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Sieben Fakten über den Korn

Er ist der abgefuckte Cousin von Whisky und Vodka. Deutschlands Malocher-Spirit Korn hat dabei eine lange Geschichte und kann es durchaus auch nobel. Doch schätzt man das hierzulande auch so richtig?

 

Die Four-Letter-Words für einen gediegenen Feierabends lauteten jahrzehntelang Skat, Bier und Korn. Es mag stiller um die Kategorie Getreidebrand geworden sein, wenn es mal nicht um Whisky geht. Doch Korn ist immer noch die deutsche Spirituose schlechthin.

1) Der deutsche Whisky. Wer hat ihn erfunden?

Die Anfänge der Getreidedestillation liegen ein wenig im Dunkel des Spätmittelalters, doch um 1400 herum setzt der Siegeszug des Malocher-Drinks ein. Definitiv klar belegt ist der Erfolg des Klaren ab 1545. Damals wurde – ebenfalls typisch deutsch – das erste Brennverbot ausgesprochen. Ähnlich wie beim Reinheitsgebot für Bier sollte nicht das gute Brotgetreide „versoffen“ werden. Ironischerweise machten sich vor allem Brauereien für das Verbot des Getreidebrennens stark.

A propos Reinheitsgebot: Der Korn selbst kam ab Mitte des 19. Jahrhunderts mächtig unter Druck, da Kartoffeln weitaus günstiger gebrannt werden konnten. Findige Brenner pantschten daher kurzerhand den Getreide- und Kartoffelbrand, zudem erlaubte die neu erfundene Kornwürze das Maskieren von Fremdgeschmäckern. Erste Qualitätsvereinigungen – etwa für den Nordhäuser Korn – traten dagegen auf und 1909 trat das Reinheitsgebot für den Getreidebrand in Kraft.

2) Wow! Der Arbeiterdrink hat so viel Tradition?

Die Westerwälder Brennerei Weyand in Unnau etwa verweist noch heute mit dem Namen des „Original Anno 1806“ auf die über 200-jährige Rezeptur. Warnecke in Bredenbeck am Deister kann auf 1826 als Gründungsjahr verweisen und versorgte dereinst Bergmänner mit ihrer täglichen Ration. Bis 1758 hingegen reicht die Tradition der als „Kornbrennerei Berentzen“ gegründeten Emsländer Produzenten zurück, die mit dem „Apfelkorn“ 1976 einen nach wie vor legendären Produktlaunch auf Korn-Basis hinlegten.

Als der Ratsherr Johann Bernhard Tobias Berentzen in Haselünne seine Destille gründete, war er übrigens der 26. Kornbrenner im Ort. Es wurde also durchaus gebechert Anno Goethe. Noch älter unter den aktiven Brennereien ist die 1700 als Gräflich von Hardenberg’sche Kornbrennerei gegründete Destillerie im Niedersächsischen.

3) Wer trinkt Korn schon zum Frühstück?

Der absolute Methusalem unter den Kornerzeugern heißt Schwarze&Schlichte und kann auf eine erste Erwähnung aus dem Jahr 1664 verweisen. Die damalige „Westfälische Kornbrennerei Friedrich Schwarze“ nützte die Kornkammer Münsterland als Standort. Und auch eines ihrer wichtigsten Produkte, heute der beliebteste Korn Nordrhein-Westfalens, verdankt seinen Namen der Geschichte: „Frühstückskorn“ klingt wie ein gesundes Milch-Schälchen voller Cerealien, geht aber auf den Tagesstart der Feldarbeiter zurück. In der ersten Pause wurde zum zweiten Frühstück eben der 34-prozentige Korn genossen. Eventuell richteten sie dann gleich ihr Bett im Kornfeld her.

4) Nette Geschichten, aber wer trinkt heute noch Korn?

Sein Image mag unter den Schlipsträgern in ihren Rooftop Bars nicht viel besser sein als das eines Obdachlosen-Zeitungsverkäufers, doch der Korn ist eine Macht in den Spirituosenläden. Mit einem Anteil am Gesamtmarkt von 14,2% hängt er den so gehypeten Gin um den Faktor 10 (!) ab. Selbst Whisk(e)y, der laut Bundesverband der Spirituosenindustrie (BSI) rund 10% am deutschen Markt hält, sieht dagegen schwach aus. Nur Wodka (17%) und die Sammelkategorie Liköre (28%) erfreuen sich eines höheren Zuspruchs. Der Anteil mag leicht sinken, doch immerhin bedeuten die Prozentzahlen konkret 98 Millionen Flaschen à 0,7 Liter, die 2013 in der Kategorie „Klare“ über den Ladentisch gingen. Hochburg mit einem Anteil von über 40% an den im Lebensmittelhandel verkauften Spirituosen ist Nordrhein-Westfalen, am wenigsten schmeckt er den Thüringern.

5) Muss Korn automatisch aus Weizen sein?

„Korn hieß immer das wichtigste Getreide einer Region“, präzisiert Elisabeth Zechner vom Saatgut-Züchter Edelhof im österreichischen Waldviertel. Dies erkläre auch die US-amerikanische Bezeichnung des Mais als „corn“ durch die Kolonisten. In Zechners Heimat hingegen war es der Roggen, aus dem ein bäuerliches Destillat für den Haustrunk erzeugt wurde. Aber auch der „Kemper’s Feiner Korn“ aus Olpe am Biggesee nützt den würzigeren Roggen als Ausgangsgetreide. 13.000 einzelne Körner sollen es für eine 0,7-Liter-Flasche sein.

Dennoch denkt man an Weizen, wenn die Rede auf einen Korn-Brand kommt. Rechtlich lebt der bäuerliche Sprachgebrauch fort; stammt die Maische vom Buchweizen, Hafer, Gerste oder Roggen, ist die Bezeichnung „Korn“ ebenso zulässig wie beim Weizen. Keine Alternative wären dafür Getreidesorten wie Hirse oder Mais, auch aus Reis wird niemals „Korn“.

6) Wie wird Korn eigentlich erzeugt?

An sich gibt sich der Gesetzgeber auch mit der rustikalen einfachen Destillation der (meist mit Gerstenmalz vermengten) Getreidemaische zufrieden. In der Regel wird dieser Rohbrand aber ein weiteres Mal zum Feinbrand destilliert, sodass am Ende Alkoholgradationen von etwa 65%/Vol. entstehen. Je nach Hausstil der Brennerei wird dann entweder mit destilliertem Wasser oder bewusst mit lokalem Quellwasser (für zarte Mineralisierung) auf Trinkstärke verdünnt. Ähnlich wie beim etwas östlich wohnenden Korn-Cousin Wodka entscheidet das Wasser, das ja gut zwei Drittel der abgefüllten Flüssigkeit ausmacht, über die Qualität mit.

32%/Vol. Alkohol muss der Korn beim Füllen aufweisen, für Doppelkorn sind es 38%. Dies gilt auch für Importe, denn alle Länder mit Deutsch als (einer) Amtssprache dürfen nach diesem Reglement Korn exportieren. Die einst ebenfalls zulässige Bezeichnung „Kornbranntwein“ (aus dem frühneuhochdeutschen Begriff „Kornbrant-Wyn“) existiert nicht mehr, nur Weinbrände dürfen heute als Branntwein deklariert werden.

7) Korn ist Klarer. Ist klar. Oder doch nicht?

Korn wird zwar gern als Klarer bestellt, doch die Transparenz der Flüssigkeit ist kein Muss. Auch fassgelagerte Bände auf Getreidebasis – wie man sie vom Gerstendestillat Whisky kennt – kommen in Deutschland auf den Tresen. Der Münsterländer Lagerkorn etwa verdankt seine Renaissance dieser Variante. 1996 wurde das Rezept des Großvaters von Rüdiger Sasse aus Schöppingen wieder abgefüllt – und wird es bis heute. Aktuell hat man zur dreijährigen Fassreife auch einen achtjährigen aus ehemaligen Bordeaux-Fässern im Programm. Soviel Noblesse hätte man dem ollen Korn wohl nicht zugetraut.

Credits

Foto: Lupe und Korn via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Comments (4)

  • Jürgen Müller

    Kurze Info, der Standort der Brennerei Weyand ins Unnau nicht Kirburg.

    reply
    • Redaktion

      Hoppala! Da ist uns ein Fehler unterlaufen, danke für den Hinweis. Das wurde soeben berichtigt!
      Liebe Grüße, das MIXOLOGY-Team

      reply
  • Peter Loibl

    Warum heißt Klarer ´Klarer´ und nicht auch Korn?
    Weil er weniger als 32% Alkoholgehalt hat? Wo ist der genaue Unterschied?

    reply
    • Mixology

      Lieber Peter,

      mit dieser Vermutung liegst Du bereits ziemlich richtig. Soweit wir die entsprechenden Verordnungen korrekt auslegen, darf erst dann »Korn« etikettiert werden, wenn der Alkoholgehalt des fertigen Produktes mind. 32% Vol. beträgt UND das Destillat ausschließlich auf Getreide basiert.
      Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, also wie bei vielen als »Klarer« in den Verkauf gebrachten Spirituosen der Alkoholgehalt deutlich niedriger, ist der Begriff »Korn« unzulässig. In vielen Fällen dürfte bei sogenannten »Klaren« aber auch zumindest anteilig anderen Agrar-Alkohol verwendet werden (z.B. aus Melasse, Rüben oder Kartoffeln), der schlicht günstiger ist als Getreide-Alkohol.

      Allen Fakten und Regeln und Vorschriften zum Trotz, ändert all das nichts ander Tatsache, dass natürlich in vielen Gegenden der Begriff »Klarer« auch für jeden Korn verwendet wird. Ich komme ja aus Schleswig-Holstein. Da kennt man sich mit solchen Dingen aus 😉

      Viele Grüße aus der Redaktion
      // Nils

      reply

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