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Quereinsteiger als Brauer

Sicherlich: Bier brauen kann man richtig lernen, mit Meisterabschluss. Muss man aber nicht. Gerade in der Craft Beer Szene sind mutige Autodidakten oft ganz weit vorne.

Vor etwas mehr als einem Jahr noch begannen Martin Schupetas Arbeitstage damit, dass er seinen Laptop aufklappte, das Telefon ein bisschen näher rückte und sich auf seinem Schreibtischstuhl fallen ließ. Sie endeten damit, dass Schupeta irgendwann, wenn es draußen schon wieder dunkel war, den Laptop wieder zuklappte und – endlich! – die Krawatte abnahm.

Vom Banker zum Brauer

Bis vor etwas mehr als einem Jahr war Martin Schupeta noch Banker. Das hat er gelernt und studiert, als solcher hat er in Düsseldorf, London und Hamburg gearbeitet. Heute ist Martin Schupeta Brauer. Das hat er weder gelernt, noch studiert, bisher arbeitet er als solcher vor allem in seiner heimischen Küche, die zugleich Versuchsbrauerei, Lager und ein bisschen auch Büro seines nigelnagelneuen Bierunternehmens „Von Freude“ ist.
Und Martin Schupeta sieht aus wie ein sehr glücklicher Mann.

„Wir haben wahnsinnig viel Literatur zum Thema Bierbrauen gelesen, auch im Internet. Aus den Hobbybrauer-Foren kann man viel lernen“, erzählt Natalie Warneke, die Freundin von Martin Schupeta. Ebenfalls glücklich und ebenfalls seit kurzem Brauerin. Eigentlich hat die 31-Jährige Textil- und Bekleidungsmanagement studiert und bis vor einem halben Jahr noch für das Hamburger Modelabel Tom Tailor gearbeitet. Dann brachten sie und ihr Freund sich das Biermachen bei, und zwar so richtig, mit dem festen Plan vor Augen, irgendwann davon leben zu können. „Das hilfreichste waren die vielen, wirklich spannenden Gespräche mit anderen Brauern. Richtigen Braumeistern“, sagt sie. Und der Rest – Trial and Error.

Gegen den Mainstream-Mist

In der Craft Beer Szene hört man solche Geschichten immer wieder. Eigentlich ja auch ganz logisch: Die ganze Idee, die Craft Beer Bewegung, geht ja auf gern-besseres-Bier-trinkende Amateure wie Warneke und Schupeta zurück, Leute, mit ganz normalen Jobs, die irgendwann anfingen, selber zu brauen. Als Gegengewicht zum Mainstream-Mist. Aus Neugier. Oder aus der festen Überzeugung, es selber besser zu können. Berühmtestes Beispiel: Mikkel Borg Bjergsø, Gründer der dänischen Weltstar-Craft-Brauerei Mikeller. Ist eigentlich Mathe- und Sportlehrer. Oder James Watt von Brew Dog. Hat Jura studiert. Und als Fischer gearbeitet. Greg Koch, Stone Brewing: Musiker. Kein Witz! Brauen hat der nie gelernt.

Bierbrauen ist nun einmal nicht Rocket Science. Jeder, der einen großen Kochtopf zu hause hat, kann es ja mal ausprobieren. Malz und Hopfen schnell übers Internet bestellen, Plastikeimer und Sieb bereitstellen, ein Gummischlauch, Gärballon – reicht. Was rauskommt muss nicht unbedingt schmecken – oder aber es haut einen um. Und dann stehen die Chancen gut, dass wieder einmal jemand seine zweite Karriere entdeckt hat.

So geschehen bei Johannes Heidenpeter. Eigentlich bildender Künstler mit Abschluss von der Akademie der Künste in Berlin. Aus einer Laune heraus braute er vor vier Jahren zum ersten Mal selbst. „Von da bis hierher hat sich das total verselbstständigt, es ist irgendwie immer mehr geworden“, sagt er. So viel nämlich: Mittlerweile betreibt Johannes Heidenpeter im Keller der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg eine eigene Brauerei, in der Halle darüber schenkt er Donnerstag bis Sonntag sein Bier aus,  Heidenpeters. Seit Sommer letzten Jahres ist Brauer nun sein Hauptberuf. Das Beste daran: „Ich bin jetzt zum ersten Mal in meinem Leben ein total freier Mensch ohne einen Chef, der mir sagt, was zu tun ist.“

Bier als Collage

Seiteneinstiegsbrauer wie Heidenpeter oder das Paar aus Hamburg gehen, eben weil sie es ja nie anders gelernt haben, das Brauen bisweilen recht unkonventionell an. Was das Ergebnis oft verbessert: Für Johannes Heidenpeter ist ein Bier fast so etwas wie eine Collage – sein Steckenpferd damals, als Künstler. „Es ist wie komponieren: Man hat den Malzkörper und fügt dann Hopfen hinzu, wenn dann noch der Kick fehlt packt man das Bier eben noch mal in den Tank oder ballert ein paar Früchte drauf.“ Warneke und Schupeta erzählen, dass sie Hopfensorten „verkosten“, indem sie Pellets aufbrühen wie Tee und dann daran riechen. Lernt man in der Brauerausbildung wohl auch nicht so. „Wir brauen eben, wie wir kochen“, sagt Schupeta und meint damit: kreativ, experimentierfreudig und irgendwie furchtlos.

Einer, der eigentlich nicht vom Fach ist, den aber selbst meisterbriefgekrönte Brauer für sein Bier und Wissen bewundern, ist Fritz Wülfing. Ingenieur. Verfahrenstechnik. Bei der Deutschen Telekom. Eigentlich. Darüber hinaus ist Wülfing aber auch einer von Deutschlands – ja, das kann man ruhig so sagen – altgedientesten Craft Brewern mit seiner Biermarke Ale Mannia (aka Fritz Ale) . Wülfing sieht die Amateur-Brauer sogar ein bisschen im Vorteil: „Brauer sind ja alle Spezialisten, die meinen sie können sowieso alles brauen“, sagt der Bonner und lächelt. Ganz leise. Er meint das ja nicht böse, nur ehrlich: „Wenn man denen sagt, schaut mal, was die in Amerika für tolle Biere brauen, sagen die: Ach, das könnten wir auch, wollen wir aber nicht, wir wollen nur unser Helles! Ich habe aber leider feststellen müssen, dass das so nicht stimmt. Wer länger in einer normalen Brauerei arbeitet, ist oft so festgefahren, dass er immer gern wieder in seine immer gleichen Brauarten verfällt – auch wenn er’s anders könnte.“

Manchmal scheint es eben fast gescheiter, wenn man etwas eigentlich gar nicht gescheit kann.

Comments (2)

  • Frank Reuter

    Hallo, ich habe ebenfalls Interesse als Quereinsteiger den Beruf des Brauers zu erlernen, bitte kontaktieren Sie mich für weitere Informationen.

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    • Redaktion

      Lieber Herr Reuter,

      da haben Sie womöglich etwas missverstanden: Wir alle hier bei MIXOLOGY lieben zwar Bier, allerdings bilden wir keine Brauer aus, auch keine quer einsteigenden.

      Herzliche Grüße
      // die Redaktion

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