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japanischer Whisky Nikka

Whiskyland Japan: Von Bill Murray wachgeküsst, von Jim Murray hochgejazzt

Japanischer Whisky schreibt enorme Wachstumszahlen. Peter Eichhorn hat sich im Land von Nikka, Yamazaki und fließenden Highball-Strömen umgesehen. In einem Kapselhotel hat er dabei nicht übernachtet, wohl aber „Massan“ geguckt, eine TV-Serie über Nikka-Gründer Masataka Taketsuru und seine schottische Ehefrau Rita.
„Ich bedauere, aber auch dieser japanische Whisky ist ausverkauft“, erklärt Barchef Kouji Nanmoku in der Whisky Bar „The Society“ im Park Hotel in Tokio. „Wenn Sie eine rare Flasche Whisky aus Japan erwerben möchten, haben Sie womöglich in Kyoto eine bessere Chance als hier in Tokio. Auch die ausgesuchten Fachhändler im Ginza-Distrikt haben nur noch Standards in den Regalen. Sobald auch nur eine Flasche auftaucht, die halbwegs als Rarität gelten könnte, wird das sofort aufgekauft!“
Wie bedauerlich. Und so wendet sich der Blick ab von der umfangreichen Whisky-Karte, in deren Japan-Sektion der rote Stempel „Sold Out“ leider viel zu oft das Nichtvorhandensein des Produkts kundtut. Dann fällt die Wahl eben auf einen immerhin erhältlichen Nikka Miyagikyo oder auf eines der vielen schottischen Single Malt-Erzeugnisse. Und der Blick fällt auf das prachtvolle Panorama Tokios aus dem 25sten Stock, in dem sich die Bar befindet. Unten ahnt man auch den Bezirk Ginza, jene edle Ausgehmeile, wo die Oberschicht der Hauptstadt ausgeht und sich eine schier endlose Zahl von geheimnisvollen und diskreten Restaurants und Bars versteckt. Der eine oder andere rare Tropfen eines begehrten Yamazaki 18 oder Nikka Taketsuru Pure Malt 17 ist hier womöglich noch zu bekommen, zu einem gesalzenen Preis.

Japanischer Whisky und der Einfluß von Bill Murray

Wäre er doch ein Ghostbuster geblieben. In dem Kultfilm von 1984 spricht Bill Murray die unsterblichen Zeilen „We came, we saw, we kicked ass!“ Aber Bill Murray musste sich ja in der Übersetzung verlieren und 2003 das Japan-Whisky—Komödien-Drama „Lost in Translation“ drehen und weitere unsterbliche Zeilen sprechen. In der Rolle des alternden US-Filmstars Bob Harris macht er Werbung für Whisky und spricht den Slogan: “For relaxing times – make it Suntory time!” Der Whisky in dem Film ist zudem keine fiktive Marke, sondern ein reales Erzeugnis. Die Neugierde auf den Hibiki 17 war somit geweckt.
Zahlreiche Analysten sehen in dem Film den Auslöser für einen Boom an japanischem Whisky in aller Welt, der eine Nachfrage auslöst, die kaum befriedigt werden kann.
Internationale Analysten der Whisky-Branche führen die Erfolgsgeschichte des Whiskys aus dem Land der aufgehenden Sonne tatsächlich intensiv auf die Wirkung dieses Films zurück. Jedenfalls außerhalb Japans.

Japanischer Whisky und sein Mad Men-Effekt

In Japan selbst setzt die TV-Serie „Massan“ noch einen drauf. 2014 beginnt die Ausstrahlung und erzählt die Geschichte von Masataka Taketsuru und seiner schottischen Ehefrau, Rita Cowan. Taketsuru ist einer der beiden Gründerväter des japanischen Whiskys in den 1920er Jahren.
Er ist der Gründer der bis heute bewährten und begehrten Marke Nikka. Die Japaner und insbesondere die Japanerinnen kleben nicht nur vor den Bildschirmen, um die 15-minütigen Folgen an sechs Tagen in der Woche zur verfolgen, sondern eilen danach in die Geschäfte, um Whisky zu erwerben. Insbesondere die weiblichen Whisky-Kunden werden rapide mehr. Black Nikka und Suntory Kabukin sind die Renner und die Getränkebranche spricht vom „japanischen Mad Men-Effekt“.

Highball in Strömen

Zuvor hatte bereits die große Highball-Kampagne von Suntory in den Jahren seit 2008 die Szenerie in Kneipen und Restaurants einschneidend verändert. Mit einem hohen Budget und immensem Aufwand an TV-Spots, Events und speziellen Henkelkrügen wurde der „Highball“ genauso selbstverständlich wie ein Bier. Wenn wir hierzulande unter einem Highball eine gewisse Vielfalt an Basis-Spirituose und Filler erwarten dürfen, so mündet eine Highball-Bestellung vom südlichen Kyushu bis Hokkaido im hohen Norden in ein einziges Resultat: Whisky & Soda.
In Japan, nehmen wir als Beispiel Tokio, ist es überaus üblich und fast schon verpflichtend, nach der Arbeit mit den Kollegen trinken zu gehen. Gerne geht es dazu in ein Izakaya, jene entspannten Kneipen mit Drinks und Häppchen. Oft befinden sie sich in der Nähe der Bahnhöfe, von denen die werktätigen Pendler in die Wohn-Vororte heimwärts fahren. In der Nähe befinden sich in der Regel auch die berühmten Kapselhotels. Jene preisgünstigen Minikabinen-Unterkünfte, welche die Pendler gerne nutzen, wenn sie mal wieder zu tief ins Glas geschaut und den letzten Zug verpasst haben.
Wenn also eine muntere Kollegen-Runde im Izakaya einkehrt, so gehört es sich, dass erst getrunken wird, wenn jeder sein erstes Glas hat. Alleine aus Höflichkeit würde bei der Auftakt-Bestellung niemand einen aufwendigen Cocktail bestellen, weil die Zubereitungszeit die anderen zum Warten verdonnern würde. Also lautet die erste Bestellung stets Bier oder Highball. Viele bleiben dann auch zum Essen und den ganzen Abend über bei dieser Bestellung. Es gibt ja die Kapselhotels.

Japanischer Whisky hat riesige Wachstumszahlen

Viele Japaner schätzen einen eher milden Geschmack bei ihrem Whisky. Das wird auch dadurch bemerkbar, dass sehr viele der hoch geschätzten und beachteten Whiskys des Landes elegante Blends oder Grain Whiskys sind, wie Produkte von Hibiki oder der Nikka Coffey Grain. Die Single Malts verweilen eher im Hintergrund und begeistern eine weitere Kennergruppe. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der legendäre Yamazaki Single Malt Sherry Cask 2013, den der einflussreiche Whisky-Autor Jim Murray in der 2015er Ausgabe seiner Whisky Bible zum besten Whisky der Welt erkor. Im Januar dieses Jahres erzielte ein Yamazaki 50 300.000 Dollar bei einer Sotheby’s-Auktion in Hongkong und wurde somit zum teuersten Whisky aus Japan, der jemals verkauft wurde.
Aber auch bei den Normalprodukten sind die Zahlen, die japanischer Whisky schreibt, beachtlich. Das Londoner Forschungsinstitut The IWSR bescheinigt den Absatzahlen des japanischen Getreidedestillats ein Wachstum von 47,9% in den Jahren 2011 bis 2016. Grund genug für weitere Investitionen und den Ausbau der Anlagen, insbesondere bei Nikka und Suntory.
Mittlerweile ist die Geschwindigkeit gedrosselt, was aber nicht mit dem Bedarf, sondern mit den schwindenden Mengen insbesondere gereifter Destillate zusammenhängt. Die Nachfrage ist immens, die Budgets sind vorbereitet. Alleine der Whisky ist knapp. Und so kamen erst in diesem Jahr weitere NAS (No Age Statement/keine Altersangabe)-Erzeugnisse auf den Markt, sowie Ankündigungen, dass bestimmte Varianten gänzlich eingestellt werden, wie der Hibiki 17 oder Hakushu 12.

Japanischer Whisky: Es wird sportlich

2016 und 2017 waren dann wiederum bewegte Jahre auf den japanischen Inseln. Es wurde und wird gebaut, einige neue Destillerie-Projekte nahmen ihre Arbeit auf. Es wird noch ein Weilchen dauern, aber dann werden wir von neuen Marken hören, wie Kiuchi, Sasanokawa oder Kinryu, sowie drei weitere Destillerien auf Kyūshū, Hokkaido und in Shizuoka.
Einige von ihnen werden dann bereits ein erstes junges Produkt bereitstellen können, wenn die Augen der Welt anlässlich der Olympischen Spiele 2020 auf Nippon fallen. Ein Anlass, bei dem die Erfahrung zeigt, dass nicht nur der Sport, sondern auch die Traditionen, Landschaften und Spezialitäten eines Landes internationale Beachtung finden. Und japanischer Whisky gehört unbedingt zu den herausragenden Erzeugnissen.
Analysten und Experten der japanischen Whisky-Szene sind fest davon überzeugt, dass auch einige der großen Marken diverse Fässer und Schätze in den Lagern hüten, die dann anlässlich der Spiele angemessen inszeniert werden. Wir dürfen gespannt sein.

Credits

Foto: IMDb / Focus Features

Comments (1)

  • H. Jan

    Kann ich so absolut bestätigen..
    Erst vor drei Wochen von einer 8 Tägigen
    Tokyotour zurück..
    Ja in den meissten Bars sind nur noch Hibiki Harmony, Suntory Kakubin oder ähnliches zu bekommen.. aber einige Discotheken und Clubs haben noch eine beachtliche auswahl im Regal (nach meinem besuch etwas weniger;))
    Auch ist in Ginza, Ropongi usw ab 17/18 Uhr jeder tresen besetzt und die Suntory und vermehrt auch Jim Beam Krüge werden im Dutzend herumgereicht..
    Toll und steckt an! Und wenn man sich das ein zwei Abende angesehen hat, will man dass nicht mehr missen..
    Generell ist Japan von Jahr zu Jahr einfacher zu bereisen.. wohl auch in vorbereitung zu Olympiade wie auch durch den Kulturwandel (öffnet sich gen westen)
    Viele schilder, ansagen, Karten usw sind mittlerweile zweisprachig..
    Auch sind die Japaner noch aufgeschlossener gegenüber Touristen (zumindest hatte ich diesen Eindruck)
    Was definitiv nicht zu verachten ist..
    Nicht nur edle und wirklich feine Whisky, auch sehr gute Weine und natürlich Sake..wenn man sich die unmenge an Automaten ansieht..
    Eine schier unbegrenzte auswahl an erfrischungsgetränken und auch Kaffeesorten (heiß und kalt aus dem Automaten;))
    Vom Essen will ich jetzt gar nicht anfangen..
    Also generell ein Tip für Geniesser fürs Leibliche wohl..

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