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rote beete negroni

Volker Seibert beetet den Negroni an

Großen Klassikern in Form eines Twists nahezukommen ist ein schwieriges Unterfangen. Volker Seibert gelingt dies mit seinem Rote Beete Negroni dennoch fulminant. Dem Kölner Bar-Urgestein zur Seite stehen dabei ein Brenner aus Südbaden und eine seltene, italienische Abfüllung aus den 1970er-Jahren.

Es gibt da eine unausgesprochene, aber vielfach respektierte Regel unter Bartendern: „Twiste nichts, was nicht besser als das Original oder ansatzweise ähnlich gut werden kann!“ Sie werden sich nun fragen: Wer sind diese unantastbaren Klassiker aus dem großen Bar-Manifest? Ein Martini, ein Old Fashioned? Der Gimlet oder vielleicht doch der Negroni?

In der Tat ist der nach dem italienischen Grafen Negroni benannte Drink, bestehend aus nur drei Komponenten, aufgrund seiner weitreichenden Aromatik nicht nur ein absoluter Liebling vieler Barflys, sondern auch ein Klassiker, wie er im Buch steht. Gin – Wermut – Campari. Die liquide, heilige Dreifaltigkeit also. Warum nun noch groß abwandeln und vor allem wie?

Rote Beete Negroni: regional ideal

Lange Zeit war es gang und gäbe, ja regelrecht ein kleiner, zumindest deutschlandweiter Trend, möglichst regionale Zutaten in den Drink mit einfließen zu lassen. Ob Kamille, Dill, Sauerampfer, Petersilie oder eben auch Rote Beete. Sie alle wurden ­– teils inflationär – infusioniert, extrahiert, dekoriert und in zumeist witzig gedachten Wortspielen auf den Karten des Landes platziert. Ist dann ein Rote Beete Negroni überhaupt noch „state of the art“ und innovativ, oder anders gefragt: Warum berichten wir dann drüber?

Vorab gesagt: Weil es sich lohnt! Und wie. Altmeister und Kölner Bar-Urgestein Volker Seibert gelingt mit seinem Twist auf den All-Time-Classic nicht nur eine dem Original würdige Abwandlung, er greift auch die immer mehr an Gewicht gewinnende Diskussion um deutsche Destillate auf und thematisiert sie exemplarisch in seiner Rezeptur.

Mit dem Rote Beete Geist aus den Händen von Florian Faude beschreitet Seibert einen deutlich moderneren Weg als viele seiner Kollegen vor drei Jahren. Anders als „stumpf“ das Kraut, das Gewürz, die Gemüsesorte oder die Frucht zu infusionieren, als Shrub zu verarbeiten oder gleich im Drink als solche mitzushaken, ist die Präsenz des regionalen Produkts im Geist oder Brand deutlich geschärfter. Nicht nur wird so die intensivierte Weitergabe der einzelnen Aromen zwecks genau abgestimmter Destillation ermöglicht, der Drink behält das Prädikat des Klassikers, der nur Spirituosen beinhaltet.

Rote Beete Negroni from Down South

Florian Faude unterstreicht beim Konzept der regionalen Produktion vor allem die Qualitätssicherstellung. „Wir benutzen regionales Obst ja vor allem, weil wir hier in Südbaden in einer der fruchtbarsten Regionen in Deutschland leben. Es wächst fast alles hier und jede Region hat seine ganz eigene, besondere Qualität. Generell scheue ich niemals, meine Produzenten selbst zu besuchen und ihre Felder abzugehen. Ich möchte immer wissen, was in meiner Flasche ist. Es steht ja mein Name drauf“, so Faude.

Die Tatsache, dass zunehmend Bartender mit Obstbränden arbeiten – unter anderem die Mehrheit der Finalisten der diesjährigen GSA-Ausgabe – erklärt er sich mit der Vielzahl der Möglichkeiten. „Obstbrände sind einfach enorm facettenreich und bilden damit eine willkommene Grundlage für den ambitionierten und interessierten Barkeeper, seinen Cocktails einen neuen Horizont zu verleihen“, erklärt Florian Faude weiter.

Campari Vintage Edition: Das gewisse Etwas im Rote Beete Negroni

Doch Volker Seibert setzt bei seinem Negroni-Twist noch einen drauf. Den Gin durch den feinen, erdigen, rübigen und leicht rauchigen Geist aus dem Hause Faude substituierend, fließt auch eine ganz besondere Abfüllung des Campari in seinen Drink. „Die 1970-er Jahre-Abfüllung ist bekannt für ihren samtigen Teppich. Generell ist sie auch deutlich smoother“, so Seibert. Im Zusammenspiel mit dem Wermut, dem fruchtig-intensiven Cocchi Vermouth di Torino, wird der Rote Beete Negroni schlussendlich mit zwei Scheiben eines frischen, mindestens 24 Monate gereiften Parmesans abgerundet.

Volker Seibert ist mit seinem Twist auf den unsterblichen Klassiker ein kleines Meisterwerk gelungen. Stimmig und allzu präsent durch die Rezeptur hinweg schlägt der Rote Beete Negroni Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, vermählt Vintage-Feeling einer seltenen Abfüllung mit der Destillierkunst der Neuzeit. Ein Drink zum Genießen. Auch der Graf hätte seine Freude gehabt.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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