
    Stephan

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    • Redaktion

      Hallo Stephan,

      generell hast Du völlig Recht: der Wermut-Kosmos diversifiziert sich derzeit. Doch zumindest die beiden Grundtypen “süß/rot” (“italienischer”) und “weiß/trocken” (“französischer”) sind nach wie vor erkennbar. Was jedoch konstatiert werden muss, ist die Tatsache, dass neue Hersteller diese Gattungen vielleicht im Rahmen der Möglichkeiten neuartig interpretieren (und diese Möglichkeiten sind babylonisch). Aber das halten wir im Prinzip für begrüßenswert.

      Zu Deiner anderen Frage: grundsätzlich sollte Wermut nach dem Öffnen nicht lange stehen. Für seine Behandlung gelten in etwa dieselben Regeln wie für z.B. Port oder Sherry. Ich habe den Band gerade nicht zur Hand, aber ich meine mich zu erinnern, dass etwa Anistatia Miller und Jared Brown (ausgewiesene Wermut-Fachleute) in ihrem “Mixellany Guide to Vermouth” dazu raten, eine angebrochene Flasche möglichst innerhalb einer Woche zu verbrauchen, da sich bereits dann erhebliche Einbußen beim Aroma bemerkbar machen. Eine dunkle Lagerung im Kühlfach ist dabei natürlich obligatorisch.

      Ich hoffe, das hilft Dir weiter? Cheers und beste Grüße aus der Redaktion,

      Nils Wrage

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  • Stephan

    Hi Nils, vielen Dank für die Infos!
    Mein lokaler Spirituosenhändler ist leider noch in den Weihnachtsferien, aber sobald der wieder da ist, werde ich mal seine Vermouth-Vorräte plündern.

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  • F.B.

    Zu behaupten, dass sich beim Wermut nach einer Woche “erhebliche Einbußen beim Aroma” bemerkbar machen, ist einfach nur Unsinn und beweist, dass solche “Fachleute” mehr an den Interessen der Wermut-Produzenten gelegen ist als an fachlich fundierten Urteilen. Ich hatte noch keinen Wermut offen, der nicht mindestens zwei Monate lang seinen Geschmack gehalten hat. Die meisten bauen nach drei Monaten etwas ab, sind aber bis zu einem drei viertel Jahr noch gut zu vermixen. Den Rekord hält bei mir übrigens eine Flasche Punt e Mes, die auch nach 1,5 Jahren noch trinkbar war.

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