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Red Lion Cocktail: nicht bissig, aber fruchtig

Der Red Lion Cocktail ist zwar nicht rot, macht aber trotzdem Lust auf mehr. Ein süffiger Klassiker, der ausnahmsweise nicht „stark, braun und bitter“ ist. Doch nicht umsonst gehört er zu den Oldies an der Bar. Zu Recht?

Nachdem in den letzten Wochen in dieser Rubrik hauptsächlich moderne Drinks und Eigenkreationen vorgestellt wurde, wird es mal wieder Zeit für einen „Oldtimer“. Für einen Drink mit Geschichte, der aber nicht nur beinharten Puristen gefällt, sondern das Zeug dazu hat, auch Cocktailnovizen zu begeistern.

Leichte Frucht, voller Charakter

Auch wenn einem so manches Speakeasy-Konzept gern etwas anderes glauben lassen möchte: Menschen hierzulande stürzen nicht nur Mixturen aus hochprozentigen Alkoholika hinunter, sondern nehmen gern auch Drinks zu sich, die einem nicht nach dem ersten Glas die Schuhe ausziehen.

Sieht man sich die Geschichte hinter dem Red Lion an, entdeckt man einen recht imposanten Stammbaum für diesen Drink. Entstanden für einen Londoner Cocktailwettbewerb, errang Arthur Tarling mit dieser Kreation 1933 den ersten Platz, und der Red Lion dürfte somit einer der ganz wenigen Wettbewerbsdrinks sein, die es fortan wirklich in die Reihe beständiger Klassiker geschafft haben und auch nach 80 Jahren noch gemixt werden.

Unter den wachsamen Augen von Harry Craddock

Ein Jahr später war es übrigens W.J. „Billy“ Tarling, wie Arthur ebenfalls im Café Royal tätig und Urheber des Café Royal Cocktail Book, der mit niemand Geringerem als einem gewissen Harry Craddock die United Kingdom Bartenders Guild ins Leben rief – eine Berufsgilde, die auch heute noch existiert. Der Red Lion stammt also aus einem Umfeld, das wahrlich Bar-Historie atmet.

Der Drink an sich ist eine fruchtig-herbe Mischung mit viel Orange und einer angenehmen Säure. Kein aromatischer, Wunderkelch der einen bei jedem Schluck in neue Geschmackswelten transportiert, aber ein eleganter Cocktail, der sich nicht ohne Grund über die Jahre in den Barkarten halten konnte.

Ein Hauch der bunten 90er!

Maren Meyer vom MeyFeld GenussKlubb in Hannover erinnert sich daran, dass der Red Lion Bestandteil beinahe jeder Karte mitte der Neunziger Jahre war. „Der Cocktail lief immer unter der Kategorie Klassiker. Ein einfacher und ehrlicher Drink, vielleicht ein wenig unaufgeregt, aber nicht schlecht. Meistens wurde der originalen Rezeptur ein Spritzer Grenadine hinzugefügt um den Namen des Drinks wieder aufzugreifen.“ Die Grenadine lässt man heutzutage allerdings lieber wieder weg.

Johannes Möhring, Barmann in der Schumann’s Bar in München, betrachtet den Cocktail als überaus geeignete Grundlage für weitere Drinks: „Der Red Lion ist ein Cocktail, den man durchaus im Repertoire haben sollte. Vor allem, weil er eine gute Ausgangslage ist, um andere Twists drumherum zu kreieren.“ Er persönlich empfiehlt allerdings lieber einen Monkey Gland Cocktail. „Ein ähnliches Geschmacksmuster, dabei aber vielschichtiger und ausgewogener.“

Der Klassiker als Instant-Twist

Wie für viele alte und klassische Cocktails, gilt auch für den Red Lion: Er funktioniert als stimmiger Drink und eignet sich zusätzlich hervorragend als Basis, um mit modernen Zutaten und Techniken einen vielleicht etwas komplexeren Cocktail daraus zu stricken. Doch es soll ja, siehe oben, manchmal auch einfach leicht und erfrischend sein. Und rote Löwen brüllen zwar laut, aber eben einfach etwas charmanter.

 

Credits

Foto: Orangen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker

Comments (2)

  • Vincent

    Im Original und in “besseren” Bars wird wahrscheinlich der Cordon Rouge verwendet?

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    • Redaktion

      Hallo Vincent,

      ein berechtigter Einwand! Du hast natürlich vollkommen Recht: Wir waren grundsätzlich vom Rouge ausgegangen, da dieser doch als heutige Standardqualität oder “First Choice” angenommen werden darf. Ich kann nicht endgültig sagen, welche Abfüllungen zur Entstehungszeit des Red Lion gängig bzw. erhältlich waren, doch aus zeitgenössischer Sicht sollte nichts am Cordon Rouge vorbeiführen. Nichtsdestotrotz vielen Dank für den Hinweis.

      Viele Grüße,
      Nils Wrage

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