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Der Monkey Gland Cocktail.

Nein, keine Sorge. An dieser Stelle soll keinesfalls der Klassiker Monkey Gland auf eine Stufe mit verzuckerten Saft-Sahne-Bomben gestellt werden. Auch dürfte die Schar derer, die einen Monkey Gland bestellen nur wenig Interesse am schnellen Rausch und den dazugehörigen Kopfschmerzen am Tag danach haben.

Dennoch gibt es eine Parallele zwischen diesem Drink, der aus der Zeit der Prohibition stammt, und heutigen Skurrilitäten, die bestellt werden, weil der Name jungen Menschen ein Kichern entlockt. Wer ihn wirklich erfunden hat, ist ein strittiger Punkt. Die meisten Quellen schreiben den Cocktail Harry MacElhone zu, dem Gründer von Harrys New York Bar in Paris. Andere sagen, es war Frank Meier aus dem Ritz Hotel, auch in Paris. Aber egal wer es war, der Drink war definitiv ein Kind der 1920er Jahre, sprich dem Zeitalter, in dem die USA unter der Prohibition und erschwertem Zugang zu Alkohol zu leiden hatten.

Nicht nur eine Welle amerikanischer Bartender fand den Weg nach Europa, um dort ihrem Beruf nachzugehen. Auch oder gerade für Touristen wurde Europa noch interessanter. Allem voran natürlich die großen Städte wie London, Berlin oder eben Paris.

Sexuelle Doppeldeutigkeit

Natürlich wollte man auch damals die Touristen in seine Trinkhallen locken und an ihre wertvollen Dollars gelangen. Die Besucher aus Amerika waren auf der Suche nach dem, was sie in der Heimat nicht bekommen konnten. Alkohol war eine solche Sache, die es in Europa problemlos an jeder Ecke gab. Damals wie heute war ein weiteres probates Mittel die Verruchtheit. Die sexuelle Doppeldeutigkeit wurde nicht so plakativ wie heute genutzt, verfehlte aber dennoch selten ihre Wirkung.

Was aber ist an Monkey Gland so verrucht? Ins Deutsche übersetzt würde man eine Affendrüse bestellen. Nicht sehr appetitlich und weit entfernt von verrucht. Der Amerikaner versteht allerdings unter den Monkey Glands eher die Affenhoden. Oder speziell dessen Gewebe.

Wo ist der verruchte Bezug?

In den 1920er Jahren forschte in Paris ein gewisser Serge Voronoff. Der gebürtige Russe, der als einer der Wegbereiter der modernen Medizin gilt, befasste sich unter anderem mit den menschlichen Sexualorganen und deren Funktion und Einfluss auf den Menschen. Seinem Ansatz zufolge, sollte sich bei Männern eine spürbare Verjüngung einstellen, wenn man ihnen Gewebe aus Affenhoden einsetzte. Medizinisch ergebnislos machte diese Operation den Chirurgen durchaus zu einem wohlhabenden Mann. Über 1000 dieser Eingriffe für die damals sehr stolze Summe von 5.000 Dollar soll er durchgeführt haben.

Harry MacElhone bestätigte seinerzeit, den Namen für den Cocktail in Anlehnung an die Versuche Voronoffs gewählt zu haben. Gut vorstellbar, dass einige Touristen im lasziven Paris mit schelmischem Lächeln diesen Drink orderten, nicht ohne zumindest ein klein wenig auf die magische Wirkung zu hoffen. Und so dürfte der Monkey Gland tatsächlich ein frühes Beispiel für ungewöhnliche Werbung vonseiten der Bartender sein.

Abseits dieser Geschichte ist er natürlich auch immer noch ein hervorragender Drink. Ein Cocktail den Johannes Möhring, Bartender im Schumann’s, gerne mit den Worten: „Mädchen trinken Cosmopolitans, Frauen trinken Monkey Gland“, an den Gast bringt. „Ein lieblicher Drink, der, dank des Absinths ein gewisses Überraschungsmoment im Glas bereithält“, so seine weniger direkte Beschreibung. Und wer die Geschichte zu den Affenhoden parat hat, erntet sicherlich auch heute noch ein verwegenes Grinsen.

 

Monkey Gland (adaptiert aus „Barflies and Cocktails“ von Harry MacElhone, 1927)

4 cl Gin

4 cl frischer Orangensaft

1 BL Grenadine

1 BL Absinth

 

Glas: Coupette

Garnitur: keine

Zubereitung: Alle Zutaten in den Shaker geben und mit Eiswürfeln 10-15 Sekunden (10-15mal) kräftig schütteln. Doppelt in das vorgekühlte Gästeglas abseihen.

 

Manchmal wird die Version mit Absinth die „französische Variante“ genannt. Aus dem einfachen Grund, dass Absinth in Amerika bis vor Kurzem nicht erhältlich war und durch Anisgetränke wie Pernod oder Ricard ersetzt wurde. Für Menschen, die dem Anisgeschmack überhaupt nichts abgewinnen können, gibt es auch noch die Variante mit einem Schuss Bénédictine. Diese und die Versionen mit Pernod oder Ricard nennt man folglich die „amerikanische Variante“.

 

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Bildquelle: Relaxter Schimpanse via shutterstock.com

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