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Das Freimeisterkollektiv: Ligthart’s Eleven

True Craft Spirits steht drauf, True Craft Spirits sind drin. Das Freimeisterkollektiv verbindet Brenner, Gastronomie und Genießer. Hinter der Idee steckt ein Trio um Craft Spirit-Pionier Theo Ligthart, das Produzent und Konsument wieder zusammen führen will. Sowie ein paar nicht ganz unbekannte Namen der Bar-Szene. 

Im Jahr 2001 gibt George Clooney in der Gaunerkomödie „Ocean’s Eleven“ den smarten, gutaussehenden Charmeur Danny Ocean, der ein Team von Experten um sich sammelt, um es dem sinistren Casino-Boss Andy Garcia zu zeigen. Hier ein Haufen zerstreuter Einzelkämpfer, die alleine jeder für sich wenig ausrichten können, dort ein dicker Fisch, der vor Selbstherrlichkeit nur so strotzt. In der Mitte: Clooney, fesch gescheitelt, stets souverän und den anderen immer einen Schritt voraus.

Theo Ligthart ist ebenfalls ein smarter, gut aussehender Gentleman. Er hat im Jahr 2016 auch eine Truppe von Koryphäen um sich versammelt, um einen Coup zu landen, mit dem es den Großen gezeigt werden soll. Es geht dabei jedoch nicht um einen Einbruch in ein Casino – es geht um besondere Spirituosen und einen Weg, sie unters Volk zu bringen. Und so nebenbei natürlich darum, Industrieriesen und Trittbrettfahrern eine Lektion zu erteilen.

THEO UND DAS KORN

Man kann Theo Ligthart getrost als einen Pionier der deutschen Craft-Brennerszene nennen. Der studierte Philosoph und Kameramann brachte bereits 2008 Das Korn auf den Markt, mit Steinreich lässt er einen weiteren Brand in der gleichnamigen Gemeinde im Spreewald herstellen. Zugleich ist er Gründer der Destille Berlin, der größten Craft Spirit-Messe des Landes, die seit 2012 stattfindet und eine steigende Ausstellerzahl aufweisen kann. Dort werden Produkte von unabhängigen Mikrobrennereien präsentiert, die frei von künstlichen Aromen, Schönungen und Zusatzstoffen produziert werden.

»Wir haben uns an der Küche orientiert. Es würde niemand auf die Idee kommen, dass ein Koch seine Auszeichnungen bekommt, weil er kunstvoll Industrieware vermischt.« – T. Ligthart

Das spiegelt sich in der Philosophie seines soeben gestarteten Freimeisterkollektiv wieder: Hochwertige, regionale Spirituosen werden in kleinen Batches hergestellt, die online bezogen bzw. vorbestellt werden können. Das Besondere daran: Das Freimeisterkollektiv ist nicht nur als Kauf-, sondern vielmehr auch als Kommunikationsplattform gedacht. Es soll nicht nur gebrannt werden – es soll geredet werden. Im Austausch zwischen Brenner, Gastronom und Genießer entstehen handgemachte Spirituosen mit besonderem Geschmack, die – im Idealfall – bereits von einer Community nachgefragt werden.

„Wir haben uns an der Küche orientiert. Es würde niemand auf die Idee kommen, dass ein Koch seine Auszeichnungen bekommt, weil er kunstvoll Industrieware vermischt“, erklärt Ligthart seinen Ansatzpunkt, „ein Mixologe bzw. Bartender ist auch mehr als jemand, der kunstvoll Industrieprodukte schüttelt oder verrührt. Da muss mehr dahinterstecken. Die Palette der Produkte, mit der er arbeitet, muss nicht nur größer sein, sondern er muss auch selbst Einfluss auf die Qualität haben. Wenn man so will, ein Spiegelbild des Farm-to-Fork-Gedanken.“

Aus diesem Grund sind die Produkte teilweise aus einer Kooperation der Brenner mit bekannten Bartendern entstanden. So zeichnet Oliver Ebert, Chef des Beckett’s Kopf, für die Mitentwicklung zweier Kaffeegeister verantwortlich, die wiederum Kaffeeröstpionier Ralf Rüller (The Barn) und der Mostviertler Brenner Josef Farthofer kreiert haben. Für einen White Dog, der mit wenig contenancefreundlichen 58,5% Vol. in die Flasche kommt, hat sich Buck & Breck-Kopf Gonçalo de Sousa Monteiro mit Tim Eggenstein aus Bad Belzig zusammen getan.

Nicht jedes Produkt ist aber zwangsweise eine Kooperation von Bartender und Produzent. Vom Kaiserstuhl schickt Florian Faude, mit seinen Faude Feine Brände kein Unbekannter der Szene, einen bombastisch frischen Curaçao ins Rennen. Ebenfalls am Kaiserstuhl sitzt Fridolin Baumgartner, der eine heimische Interpretation des Pisco umsetzt. Hans-Gerhard Fink ist vielfach ausgezeichneter Whisky-Brenner, und der ebenfalls hochdekorierte Österreicher Georg Hiebl, 2014 Boutique Distiller of the Year, steuert drei Vodkasorten bei: Dinkel, Quinoa und Amaranth. Das Biomarktregal ist somit endgültig in der Bar angekommen. „Ich liebe alle Produkte, aber der Amaranth hat es mir besonders angetan“, schwärmt Ligthart, „das ist umami pur, der feuchte Waldboden, der nach Pilzen riecht. Ein ganz wunderbares Produkt.“

FREIMEISTERKOLLEKTIV: DIE CRAFTGENOSSEN

Mit seiner Idee hat Ligthart erstmals vor etwa zwei Jahren geliebäugelt. Nun hat er sie mit Joachim Stein und Manfred Ritter in die Tat umgesetzt. Ersterer ist stark in der Berliner Start-up-Szene verwurzelt, letzterer hat als langjähriger Geschäftsführer von „Manufactum“ viel Erfahrung mit per Hand produzierten Objekten – und ihren Konsumenten. Noch ist das Trio als GmbH gestartet, in Zukunft soll das Kollektiv genossenschaftlich organisiert sein. Der Mann jedoch, der den sensiblen Virtuosen der Brennblasen erklären muss, dass es vielleicht doch etwas mehr oder weniger Zucker in ihrem Destillat sein soll, der Kopf, der der Presse erklärt, warum deutsche Spirituosenhersteller seit Ende des Zweiten Weltkriegs auf Billigware gesetzt haben und jetzt dem Premiumzug hinterher laufen, das ist Theo Ligthart: fesch gescheitelt, immer einen Schritt voraus.

„Als Produzent sowie Veranstalter in einer Person kenne ich die Probleme der Szene sehr gut. Mir war klar: Es gibt ein Interesse für kleine Produzenten, aber die Idee der Craft Spirits verwässert immer mehr. Es kommen zunehmend Produkte auf den Markt, die aussehen, als würden sie aus kleinen Produktionsstätten kommen, in Wahrheit aber von Marketingabteilungen konzipiert werden“, weist er auf nicht ganz unbekannte Tendenzen hin, „da gibt es eine schicke Flasche und einen tollen Produktauftritt, aber die Spirituose ist oft mittelmäßige, billige Industrieware. Nur eben unter dem Deckmantel: kleine nachhaltige Produktion und per Hand nummeriert. Wenn man dann nachfragt, sieht man, dass die Handarbeit darin besteht, die Flasche per Hand zuzuschrauben.“

AUSSTEIGER UND GRENZGÄNGER

Der Begriff „Freimeister“ war eine bis ins 18. Jahrhundert verwendete Bezeichnung für Meister, die keiner bestimmten Gilde oder Zunft angehörten. So sieht man sich beim Freimeisterkollektiv auch als Grenzgänger zwischen den Welten, als Vermittler zwischen Brennblase und Bargeschehen, zwischen Start-up und Stallgeruch, zwischen Pot-Stills und Hot-Spots.

»Früher kauften Menschen Spirituosen beim Händler, bis sich im 19. Jahrhundert der Handel dazwischen schaltete. Dadurch gab es einen Vertrauensverlust, der durch das Prinzip der Marke kompensiert werden musste.« – T. Ligthart

Denn das Problem von kleinen Brennereien ist auch oft genau das, was Aussteiger aus der Werbebranche, die der Welt den nächsten Schnaps in der limitierten Apothekerflasche oder aus Urgroßvaters bei Restaurierungsarbeiten gefundenen Rezeptsammlung schenken, blind beherrschen: Marketing und Markenbildung. Vereinfacht gesagt: Der Bekanntheitsgrad vieler Brenner in der allgemeinen Öffentlichkeit ist in etwa auf dem Level von George Clooney, als er in den 1980ern noch als Komparse in „Roseanne“ auflief.

„Die Spirituosenwelt ist absolut markengetrieben. Die großen Marken entwickelten sich jedoch ungefähr zur Hälfte des 19. Jahrhunderts, und wieso? Weil die Menschen zuvor beim Produzenten gekauft hatten“, wirft Ligthart einen Blick in die Vergangenheit, „als sich der Handel dazwischenschaltete, gab es einen Vertrauensverlust, der durch das Prinzip der Marke kompensiert werden musste. Andererseits gab es beim Konsumenten ein Verschwinden von Warenkenntnis. Das hat dazu geführt, dass Marken immer stärker wurden. Diese Verbindung zwischen Konsument und Produzent wollen wir wieder stärken.“

DIE POURE FREUDE

Einem alten Schnapshasen wie Theo Ligthart ist natürlich klar, dass im „Pouring“ das Geld zu Hause ist. Schön und gut, wenn die Flasche des edlen Vodka-Triumvirats im Backboard steht – und dort monatelang verweilt, weil sie für einen normalen Barbetrieb zu speziell oder zu teuer ist. Deswegen wird es auch einen Gin geben, der permanent verfügbar sein soll. Entwickelt wurde er von Thomas Neubert aus der Gutsbrennerei Zinzow in Neubrandenburg. Es ist ein mit zehn Botanicals angereichter Gin, der seine Ouvertüre als klassischer Vertreter mit Lavendel und Wacholdernoten vorträgt, um sich im Finale mit der Zitrusfrische der New Western-Kategorie vor dem Publikum zu verbeugen. Für den Endkunden soll die 0,5 Liter-Flasche bei etwa 27 Euro liegen, der Gewerbepreis für Gastronomen liegt bei sehr günstigen 14,90 Euro (Richtwert, Anm.) plus Mehrwertsteuer. Oliver Ebert hat den Gin bereits im Beckett’s Kopf ins Pouring genommen – kein Wunder, er hat auch ihn mitentwickelt. Ein weiterer Gin kommt von Matthias Wiegand aus Weimar, der auch an einer Neuinterpretation des klassischen Kräuterbitters Boonekamp feilt.

Das Etikett der Freimeisterprodukte kommt in einem ansprechenden Design in Schwarz-Weiß daher: modern, aber nicht marktschreierisch. Die Flaschen sind minimalistisch mit gewöhnlichem Schraubverschluss. Ihre Anforderung ist nicht, womöglich als Kronleuchter oder Kerzenhalter zu enden. Sie sollen in jeder halbautomatischen Anlage abgefüllt werden können, ohne Handwerkskosten zu verursachen. Die Ausrichtung ist klar: Das Budget kommt ins Produkt.

Deswegen zielt Ligthart mit den Freimeister-Spirituosen nicht nur auf die Bar und private Genießer. Ein wesentlicher Punkt ist, gerade auch Restaurants und die Gastronomie im Allgemeinen in den Freimeisterzirkel zu integrieren. „Als Kenner von Spirituosen stelle ich oft fest, dass die Digestifkarte nicht das Level der Weinkarte hat und auch Sommeliers erstaunlich oft auf Marketinggags hereinfallen“, führt Ligthart aus, „wir bieten eine Art kuratiertes Programm, auf das man sich verlassen kann. Ebenfalls spannend finden wir die Möglichkeit, Kreative aus dem Küchenbereich mit Brennern zusammenzuschließen, um ungewöhnliche Geschmäcker zu destillieren.“

FORTSETZUNG FOLGT

Wenn alles gut läuft, gleicht die Produktpalette des Freimeisterkollektivs einem munteren Taubenschlag. Manche Produkte bleiben, andere gehen, manche Ideen werden entwickelt, manche bleiben exotische Hirngespinste. Crowdfunding wird dabei auch eine Rolle spielen. Sicher ist: Jeden Monat soll mindestens ein neues Produkt im Online-Shop verfügbar sein.

Im Gegensatz zu Danny Ocean, der seiner Crew erst bei erfolgreichem Coup ihre Taschen voller Dollarbündel in die Hände drücken kann, hat das Gründer-Trio um Ligthart die Brenner jedoch nicht mit vollmundigen Versprechungen zum Mitmachen bewegt. Sie haben ganz klassisch für die Entwicklung ihrer Prototypen bezahlt. Das wiederum ist ein Anreiz für weitere Kleinbrenner, sich dem Freimeisterkollektiv anzuschließen – nicht zuletzt, da 2017 die Garantieabnahme wegfällt, was zu einigen Veränderungen in der Szene kommen wird.

Jede Menge Möglichkeiten also für das Freimeisterkollektiv. Oder Ligthart’ s Twelve. Oder Ligthart’s Thirteen.

Credits

Foto: Caprice Crawford Photography

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