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Prestige Selection Tour #2: Beefeater London

Mittlerweile ist man das letzte große Gin-Haus, das noch in London produziert: Beefeater, die Marke mit den Tower-Wächtern am Label, lud den Münchener Bartender Andreas Till nach Kennington. Wir hefteten uns beim Blick hinter die Kulissen an seine Fersen.

Sind das wirklich alle? Ungläubiges Staunen erfasst die deutsche Delegation, die mit Sebastian Hamilton-Mudge durch die Destillerie stapft. Ja, nur vier Männer erzeugen jeden einzelnen Tropfen Beefeater und Beefeater 24, bestätigt der Brand Ambassador von Pernod-Ricards Premium-Gin. Jener „24“ gehört überdies gemeinsam mit dem raren „Burrough’s Reserve“ zur Prestige Selection des französischen Konzerns.

Desmond Payne, der als der erfahrenste Destillateur im Gin-Bereich gilt, ist heute nicht hier. Aber Keith, Will und Dave, die die praktische Herstellung übernommen haben, laufen uns immer wieder über den Weg. Kein Wunder, denn das Trio übernimmt vom Befüllen der „Steep“, dem Tauchbad der Botanicals im neutralen Getreidealkohol, bis zum Testen des finalen Cuts alle Arbeiten.

Bartender am Gin-Rührwerk

Beim Umrühren der Botanical-Alkohol-Mischung, „rousing the steep“ genannt, legte auch Andreas Till Hand an den riesigen Plastik-Rührstab. Will man davon eine „Till-Limited Edition“ ableiten, wären es immerhin gut 4.000 Flaschen. Denn die in Verwendung stehenden Brennblasen sind unterschiedlich groß – zwischen 3.236 und 6.300 Litern – und werden abwechselnd für das Einweichen der Botanicals und zur Destillation verwendet. Die schönen alten Kupfer-Pot Stills, an denen man zwischen dem ehemaligen Botanical Room und der eigentlichen Produktion vorbeiläuft, sind reine Deko bzw. Reserven. „Als die Qualität des neutralen Alkohols noch stark schwankte, hat man hier auch destilliert“, klärt „Seb“ Hamilton-Mudge auf. Beibehalten hat man aber auch bei den Kolonnen-Destillen das Einweichen der Botanicals; erst nach der Mazeration der Steep wird destilliert. Und so stimmt auch das von Till angesprochene Gerücht, dass der kräftiger, am Freitag eingeweichte, aber erst Montag destillierte „Monday Gin“ immer der Produktion einer Woche beigemischt wird.

Bei diesem Verfahren werden die einzelnen Komponenten zu unterschiedlichen Zeiten flüchtig, als erstes kommen die Orangen- und Zitronenöle durch. Der „Morning Cut“ riecht daher wie eine Bitterorangen-Marmelade, während der ebenfalls getestete „Mittagsgin“ deutlich erdigere Noten aufweist. Die richtige Aromatik zu erzielen ist also keineswegs leicht, zumal auch die Qualität des Wacholders eine Rolle spielt. In 25 Kilo-Säcken verpackt, lagern immer die Vorräte für zwei Jahre im Botanical Room, 15 Tonnen werden allein vom geschmacksdominierenden Wacholder jährlich verbraucht. Italien und Mazedonien liefern die besten Qualitäten, doch der Blend aus drei bis fünf Sorten wird jährlich neu zusammengesetzt. „Das nennt sich ‚The Big sniff‘, da legen wir die Muster in Neutralalkohol ein und analysieren dann im Labor“, so die Herren vom Kessel. 200 Samples werden pro Ernte getestet, denn: ohne einen kontinuierlich guten Wacholder-Blend keine Aroma-Kontinuität, lernen wir.

Einen Tee-Gin im Tee haben

30,5 Millionen Flaschen Gin verließen im Vorjahr die Destillerie neben dem Cricket-Stadion Kennington, sie gehen auf das Rezept von James Burrough zurück, der ab 1870 neben vielen weiteren Spirituosen auch mit Gin experimentierte. Das Portrait des Gründers, der die noch heute für das Aroma wesentlichen Bitterorangen 1879 erstmals in einem Rezept schriftlich festhielt, hängt auch heute noch im „Director’s Office“. Heute ist es der Arbeitsplatz Desmond Paynes, der 1969 bei Plymouth Gin begann und sich dort zum Distillery Manager hocharbeitete. Knapp 40 Jahre später durfte dann sein erstes eigenes Rezept gebrannt werden. 2008 kam mit dem Beefeater 24 die von einer Asien-Reise inspirierte Variante Paynes auf den Markt, die Tee als Botanical einsetzte. Bei der Backstage-Führung durch die Destillerie gab es daher auch eine Kostprobe der beiden Tees, die dem „24“ neben der Grapefruit-Schale das Aroma geben. Der japanische Sencha unterscheidet sich dabei deutlich vom chinesischen Tee, der vor allem das Tannin und somit eine gewisse Struktur beisteuert.

Thymian nur für die Gäste

Und natürlich durfte bei der Verkostung auch nicht die „endemische Edition“, also der nur in der Destillerie erhältliche Gin, fehlen. 2014 zur Eröffnung des Besucherzentrums der Destillerie kreiert, sorgen beim „London Garden“ wiederum Thymian und Zitronenverbena für ungewöhnliche, herbale Noten. Wie sich der rare Gin im Drink macht, kosteten die deutschen Gäste in Ryan Chetiyawardanas Dandelyan nach, der einzigen Bar, die einen Signature Drink damit mixt. Die Cocktails stellten den Auftakt für einen Besuch bei den Namensgebern des Gins dar. Denn die Yeoman Wardens, wie die am Tower-Gelände lebenden Wächter in ihren roten Uniformen offiziell heißen, sind nicht nur das Logo und der Namensgeber von Beefeater, es herrscht auch eine freundschaftliche Verbindung.

Davon profitierten auch Bar-Künstler Claus Föttinger und Andreas Till nach der nächtlichen „Ceremony of the Keys“, dem seit über 700 Jahren vollzogenem Schließ-Ritual der drei Tore. Denn die aktuell 38 Wächter, allesamt Militär-Veteranen mit einer verpflichtenden Auszeichnung, unterhalten auch eine eigene Bar. Die Wanddekoration und die historischen Sammelstücke („Unsere Uhr ist älter als euer Land, sag ich den Amerikanern gerne“) sorgen für eine besondere Atmosphäre zu den Gin & Tonics, die durch die Anekdoten des Lieutenant Commanders noch verstärkt wurde: „Um hier geköpft zu werden, musstest Du ein Freund des Königs sein“.

Neu! Fassgereifter „Beefeater“

Dann doch lieber zurück in die weniger martialischen Hallen der Destillerie, die dem alten London ebenfalls einige Räume widmet. Denn das kleine Gin-Museum zeichnet „das erste echte Drogen-Problem“ (Hamilton-Mudge) nach, den von William Hogarth verewigten Gin Craze. Witzig wird im „House of Gin“ auch auf die Prohibition verwiesen, ehe die goldenen Drink-Zeiten samt Originalplakaten („Echt Londoner Trockenheit aus der Flasche“, hieß es etwa in den 1970ern in Deutschland) visualisiert werden.

Den Abschluss der Tour bildete ein Besuch im Reifekeller. Denn mit der Einführung der „Burrough’s Reserve“ verfügt man auch über einen fass-gelagerten Gin. Wobei es hier mehr um Aroma als um Farbgebung geht, wie Hamilton-Mudge beim Verkosten auf die blassgelbe Färbung hinweist: „Der Gin-Charakter soll immer noch erkennbar sein“. Geheimnisse hat man bei Beefeater wenige. Nur über die im Hintergrund lagernden experimentellen Fässer, die möglicherweise die bisher für die Burrough’s Reserve verwendeten Ex-Jean Lillet-Casks ablösen, wurde mit den Besuchern Stillschweigen vereinbart. Nur so viel: Auch sie stammen aus Frankreich. Wenn Puristen jetzt die Nase rümpfen – macht der Wacholder jetzt auf Whisky? – erklärt ihnen Ex-Bartender Hamilton-Mudge gerne das Schöne am Gin, nämlich seine Vielseitigkeit: „Gin ist nicht wie die High End-Malts, die nur in ‚einer‘ Welt zuhause sind – wir sind bei den Martinis im Hotel Savoy, aber auch im geerdeten Pub, außerdem bei der Oma, die schon 50 Jahre Gin & Tonic trinkt“. Das wird wohl auch in den nächsten 145 Jahren Beefeater so bleiben.

 

Offenlegung: Medienpartnerschaft

Credits

Foto: Alle Fotos via Pernod Ricard (Fotograf: Claus Föttinger)

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