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Ich werde dir einen Aufguss machen, den du nicht ablehnen kannst.

Nur wenige wissen um die Vielseitigkeit der Mate. Dabei lohnt es sich – auch und besonders für Bartender – einen genaueren Blick auf die hierzulande verhipsterte Pflanze zu werfen. Sie kann nämlich viel mehr, als nur gemixt mit Vodka die Erstsemesterparty zu verlängern.

Es geht die Legende, dass der Stamm der Guaraní-Indianer einst einen erkrankten Verwandten im Wald zurückließ. Als man sich Jahre später durch Zufall über den nicht vorhandenen Waldweg lief, war die Überraschung groß: Der einstige Kranke war topfit, kerngesund, ja schien sogar verjüngt! Was war passiert? Die Göttin Caayarí habe ihm einen Trunk aus den Blättern und Ästen ihres Baumes – des Matebaums – geschenkt, so erzählte der Guaraní seinen staunenden Stammeskollegen. Seitdem wurde Mate des Abends am Feuer reihum gereicht, genauso wie Legenden wie diese hier.
Dem Kraut – nicht Tee, wie fälschlicherweise oft beschrieben – das aus seiner Heimat am Dreiländereck Paraguay, Brasilien und Argentinien in die Welt auszog, werden zahlreiche gute Eigenschaften nachgesagt. Es macht wach aber nicht hibbelig, sorgt für gute Laune und lindert das Hungergefühl. Nicht umsonst ist Mate Hauptbestandteil vieler Fastentees. Von der antioxidativen Wirkung ganz zu schweigen.

Rauch, Gras und Schokolade

„Aber das ist längst nicht alles! Mate kann noch so viel mehr“, weiß Krithika do Canto vom Meta Mate Café in der Straßburger Straße in Berlin-Prenzlauer Berg. Die gebürtige Inderin hat es sich mit ihrem Partner Fabrício do Canto zum Ziel gemacht, die traditionelle Matekultur zu bewahren. In ihrem einladenden Souterrain laden verschieden grünschattierte Matetrocknungen zum Probieren ein. Mate-Cremes und Mate-Schokoladen stapeln sich neben traditionellen Trinkgefäßen aus Kalebasse und Keramik in den Regalen, daneben blinken die typischen Mate-Trinkhalme in allen Längen und Designs: Die Bombillas mit dem traditionellen Sieb am Ende, das die feinen Mateblattkrümel davon abhält, durch den Trinkhalm zu rutschen.

Die Vielfalt der Aromen ist enorm. Ich koste die Hausröstung, ein mild-rauchiges Heißgetränk mit handverlesenen Mateblättern, die in Paraguay noch traditionell über Feuer getrocknet werden. „In den Vereinigten Staaten mixen sie die ersten Cocktails damit“ erzählt Krithika. Gut vorstellbar, wie das rauchige Aroma mit verschiedensten Spirituosen harmoniert. Dann kredenzt die Mate-Expertin ein süßes Sommergetränk, das mit völlig anderen, grasig-frischen Aromen überrascht.

Drohende Matekalypse

Natürlich stehen hier im Kühlschrank auch die üblichen Verdächtigen: Club Mate, Mate Mate und Flora Mate, die BioZisch Mate von Voelkel, ChariTea Mate und Berliner Mätchen. Dazu Munter Mate, die sich von den anderen Limonaden durch ihre handwerkliche Herstellung und die verwendete, wild wachsende Mate unterscheidet. Erst im Juni wurde von Fritz-Kola eine Mate gelauncht, und im Supermarkt steht MioMio Mate als günstigstes Produkt in den Regalen.

Als „Hackerbrause“ hat sich hierzulande vor allem Club Mate einen Namen gemacht. Das Trendgetränk wurde schon in den 1920er Jahren – damals noch unter dem schönen Namen Sekt-Bronte – in Thüringen auf den Markt gebracht, wo sich ein gewisser Georg Latteier 1924 aus Mittelfranken die Lizenz für die Herstellung und den Vertrieb sicherte. Viele Jahre später sollte sich die kleine Familienmarke, deren Markenrechte heute bei der Brauerei Loscher in Münchsteinach liegen, zum beliebtesten Getränk der Hackerszene mausern. Als 2011 wegen fehlender Pfandflaschen ein kurzer Lieferengpass die schlauen Synapsen der hackenden Matefans lahmzulegen drohte, gründete man angesichts der „Matekalypse“ eine Selbsthilfegruppe auf Facebook, die dazu aufrief, schnellstmöglich alle leeren Club Mate-Flaschen zurückzugeben.

Selbst der Tschunk – des Hackers erklärter Lieblingscocktail, der schon so manche Chaos Computer Club-Party vom nerdy Treffen zur wilden Abrissparty verzaubert hat – wird mit Mate zubereitet. Auch Turbo-Mate mit Sekt und Matoka mit Vodka erfreuen sich unveränderter Beliebtheit nicht nur in Computerkreisen.

Matebier und Matesirup

An einer anderen Form von Mate mit Alkohol hat man sich auch bei Meta Mate versucht. Das hauseigene „Mier“, das als Bier mit wilder Mate aus dem brasilianischen Regenwald gebraut wird, braute Fabrício do Canto gemeinsam mit Braumeister Torsten Schoppe erstmals im Jahr 2012. Nach einem kurzen Lieferstop soll es in wenigen Wochen eine Neuauflage des herben Biers geben. Besonders die Programmiererszene freue sich schon darauf, lacht Fabrício, der bereits zweimal für die Berliner Piratenpartei kandidiert hat (wir erinnern uns: die Partei, die im Abgeordnetenhaus als erste Amtshandlung die Getränkeautomaten mit Club Mate füllte). Diesmal nimmt sich die Moonshots GmbH der Bierproduktion an, während Krithika und Fabrício für den Mate-Nachschub sorgen. Hier soll in Kürze auch ein Brausepulver auf Mate-Basis entstehen.

Für eigene Experimente am Tresen bietet sich der Mate-Sirup von Zuckerpeitsche aus der Schweiz an. Der junge, perfektionistische Ein-Mann-Betrieb aus Luzern nimmt jede Charge Mateblätter genauestens unter die Lupe, bevor sie in Handarbeit und ohne künstliche Zusatzstoffe zum Sirup Fräulein Frida verarbeitet werden.

Augen auf!

Doch die wachsende Beliebtheit der Mate bedroht gleichzeitig ihre traditionellen Wurzeln. Industrielle Erntemethoden lassen zwar den Kontostand, aber nicht die Matebäume in die Höhe wachsen. Ausgewachsene Matebäume werden dem Brauch nach erst ab dem siebten Lebensjahr behutsam beerntet, für die industrielle Produktion werden jedoch schon kniehohe Pflanzen von zarten vier Jahren angegangen und bis zu dreimal im Jahr abgeerntet. Dazu wächst in den Anbauländern auch Soja ganz hervorragend, dessen Markt ebenfalls explodiert – die Ackerflächen werden knapp.

Umso wichtiger nehmen die traditionellen Matebauern ihre Aufgabe. Der ideale Zeitpunkt für die Mateernte ist die Zeit nach dem ersten Frost im Juni. Sorgfältig achtet der Matebauer darauf, dem Baum viel Liebe und Respekt zu zollen, erntet nur in gewissen Mondphasen und lässt ihn zwischen Oktober und Dezember in aller Ruhe blühen. Die geernteten Blätter werden ähnlich wie Kaffeebohnen geröstet – nur viel heißer und kürzer: Etwa 20 bis 30 Sekunden werden die Blätter dem Feuer ausgesetzt – „Sapeco“ nennt sich diese Methode – dann ist die Oxidation erfolgreich gestoppt. Im nächsten Schritt werden die Mateblätter in der sogenannten Barbacuá, einer Holzhütte mit unterirdischem Räucherkamin, getrocknet. Und während die Mate über den zwei bis drei Tage langen Prozess langsam ihre Restfeuchte abgibt, feiern die Bauern die erfolgreiche Ernte mit einem kleinen Fest, Musik und ganz viel Mate.

Ob sich Mate als Dauerbrenner und Cocktailzutat an der Bar etablieren kann? Aroma, Persönlichkeit, Produktvielfalt und nicht zuletzt ihre anregende Wirkung sprechen dafür. Und nicht zuletzt: Wache Gäste bleiben länger.

Interessierten Lesern sei der Coffein Hackathon im Meta Mate am 10. September 2016 ans Herz gelegt. Hier wird ab 13:00 Uhr mit Mate in allen Aggregatszuständen für den Einsatz in Küche und Bar experimentiert und auch das neue „Mier“ vorgestellt.

Credits

Foto: Foto via Marcos Cousseau/Flickr

Comments (2)

  • Fabricio

    Grossartig! Thanks a lot for this very complete article!

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  • Chris

    Sehr interessant und gut geschrieben. Danke auch für’s erwähnen der Zuckerpeitsche!!

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