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Die Mixology-Verkostungsrunde: April 2015

Der Monat geht zu Ende, die Verkostungsrunde tritt zusammen. Diesmal im Test: Gin Luum aus Münster, der „neue“ bei Captain Morgan, Tesla Sljivo aus Frankfurt und der „Rutz Rebell“ von Avantgarde-Brenner Florian Faude. Außerdem auf dem Tisch: Znaida Vermouth aus Berlin und das ambitionierte Lobsters Tonic aus dem schönen Salzburg. Zum Wohl!

Erneut haben wir zum Ende des Monats am runden Tisch Platz genommen, um ausgewählte neue Produkte zu verkosten. Was ist spannend, was macht Lust auf mehr und, fast am wichtigsten: was lohnt sich? Auch diesmal gibt es positive wie negative Überraschungen, Freude und Enttäuschung. Insgesamt jedoch eine sehr erfreuliche Tasting-Session — übrigens mit fünf heimischen Produkten aus dem deutschsprachigen Raum. Doch lesen Sie selbst.

Gin Luum

Aus Münster kommt seit Kurzem der Gin Luum zu den Connaisseurs. Verpackt in einer für die Kategorie mittlerweile typischen, farblosen und leicht konischen 0,5-Liter-Flasche, betritt der Luum das Parkett aufgrund des markant-petrolfarbenen Etiketts mit der Zeichnungen eines Anglerfisches dennoch mit einem einprägsamen Erscheinungsbild. Man möchte, trotz einiger neuartiger Botanicals, einen geradlinigen London Dry Gin anbieten. Für die Fertigung haben Gründer Patrick Rosenberger und seine Partner mit Hubertus Vallendar einen mehr als renommierten deutschen Obstbrenner gefunden, der nun für die Produktion des Destillats verantwortlich zeichnet.

Im Glas steht der Gin Luum mit ausgeprägten Tränen und verströmt einen sehr milden, sauberen Duft. Zunächst dominieren deutliche Noten von frisch aufgeschnittener Grapefruit, dazu ein wenig Leder. Bei näherem Nosing tritt eine leicht ätherisch-holzige Komponente hinzu. Im Mund überrascht der Luum, auch aufgrund der für neue deutsche Gins ungewöhnlich niedrigen Stärke von 40 %/Vol., mit leichter Süße und ausgesprochenen Süffigkeit. Der Zitrusfruchtkorb bleibt auch hier präsent, dazu kommen Noten von Apfel, Birne und eine deutliche Spur von Lavendelblüte. Insgesamt ein toller Sipping-Gin. Beim Einsatz mit Tonic könnte der Luum evtl. ein wenig zu schwach sein, aber für einen frischen, sommerlichen Martini bietet er sich hervorragend an.

Captain Morgan White Rum

Bereits vor einigen Wochen berichteten wir über das neue Mitglied in der Captain Morgan-Familie: mit einer weißen Abfüllung möchte man seitens Diageo die margenträchtige Bühne des weißen Rums besteigen. Beim Packaging vertraut man der markentypischen Linie, stolz prangt der Captain auf dem weißen Etikett, eine Empfehlung rät zur Verarbeitung im Cuba Libre oder Mojito. Geht das gut?

Wie beim Benchmark-Hersteller Bacardí vertraut man auf die niedrige Mindesttrinkstärke von 37,5 %/ Vol. Im Glas wirkt der weiße Captain recht dünn. Es drängen sich Töne von getrockneter Banane, Vanille und Buttertoffee auf, die einen süßlichen Gesamteindruck hervorrufen und wahrlich an den Einsatz mit Cola denken lassen. Leider fehlen ein wenig die für weißen Rum so wichtigen, sortentypischen, spritzigen Aromen frischer Früchte oder Kräuter, sodass der Rum ein wenig unausgewogen wirkt. Am Gaumen ist der Captain enorm leicht und süffig, überaus sauber rektifiziert. Die cremigen Töne verschwinden leider mehr oder minder zugunsten einer leicht unbalancierten Bitteren. Das Finish ist geprägt durch eine relativ überraschende Anisnote. Als Speedrack-Kandidat dürfte er es angesichts der starken Konkurrenz allerdings schwer haben.

Tesla Sljivo

Als frankfurterisch-kroatische Kooperation steht bereits seit einigen Wochen der Tesla Sljivo in gar nicht einmal so wenigen Backshelves deutscher Bars. Ob das nur daran liegt, dass einer seiner Väter Branimir Hrkac ist, seines Zeichens Bar-Manager in der Frankfurter Bristol Bar, gebürtiger Kroate und eine der schillerndsten Figuren im deutschen Bar-Business? Entwickelt in Frankfurt und benannt nach dem kroatischen Elektrizitätsforscher, Ingenieur und Pionier Nicola Tesla, wird der Pflaumenbrand in der charakteristisch-zylindrischen, leicht violett farbenen 0,7-Liter-Flasche tatsächlich in dem Mittelmeerland gebrannt, aus dem die Stilistik stammt.

Dass der Tesla nicht zu Unrecht in raschem Tempo einige Freunde finden konnte, liegt aber nicht nur an seinem Schöpfer, wie sich sogleich zeigt: eine volle Nase mit Aromen von erdiger Pflaume und marmeladiger Amarenakirschen, außerdem ein wenig Veilche, macht Lust auf mehr. Hintergründig getragen wird der Eindruck durch eine feine Salmiak-Tönung. Da es sich um einen Brand handelt, ist der süßliche Eindruck im Mund natürlich weg, er macht dafür einer schlanken Cremigkeit Platz, die Fruchtaromen gehen nun eher in leicht bittere Richtung reifer Zwetschgen.

Nach hinten raus wirkt er leicht adstringierend, als sei er sehr tanninreich. Im Laufe der Zeit gesellt sich dazu ein Anklang von kandierter Frucht. Insgesamt ein komplexes, mehr als interessantes Produkt zu einem fairen Preis.

Faude „Rutz Rebell“ Birnenbrand

Speziell für die hoch angesehene Berliner Weinbar Rutz serviert uns das feine Haus Faude Feine Brände vom Kaiserstuhl einen neuen Birnenbrand. Unfiltriert und mit satten 46% Vol. kommt der Rebell auf den Tisch, um den feinen Gaumen der Rutz-Sterneküche nach dem Essen Gaumen und Magen wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Zunächst überwiegen birnentypische, leicht erdige Aromen, die Frucht ist deutlich zu erkennen, hinzu etwas Zimt, Bratapfel und eine geringfügige Karamellnote — rebellisch wirkt das allerdings nicht, dafür ist der Brand zu geradlinig.

Dafür wird er im Mund frech: eine deutliche Spritzigkeit springt den Gaumen an, frische Kräuter- und Fruchttöne machen sich überaus flächig breit. Dabei wiegt der Rebell nicht nur die tiefen Töne aus dem Nosing aus, sondern beeindruckt durch eine enorme Drinkability und Sauberkeit. Im Finish treten deftige, in Spuren salzige Anklänge hervor, die dem Rebell eine tolle Dreidimensionalität verleihen.

Znaida Vermouth Urban Eden Edition No. 1

Znaida Vermouth hat seinen Namen von seiner Gründerin, der Berliner Unternehmerin Silvia Schneider. Mit seiner neuartigen Interpretation soll der Znaida die Hauptstadt verkörpern und die Kategorie bereichern. Zuvorderst dominiert eine Melange aus Melisse, kandierter Zitrone, etwas Ingwer sowie Eukalyptus. Einzig die wirkliche herbalen, „wermutigen“ Aromen fehlen dem Znaida leider völlig, so dass eher der Eindruck eines anderweitig gewürzten Weines entsteht.

Dazu gesellt sich beim ersten Schluck eine mehr als deutliche Grapefruitnote. Als „Bianco“-Style bietet sich der Znaida weniger als Partner im klassischen Martini an, dafür ist er zu süß. Auf Eis getrunken, macht er als süffiger Weinaperitif Lust, aber auch am Gaumen fehlt ihm leider die nötige Bitterkeit und echte Wermut-Note, um als solcher wahrgenommen zu werden. Kein schlechtes, aber ein aus mixologischer Sicht schwieriges Produkt.

Lobsters Tonic Water

Eine vollmundige Ansage macht man im Hause Lobsters: „The No. One in Refreshment“ schreibt der kleine, österreichische Hersteller auf seine Flaschen. Der besondere Kniff bei sämtlichen Sorten des Start-ups ist die Verwendung kleiner Mengen Fruchtsaft bei der Herstellung der Produkte Tonic Water, Ginger Ale, Bitter Lemon sowie Lemon Mint. Hergestellt werden die Lobsters-Produkte in kleiner Auflage in Salzburg. Man weist darauf hin, der erste Hersteller zu sein, der in der Alpenrepublik unter Manufaktur-Bedingungen Limonaden fertigt.

Für das vorliegende Tonic Water kommt, wie etwa auch im Ginger Ale, eine kleine Menge geklärter Apfelsaft als Aromenträger hinzu. Aus Sicht der Nase zumindest spielt das jedoch leider praktisch keine Rolle, denn das Lobsters Tonic verströmt so gut wie keinen Duft. Relativ steril liegt es im Glas.

Leider wird es im Mund nicht besser: eine unausgewogene Bittere wartet auf Balance. Diese tritt jedoch nicht ein, weder in Form einer abgestimmten Süße noch durch Kohlensäure, die quasi komplett fehlt, wie auch jegliche Form von Komplexität. Außerdem macht sich auch hier der Apfel nur in einer Ahnung bemerkbar. Ein eher enttäuschendes Produkt, zumal es durch sein gelungenes Packaging Lust macht. Hier ist zu hoffen, dass der Produzent noch ein wenig nachjustiert und evtl. an der Abfüllung arbeitet, damit mehr Kohlensäure in die Flasche kommt.

Credits

Foto: via Sarah Liewehr

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