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Der Punk-Winzer und die Spirituosen

Wo Roms Legionen einst Barbaren abwehrten, wird heute Rum und Tequila der The 86 Co. verpackt. Die Selektion, hinter der u. a. Dushan Zaric („Employees Only“) steht, hat als Importeur für die GSA-Region den österreichischen Winzer Christoph Artner gefunden.

„Natural Daiquiri“ kommt Christoph Artner mittlerweile recht problemlos über die Lippen. Dabei war es der kahlgeschorene Weinbauer bis vor einem Jahr gewohnt, über Leitha-Kalk, Terroir und die römische Tradition seiner Heimat zu reden. Artner stammt aus Höflein in Niederösterreich, das schon deshalb nicht viele kennen, weil sofort die Frage folgt: „Welches Höflein“? Carnuntum kennen dann schon mehr Getränke-Freunde, denn die Rotwein-Region ist eine der Zweigelt-Hochburgen der Alpenrepublik. Der Namensgeber der Sorte, Prof. Fritz Zweigelt, der sogar im Weingarten einen Kampf gegen „Amerikaner-Reben“ führte, war dabei nicht wenig NS-belastet.

Doch der wesentliche Grund, seine Weine losgelöst von Sorten zu vermarkten, war für Artner ein anderer: „Auf Weinmessen erreichten wir einerseits immer die gleichen Leute. Zum anderen aber war das ganze Reden über Lagen-Bezeichnungen und Rebsorten vielen egal, die wollten einfach Spaß beim Weintrinken haben“. Die Gründung von Punk’s Finest mit dem DJ und Soul-Radiomoderator Gerald Travnicek (beide halten 50% des Unternehmens) stellte daher einen logischen Schritt für Artner dar: Etiketten wie Tattoo-Motive, Namen wie “Rosy Cheeks” und ein unkonventioneller Auftritt mit viel Musik brachten bald den Erfolg in der Szene-Gastronomie – und hier beginnt auch der Weg in die Bar.

Flaschen-Design gegen Bar-Hektik

Denn einer der größten Fans wurde der Manager des Wiener „25 hours“-Hotels, Johannes Lehberger. Der kannte das Spirituosen-Portfolio der The 86 Co. aus seiner US-Zeit in Austin/Texas und hätte es lieber heute als morgen in seiner Dachboden-Bar gesehen. Doch ohne Gewerbeschein als Getränkehändler geht das in Österreich erst einmal „sicher net“.

Im Gespräch mit Weinlieferant Artner kam man aber bald darauf, dass der auch in die USA exportierende Winzer diesen ja besitzt. „Beim Blick auf die Homepage haben mich gleich einmal die Etiketten und die Flaschen-Gestaltung beeindruckt“, erinnert sich Christoph Artner an die Anfänge seines neuen Geschäftsfeldes.

Die ergonomische Flasche, bei der nicht nur Flair-Bartender in der Sekunde erkennen, dass sie gut in der Hand liegt, wurde für alle vier Spirituosen der New Yorker Firma entwickelt. Bei der Namensgebung und den Logos unterscheiden sich Vodka, Gin, Rum und Tequila aber deutlich. Bei der Präsentation des Portfolios musste man Dan Warner, den britischen Brand Ambassador, förmlich einbremsen, so sehr verlor er sich in den Details des Gebindes. Warner war der erste Ansprechpartner für Artner. Die Chemie mit dem neuen Importeur für Österreich und die Schweiz dürfte gepasst haben. Immerhin liegen zwischen „Punk’s finest“ und dem Claim der „86er“ – Noise and Spirits – auch keine Welten: „Auf das Festlegen von Mindestabnahme-Mengen haben wir daher verzichtet.“

Ein neues Portfolio der wichtigsten Bar-Spirituosen ist schließlich in seinen Erfolgsaussichten schwer kalkulierbar. Laut Importeur Artner sei momentan der Winterweizen-Vodka Aylesbury Duck am schwierigsten neben den etablierten (Konzern-)Marken zu positionieren; der in Calgary gebrannte Klare wird wie alle „86 Spirits“ in Mendocino abgefüllt. Im zart-süßlichen Geruch finden sich Lakritze, weiße Trauben und etwas Bergamotte-Öl. Hier wurde zumindest kein Vodka x-fach bis zur Geschmacksfreiheit destilliert. In der Tat hat der Aylesbury Duck Würze. Was man gemeinhin mit Roggen-Vodka assoziiert, schafft hier aber Weizen aus Kanada. Ein wenig Gletschereis-Bonbon (die süßliche Nase täuschte nicht), viel pfeffrige Würzigkeit und ein langes Finish zeichnen den 40%-igen Neuzugang aus.

Himbeeriger Rum, zitrischer Gin

Fords Gin wiederum stammt von den Thames Distillers in London und wurde nach Simon Ford, einem der Eigentümer der The 86 Co. (u. a. sind auch Dushan Zaric und Jason Kosmas von New Yorks Employees Only dabei) benannt. Er kann als britischer „old school“-Gin bezeichnet werden; Wacholder dominiert den mit 45 Prozent Alkohol kräftigsten der vier Brände. Die Botanicals listen neben Koriandersamen und der Trias Oris, Engelswurz und Cassia-Rinde eine aromastarke Zitrus-Kombination aus Bitter-Orangen, Zitronenschalen und Grapefruit-Zesten auf. Das Mundgefühl ist viskos, die eigentliche Überraschung liefert aber die Milde des nach grünem Apfel, floralen Anteilen wie Rose und grünem Pfeffer schmeckenden Gins.

Definitiv eigenwillig hingegen riecht der aus Panama stammende dreijährige Caña Brava-Rum (bei dem man gern auf die Rezeptur eines von Fidel Castro vertriebenen kubanischen Rum-Ministers verweist): Himbeere pur, dazu noch eine kühle Zitrusnote und etwas Orangenminze lassen eher an ein Fruchtdestillat denken. Die ungewöhnliche Kombination sorgt auch am Gaumen zunächst für Irritation, ab der Mitte hängt die Welt aber wieder gerade: Das ist klassischer Rumgeschmack. Karamell-Noten und milde Fruchtigkeit halten bis ins Finish an – wie der Vodka kostet er ca. 32 Euro pro Flasche.

Der „Schädel“ ist der Kopf der Range

Womit wir beim Star der Kollektion wären: Der in Bar-Kreisen schon seit längerem gelobte Tequila mit dem Totenkopf-Logo und dem Namen Cabeza (zu Deutsch: Schädel), der mit 45,50 Euro pro Flasche auch die kostenmäßige Spitze im Sortiment darstellt. Das in Arandas im Bundesstaat Jalisco erzeugte Destillat lässt die Agave mit ihrer leichten Honignote schon im Duft strahlen. Dazu gesellen sich noch Anklänge von weißer Schokolade, Zitrusfrüchte und etwas grüner Ananas.

Im Mundgefühl zeigt sich der Cabeza weich und beginnt mit einer grünen Frische, die irgendwo zwischen Staudensellerie und grünem Pfeffer angesiedelt ist. Die Fruchtigkeit trägt den unfiltrierten Tequila, Würze und Frische verbinden sich gegen den Abgang zu. Im Finish wird daraus ein erdiger Geschmack, der an die wurzelige Herbheit von Kurkuma und Enzian gemahnt.

Für die Margarita scheint er damit prädestiniert, aber auch ein Tequila Sour mit Agavenhonig und Limette, wie ihn Andreas Trattner in der Dachboden-Bar als namenlosen Cabeza-Signature serviert, schmeckt. Die Geschichte der Range von Ford und Zaric ist mit diesem Quartett noch nicht abgeschlossen, soeben hat sich Christoph Artner in New York die ersten Samples des siebenjährigen Caña Brava abgeholt. „In der zweiten Jahreshälfte sollten wir den dann bekommen“, freuen sich Travnicek und Artner auf die Fortsetzung ihres „spirit-istischen“ Abenteuers.

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