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DIE MIXOLOGY VERKOSTUNGSRUNDE SEPTEMBER 2016

Ein Teelikör mit Biss von Pekoe und eine wunderbare Crème-Alternative aus dem Hause Sasse geben den Ton vor in unserer aktuellen Verkostungsrunde September. Drei neue Gins dürfen es dann aber doch auch noch sein.

Es sind zwei Liköre, die es uns bei unserer Verkostungsrunde im September besonders angetan haben und die nicht nur im Geschmack, sondern mit einem herrlichen Preis-Leistungs-Verhältnis punkten. Aber auch eine kleine Gin-Weltreise haben wir im Gepäck: Einen Gin aus Deutschland, einen aus Südafrika und den wahrscheinlich ersten Premium-Gin aus der Pisco-Hochburg Peru.

Pekoe Jasmine Green Tea

Die vom niederländischen Bartender Robert Schinkel mitentwickelte Range von Pekoe-Teelikören hat schnell viele Freunde in der internationalen Community finden können – eine Long List-Nominierung des Ceylon-Likörs als Beste Europäische Spirituose 2017 bei den MIXOLOGY BAR AWARDS sowie eine Spitzenbewertung für die Earl Grey-Abfüllung im Diffordsguide sprechen Bände. Doch auch der dritte im Bunde, die Sorte mit der charakteristischen Aromatik von Jasmin-Grüntee, soll ihre Beachtung erfahren. Über jeden Zweifel erhaben ist generell das Packaging der Pekoe-Serie: Die geschwungene, spitz zulaufende Flasche symbolisiert das oberste Teeblatt an jedem Trieb, verweist damit auf den gänzlich natürlichen Ursprung des Produktes und darf als Zierde für jedes Rückbuffet gesehen werden.

Eine Zierde allerdings ist auch der Inhalt der Flasche: Dem Glas entströmen klare, laubbetonte und herbe Aromen von grünem Tee, die Blumigkeit des Jasmin macht sich zunächst nur sehr elegant-unterschwellig bemerkbar. Herausragend ist die Balance im Mund, die harmonisch zwischen tanninigem „Biss“, gesunder Bitterkeit, nicht zu aufdringlicher Süße und nun auch stärkeren Blütentönen hin und her schwingt. Das alles mit einer Intensität, die zwar sehr stark, allerdings dabei glasklar und weder übersteigert noch synthetisch wirkt. Ein tolles Produkt mit umfänglicher Mixability in zahlreichen Drink-Typen, überdies zu einem absolut fairen Preis.

Feinbrennerei Sasse Organic Kakao mit Nuss

Die Brennerei Sasse aus dem Münsterland muss man vielen Kennern gar nicht lange vorstellen. Schon lange steht die „Feinbrennerei“ unter der Leitung von Rüdiger Sasse für exzellente Brennkunst auf der Höhe der Zeit, und zwar mit einem vielfältigen Portfolio an Bränden und Likören. Wie auch fast alle anderen Produkte der „Gestern & Morgen“-Reihe besticht auch der „Organic Kakao mit Nuss“-Likör durch eine klassische, zylindrisch gezogene Flasche samt Stopfen und zurückhaltender Etikettierung – das Produkt spricht für sich.

Und das kann es auch: Der ganz leicht blassgoldene Likör mit stolzen 30% Vol. steht viskos und stabil im Glas, wirkt dabei klar und prägnant. Zunächst treten dichte Noten von dunklem Kakao in die Nase – keine Schokolade, sondern Kakao, was ein sehr trockenes, feines Bild evoziert. Erst nach einigen Augenblicken offenbaren sich erste Nuss-Töne in einer überzeugenden Marzipan-Nuance (leider verschweigt das Etikett, welche Nüsse in welcher Menge zum Einsatz kommen). Kakao und Marzipan erwecken gemeinsam ein schönes, weihnachtliches Bild von Marzipanbrot, ohne jedoch in kitschige Gefilde abzugleiten. Am Gaumen dann allerdings spielt der Sasse dann eine volle, herbe und komplexe Nussigkeit aus: gebrannte Mandel, Macadamia, ein wenig geröstete Haselnuss – ein vielschichtiges Geschmacksprofil, das keine überbordende Süße braucht. Dazu kommt ein präsentes, langes Finish, das wiederum mehr durch den Kakao geprägt ist.

Ein wunderbarer Likör, der sich sowohl zur Aufarbeitung klassischer After Dinner-Drinks als auch – aufgrund der zurückhaltenden Süßung – zum Einsatz in modernen, eher auf den trockenen Gaumen zugeschneiderten Cocktailkreationen eignet. Und ein Likör, der mit seinem geradezu günstigen Preis eine echte Alternative zu den Platzhirschen im Bereich der Crème-Liköre bieten dürfte.

Gin’Ca

Der wahrscheinlich erste Premium Gin aus dem Pisco-Land Peru trägt den augenzwinkernden Namen Gin’Ca und verweist so auf die Ureinwohner des Andenstaates. Seit Kurzem mit regulärem Vertrieb in Deutschland erhältlich, präsentiert sich die Flasche puristisch, elegant und nicht überstylt – eine Wohltat im derzeit mitunter überdesignten Gin-Feld. Auch der Korb an Botanicals liest sich überwiegend klassisch: Neben Wacholder sind es unter anderem Rosmarin sowie verschiedene Zitruszesten; schwarzer Pfeffer, Zimt und Paradieskörner geben dem mit 40% Vol. moderaten Gin’Ca sein aromatisches Rückgrat.

Das Aroma des Gins ist vordergründig recht zitruslastig mit einer wohl deutlich auf den Zimt verweisenden erdig-pikanten Note, insgesamt sehr zurückhaltend. Zwar ist die zestige Frische sehr kraftvoll und durchaus elegant, diese Einseitigkeit geht jedoch ein wenig zu Lasten der Komplexität. Der Antrunk des Gin’Ca ist bekömmlich und süffig. Dabei setzt der Gin zunächst auf der Zunge zwar einen wacholdrigen und harzigen, sicher vom Rosmarin geprägten Akzent, er gleitet danach allerdings leider in eine etwas seifig-krautige Richtung ab, der es – wie schon beim Nosing – ein wenig an Tiefe und Komplexität fehlt. Dabei ist er überaus mild und trocken, wobei im Einsatz in klassischen Gin-Drinks zu befürchten steht, dass der Gin gegenüber den typischen Gin-Partnern recht schnell ins Hintertreffen geraten dürfte. Definitiv kein schlechtes Produkt, aber eher geeignet, um interessierte Neulinge mit der Kategorie zu sensibilisieren.

Stobbe Gin

Aus dem kleinen Neuendettelsau in Mittelfranken stammt der markant designte Stobbe Gin: Auf der ansonsten klaren Flasche prangert erhaben und signalhaft das blaue Kreuz – ein sehr eigenständiges Auftreten – mit den wichtigsten Informationen: Bergamotte und Schwarze Johannisbeere sollen dem Gin mit 43% Vol. sein besonderes Profil verleihen. Spätestens seit Monkey 47 und den darin enthaltenen Preiselbeeren ist der wohldosierte Einsatz von Beerenfrüchten in Gin durchaus kommod – eine Note, die, harmonisch integriert, sehr wohl eine Bereicherung für einen Wacholderbrand sein kann.

Der Ankündigung auf dem Label lässt der Stobbe dann auch Taten folgen: Eine kräftige, beerig-konfitürenhafte Note eröffnet beim ersten Riechen, dazu kommt ein leichtes alkoholisches Stechen, das als Eigenschaft vieler Obstbrände nicht als ungewöhnlich oder gar als Mangel betrachtet werden darf. Erst nach längerer Zeit macht sich eine ölig-frische Komponente bemerkbar, die wohl weniger auf Wacholder als auf die im Labeldruck angekündigte Bergamotte verweist. Auf der Zunge überrascht der Gin mit einer stark holzigen Note, fast wie bei einem Tresterbrand, und wirkt leicht kontrahierend. Insgesamt treten die fruchtigen Noten nun fast komplett weg, der Gin entwickelt im Mundraum eine schöne, stabile Präsenz und punktet mit estrigen, öligen, durchsetzungsfähigen Nuancen, die – gemeinsam mit der beerigen Nase – vielleicht sehr gut in einem Gimlet funktionieren könnten. Für einen akzeptablen Preis absolut einen Versuch wert.

Wilderer Fynbos Gin

Schon lange ist das Familienunternehmen Wilderer aus Paarl als Obstbrenner in seiner vor allem für Weine bekannten südafrikanischen Heimat geschätzt. Noch sehr jung, und neuerdings bei Klocke Weinimporte auch in Deutschland verfügbar, ist hingegen der Fynbos Gin, der versuchen möchte, den klassischen London Dry-Stil mit heimischen Wildkräutern aus dem Kapstaat zu vermählen. Die Flasche zumindest überzeugt mit einem eleganten, stimmungsvollen Layout. Eines der typisch afrikanischen Botanicals ist etwa die sehr beliebte Teufelskralle.

Der Fynbos eröffnet mit einer waldig-grünen Aromenlinie, die zudem herzhafte Töne von Malz und Baumrinde mitbringt, fast wie ein Oude Genever. Bekommt er etwas mehr Luft und Fläche, treten allerdings typische Gin-Aromen zutage: Spitze Harztöne, eine angenehme Frische und die gewissen Portion Wucht, die quasi zum London Dry-Begriff dazugehören sollte, das alles immer noch untermalt durch die kraftvollen dunklen Töne vom Beginn. Der krautig-waldige Eindruck setzt sich auch im Mund fort, insgesamt geht der Fynbos recht herb an den Gaumen und trägt eine deutliche Obstbrenner-Handschrift, ein wenig fehlt hier nun die Spritzigkeit. Zusammen mit den abwesenden Fruchtnoten entsteht ein zwar sehr stringenter, trockener Eindruck, der vielen Barflys zusagen dürfte, aber für den London Dry-Stil eventuell doch eine Nuance zu deftig und herzhaft. Wer sich jedoch für den vernünftigen Preis einen sehr eigenständigen Brand mit satten 45% Vol. ins Backboard stellen möchte, dürfte mit dem Fynbos durchaus zufrieden sein.

 

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Credits

Foto: Foto via Sarah Liewehr.

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