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Der Welttrinker: Mauro Mahjoub und seine flüssige Buchstabensammlung

In Zeiten des Internet ist das Wissen über die Barkultur breit verfügbar. Bücher darüber und historische Reprints sind im Laufe der letzten Dekade massenhaft erschienen. Aber wie war das vor etwa 30 Jahren? Der Sammler und Bartender Mauro Mahjoub gibt Auskunft.

„Jeder Bartender ist gut beraten, wenn er sich historisch mit seinem Beruf beschäftigt. Diese Spurensuche dient einem doppelten Zweck: Man erweitert seine Kenntnisse und seinen Horizont und man ist davor gefeit, zu glauben, man erfinde gerade das Rad neu. Es ist erstaunlich, was schon vor hundert oder hundertfünfzig Jahren von Bartendern angestellt wurde. Sogar mit Brot wurde gemixt.“ Das jedenfalls behauptet Mauro Mahjoub, Inhaber der Münchener Bar Mauro´s Negroni Club und Kompilateur einer der umfassendsten Cocktailbuch-Bibliotheken weltweit.

Der Professor, Umberto Eco und der Martini

Seit 28 Jahren ist Mahjoub – ein gebürtiger Libanese, der in Italien aufgewachsen ist – auf der Jagd nach Büchern, die sich mit den Welten der Flüssigkeiten befassen. „Es gibt alle Aromen auch in flüssiger Form“, dekretiert er. Inzwischen ist die Sammlung auf nahezu 2.000 Exemplare angewachsen. „Ich mache da vor nichts halt. Es geht nicht nur um Cocktails, sondern auch um Tavernen, die römische und babylonische Zeit, Literarisches und natürlich auch um Rezepte. Oft werden zu einem Phänomen unterschiedliche Geschichten erzählt, mich hat dann interessiert, wer recht hat.“

In Zeiten ante Internet ein gewaltiges Unterfangen, das auch viele Reisen und das Stöbern in Antiquariaten mit sich bringt. Irgendwann entwickelt sich aus all den Querverweisen eine Art Perpetuum Mobile. Mahjoub erzählt: „Ich habe mir einfach eine Liste gemacht aus all den Quellangaben und die dann abgearbeitet. Dabei stößt man auf die irrsten Sachen. 1994 habe ich in Beirut eine schöne Ausgabe des Buches „American Bar“ von Charles Schumann entdeckt – auf französisch!“ Über die Sammelleidenschaft sind ihm auch einige Drinks besonders ans Herz gewachsen. Vor allem die Klassiker haben es ihm angetan. Besondere Erwähnung findet das Buch von Lowell Edmunds „Martini, straigt up!“ Edmunds ist Professor für Altphilologie und beleuchtet darin die Geschichte und die kulturellen Hintergründe dieses legendären Cocktails. Kein geringerer als Umberto Eco hat es ins Italienische übersetzt. „Ich habe den Professor mal kennengelernt. Das Buch hat mich zu einem begeisterten Martini-Fan gemacht“, schwärmt Mahjoub.

Teure Bücher, die ihm teuer sind

Die Methodik des Sammelns war keine Willkürliche. „Ich habe zuerst nach den Klassikern aus der Zeit von 1840 bis 1900 gesucht und mich dann an die Moderne herangetastet.” Ob er denn dabei auch noch etwas über den Negroni, seine große Leidenschaft, gelernt habe? „Ja, der wurde zum ersten Mal 1939 in einem Barbuch erwähnt, nämlich in einem argentinischen. Genauso wie 1924 der Americano. Viele Italiener sind während des Faschismus nach Argentinien ausgewandert und haben ihre Spirituosen mitgebracht. Cocktails können also auch etwas über die Migrationsgeschichte verraten“, sprudelt es aus ihm heraus.

Als einen besonderen Schatz betrachtet er das 1891 erschienene Buch eines in die USA ausgewanderten Deutschen. „The Flowing Bowle: What and When to Drink“ von „The Only William“ William Schmidt. Aber natürlich nennt er auch eine gut erhaltene Ausgabe von 1882 des wohl berühmtesten Barbuches sein Eigen, wofür ein vierstelliger Betrag fällig war: „The Bartender´s Guide“ von Harry Johnson.

Mauro Mahjoub kann sich gar nicht vorstellen, mit dem Zusammentragen von Büchern aufzuhören. „Auch wenn der Wissensfundus als erschöpft gilt. Es kommen immer neue Techniken ins Spiel, die das bereits Dagewesene modifizieren. Besonders interessant finde ich das Zusammenspiel von Küche und Bar. Das gehört schon immer zusammen und ist daher gerade ein verspäteter Trend“, findet er.

Legenden auf der Bühne

Aber auch ganz praktisch wirkt sich die Hingabe von Mahjoub an die Historie aus. „Ich arbeite gerade selbst an zwei Büchern. Eines wird sich mit dem Mint Julep befassen, bei dem anderen geht es um Klassiker wie den Negroni und den Zusammenhang mit der römischen und italienischen Geschichte“, verrät er. Sicherlich nicht verwunderlich, da Mahjoub ja nicht nur seine Bar mit dem Negroni als Namensgeber betreibt, sondern auch noch Markenbotschafter von Campari ist und seit 2008 die Campari Academy in München leitet. Inzwischen stehen dort auch die meisten seiner Preziosen.

Mahjoub hat einen Bruder im Geiste, den großen Erneuerer der amerikanischen Barkultur Dale DeGroff. „Er hat ebenfalls eine riesige Sammlung, auf dem Bar Convent Berlin im Herbst werden wir geneinsam mit Gonçalo de Sousa Monteiro eine Veranstaltung machen.“ Es sollen aus diesem gemeinsamen Wissenskonvolut für das Publikum Geschichten und Drinks zelebriert werden. Mahjoub wird eine historische Betrachtung über die Barkultur vortragen, DeGroff beschäftigt sich anschließend mit der Cocktail-Revolution der letzten Jahre. Der Berliner Bartender und Inhaber des mehrfach ausgezeichneten Buck & Breck, Monteiro, geht dann auf die Feinheiten der Jetztzeit ein. Natürlich wird das Publikum auch Kostproben dieses Wissens zu trinken bekommen. Vielleicht wird ja sogar mit Brot gemixt.

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