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Nebulöse Neuigkeiten aus Islay

Kaffee ohne Koffein, Frikadellen ohne Fleisch, überhaupt Fleisch ohne Fett und jetzt auch noch Ardbeg ohne Alkohol. Das hat ja gerade noch gefehlt. Mit dem Ardbeg Ceo will man bei LVMH eine neue Möglichkeit des Scotch-Genusses in Stellung bringen. Doch ist der kalte Nebel am Ende nur heiße Luft? Mitnichten, findet unsere Whiskyphilosophin Juliane Reichert.

Wie zum Beispiel dem Patolli in München, dem Curtain Club in Berlin oder der Bar DaCaio in Hamburg. Sie benutzen bereits den auf der Finest Spirits von Moët-Hennessy vorgestellten Ardbeg Céo zum Toppen von Cocktails, zum Veredeln von Klaren und Vernebeln von Klarem.

Die Suche nach dem Whiskey namens Ceo

Denn das Gemauschel um die Islay-Destillerie mit einer der wohl größten Fan-Gemeinde ist groß. Exorbitante Preise für Whiskys, die sich in ihrer eigenen Mythologie zwar tatsächlich jenseits des Orbits aufhalten mögen, dafür aber nach dem zehnten Jahr jedwedes Gefühl für konkrete Zeitangaben verloren zu haben scheinen, freut nicht alle.

Ardbegs jüngst auf dem Markt erschienene Abfüllung „Perpetuum“ hält sich zwar sowohl in Qualität wie auch in den mächtig mystisch aufgeladenen Bildern in Stratosphärischer Stellung am Whiskyhimmel. Doch über Ardbegs Zehnjährigem, seinem Corryvreckan und dem Uigeadail hinaus, steigen die Preise in Relation zur Unverfügbarkeit und machen auch auf Höhe einer 1972er Hogshead-Abfüllung von 2.450 Euro keinen Halt. Da bekommt man mehr Lust auf Auktionshäuser denn aufs Austrinken. Entsprechend hörte man in jüngerer Vergangenheit immer mal wieder Menschen nach einer ominösen Abfüllung mit dem Namen „Ardbeg Ceo“ fragen, die nicht zu bekommen sei.

Nebel, der nicht vernebelt

Tatsächlich ist durch die Zusammenarbeit mit Le Whaf der „Ardbeg Ceo“ erhältlich, mit dem sogar gänzlich aufs Trinken verzichtet werden kann. Denn der Ceo ist kein Whiskey. Sondern ein Verdampfer.

Im Konkreten stelle man sich diese Ultraschallvernebelung vor wie ein als Ardbeg verkleidetes Reagenzglas, in dem Destillate vernebelt, abgefüllt und durch einen Strohhalm „geraucht“ werden können. Klingt nebulös — zunächst!

„Die genaue Funktion ist gar nicht so kompliziert. Mit einem Piezo-Kristall wird eine extrem hohe Vibration im Ultraschallbereich erzeugt, die das Wasser mehr oder weniger zerreißt,“ so Glenmorangies und Ardbegs Brand-Ambassador Thomas Zilm. Es entsteht ein Nebel aus Spirituose, der nicht berauscht — denn er ist nahezu alkoholfrei.

Aber ganz ehrlich, wer will beim Whiskytrinken denn aufs Trinken verzichten? Herkömmlicherweise folgt der Lust auf einen Drink in logischer Konsequenz ein Drink, jener auf Rauch folgt die Zigarette — kein Mensch raucht Drinks.

Allerdings zwingt uns der Islaynebel („céo”: gälisch für Nebel) ja nun auch nicht dazu, Burger und Bier in Zukunft zu rauchen, sondern bietet uns lediglich einen etwas anderen Weg an, komplexe Aromen wahrzunehmen. Und da wird es wieder interessant.

Zwar ist Alkohol einerseits Geschmacksträger, andererseits aber auch Nervengift. So kommen nicht alle der „ge-whaften“ Aromen eines Destillats zum Tragen. Dafür haben jedoch Auge und Nase, Leber und die Lust an dicker Luft auch etwas davon.

Dekonstruktion in Dunst

Bevor man sich also Räucherstäbchen anzündet oder einen neonfarben changierenden Wasserfall ins Wohnzimmer hängt, tut es auch ein mit Ardbeg gefüllter Le Whaf. Smaragdgrün leuchtet der Inhalt, während zunehmend dichter Nebel aus der Öffnung des schief gelegten Single Malt-Smokers dringt und vorgibt, zu später Stunde auf der A846 kurz vor Ardbeg in einen „Haar“, den in Islay typischen Küstennebel zu geraten. Nur, dass man auf Islays Hauptstraße keinen eigenangefertigten Strohhalm zur Hand hat, diesen Nebel aufzusaugen. Die „Nebel-Dram” sieht aus, wie der kredenzte Kelch eines Zauberers in einem alten Zeichentrickfilm, und das Versprechen ist nicht minder groß als Unsterblichkeit.

„Und im Mund,“ so Thomas Zilm, „findet eine Dekonstruktion der klassischen Ardbeg-Aromatik statt: eine schwere Süße, Salz, Citrus und viel, viel Rauch.“

Kalter Rauch. Wider erwarten für jeden, der einmal in der Nähe eines Aschenbechers aufgewacht ist, riecht dieser aber nach einem „Glen“ in der ersten Silbe und schmeckt rauchig süß, tatsächlich auch nach Citrus.

Vom richtigen Riechen und schlechten Schmecken

Ardbeg-Aromen eben. Dass die Sache mit dem Schmecken möglicherweise ein wenig schwieriger ist, liegt nah. Das beweist beispielsweise Ardbegs New Make (der fertige Brand, der aber noch komplett ungelagert ist; d. Red.) von 68,3%/Vol. mit einem Himbeergeist in der Nase und einer sahnigen Süße auf der Zunge ohne aromatische Ambitionen auf einen Ardbeg.

Das braucht man aber auch nicht, wenn man sich beispielsweise gerade in die Whiskywelt wagt und wissen will, was der Unterschied zwischen Torf und Rauch, Malz und Salz, Frucht und Holz sei. Oder wenn man seinen Bargästen zeigen will, wie ein „Haar“ schmeckt oder man lange zwischen der Berufsgruppe der Zauberer und der Bartender schwankte. Wenn man in der Mittagspause einen Whisky einnehmen, will, aber nicht in einer Barmagazin-Redaktion arbeitet, oder sich inmitten der heißesten Tage des Jahres befindet: Dann ist der Céo ein Geschenk, dass sich auszuprobieren lohnt und Lust auf mehr macht. Über Ardbeg erhalten jedoch nur ausgewählte Bars einen „Ceo“. Wer sich anderweitig einen Le Whaf anschaffen möchte, um damit an seiner Bar zu experimentieren, muss dafür überraschenderweise gar nicht so tief in die Tasche greifen.

Wer einen Ardbeg trinken will, sollte vermutlich nach wie vor einen Ardbeg trinken.

Doch welche Destillerie auf Islay — bitteschön — macht dank Beigabe ihrer zehnjährigen Abfüllung den weltbesten Käsekuchen? Ardbeg! Und das, obwohl man ihn sogar essen muss.

Credits

Foto: Nebel über Schottland via Shutterstock.

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