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Sauer macht lustig: Plymouth Sloe Gin

Kommt zum Gin jetzt eine Sloe Gin-Welle? Nach den hier kürzlich vorgestellten österreichischen und französischen Schlehen-Mazeraten folgt eine Neueinführung aus England. Und die ist tatsächlich anders, denn vielleicht dient sie sogar als Füllung der Weihnachtsgans.
Der rötlich schimmernde Neuzugang aus der Black Friars Distillery kommt rechtzeitig für die kalte Jahreszeit auf den Markt, denn traditionell wurde der Schlehen-Gin vor dem Winter angesetzt. Der von Pernod Ricard gelaunchte Plymouth Sloe verbindet die kleinen Pflaumenfrüchte mit dem Plymouth Gin, der früher vor allem in der Marine, die nach wie vor größter Arbeitgeber der Hafenstadt ist, seine Anhängerschaft hatte.
Geschichtsbewusstsein und weniger Zucker
Einst als geographische Ursprungsbezeichnung geführt, stellt heute nur das ehemalige Dominikanerkloster einen Gin dieses Namens her. Die Brenntradition wird, trotz einiger Eigentümer-Wechsel vor 2008, auch durch das Etikett unterstrichen, das ein Segelschiff zeigt. Angeblich haben die Gründerväter der USA des schlechten Wetters wegen mit der „Mayflower“ in Plymouth angelegt. Verbürgt hingegen ist der Satz, dass es Zeit für eine neue Flasche sei, sobald das gemalte Schiff im übertragenen Sinne “auf dem Trockenen” segeln sollte.
Als weitere Referenz an frühere Zeiten, in denen man die Beeren nach dem ersten Frost, und damit einer enzymatischen Reaktion, die den Gerbstoff reduziert, erntete, kauft man auch heute gefrorene Schlehen. Gesammelt werden sie großteils in Dartmoor, worauf dann die eigentliche Produktion erfolgt. Der Fruchtauszug der Briten wird bewusst sauer gehalten: „Zucker fügen wir nur so viel wie nötig zu“, stellt Brand Ambassador Sebastian Hamilton-Mudge klar.
Vier Monate zieht der Geschmack der Früchte in den Gin ein, so will es die Rezeptur für den „winter warmer“ aus dem Jahr 1883. Der Unterschied zu den eindeutig süßen Schlehen-Likören, den Hamilton-Mudge damit anspricht, erschließt sich aber erst am Gaumen.
Mehr Vogelbeere als Schlehe
Die Nase zeigt ein noch deutlich vom Stein-Ton geprägtes Bild: “Marzipan satt” könnte man sagen. Und in dunklen Gläsern würde der Sloe Gin glatt als Vogelbeer-Produkt durchgehen. Etwas Erdbeer-Marmelade kommt mit der Zeit noch aus dem Glas, aber jetzt wollen wir auch endlich kosten.
Der erste Schluck ist fast adstringierend sauer, erinnernd an den Geschmack unreifer Sauerkirschen. Gerbstoff und fruchtige Noten sind aber nur ein Aspekt. Insgesamt können wir von einer “Schwarzwälder Kirsch-Seite” des Sloe sprechen, denn auch Kakao ist jetzt zu merken. Dazu kommt eine appetitanregende Würze, die im Abgang klar als Pfeffer wahrgenommen werden kann. Viele Eindrücke sind das für einen vermeintlich einfachen Likör, aber eines findet sich nicht darunter: Süße.
Bartender’s dunkelroter Küchenhelfer?
In Englands Westen, aus dem der Plymouth Sloe Gin stammt, setzt man das Getränk auch in der Küche, etwa zum Käse ein. Aber auch als – ein jahreszeitlich durchaus interessanter Tipp – Füllung von Wildgeflügel wie Fasan und Ente kann der Likör Verwendung finden. Er ersetzt bei manchem Traditionalisten des “Sunday Roast” die eher amerikanische Cranberry, was sich zu Weihnachten durchaus testen ließe.
Die Mixability der Gattung scheint dagegen fast eingeschränkt, kennt man die rote Zutat ja gerade einmal als Cassis-Ersatzpartner für den Champagner im „Kir Royal“ oder als Basis des „Long Peddler“. Der mitunter auch als „Pedlar“, basierend auf dem Herstellernamen des angeblich ursprünglich verwendeten Sloe Gins, bezeichnete Mix aus Schlehenlikör und Bitter Lemon im Verhältnis 1:3 erinnert als Standard-Servierform an den Gin & Tonic (und wird mitunter auch mit Tonic und Zitronensaft kredenzt). Hinzu kommen freilich verschiedene Varianten des Sloe Gin Fizz.
Böse Namens-Nennungen
Dabei lässt sich auch abseits dieses westenglischen Klassikers einiges mit dem Schlehen-Likör anfangen, wenn man einen Blick in so manche Rezeptliste wirft. Vom noch relativ verhalten benannten „Panty Dropper“ bis zum „Violent Fuck“ zeigt aber allein die Namensgebung schon an, was man sich in der Macho-Ära von der Süße des „Sloe“ erwartete.
Das Beispiel zeigt: Aller Spitzen-Barfrauen zum Trotz ist die Cocktailhistorie auch geronnene Sozialgeschichte und bewahrt so manche böse Erinnerung länger auf, als es uns gefällt – und nicht zuletzt daher hat auch der Sloe Gin seinen Platz in der Barwelt. Aber der Plymouth Sloe trägt dazu ja vielleicht einen neuen Aspekt bei.

Credits

Foto: Plymouth via Shutterstock

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