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Im Bierhimmel: Top 10 Brauereien und Bierprojekte 2016

Welche Brauereien haben in diesem Jahr besonderen Eindruck hinterlassen? Auf welche Kreativbiere freuen wir uns im nächsten Jahr? MIXOLOGY-Bierexperte Peter Eichhorn mit einem Blick zurück, der gleichzeitig ein Blick nach vorne ist.

Das Bierjahr 2016 wird in Erinnerung bleiben. Das Jubiläumsjahr der Bierverordnung von 1516, heute allgemein als „Reinheitsgebot“ bezeichnet, sorgte dafür, dass Brauinnovation und Bierkultur flächendeckend kommuniziert wurden. Eine wachsende Zahl von Menschen erkundet die neue Biervielfalt und hinterfragt überholte Traditionen. Vage Bauchgefühle, etwa „warum Bio-Bier, wir haben doch das Reinheitsgebot“ oder „Orangenschale im Bier ist Teufelswerk“ werden zunehmend durch neue Kenntnis und echte Informiertheit ersetzt.

Mit Georg Schneider als Präsident des Bayerischen Brauerbundes e.V. wählten die Mitglieder einen Mann an die Spitze, der Traditions- und Innovationsbrauer wieder einen kann, um als Gemeinschaft das Thema Bier weiter voran bringen kann. Hoffentlich sind die zeternden Kommentare bezüglich Witbier oder Milk Stout bald Vergangenheit. Wenn Juristen veranlassen, dass Bier aus fragwürdigen Gründen ausgeschüttet werden muss, ist damit niemandem geholfen. Gerade die Mittelständischen sollten 2017 endlich begreifen, dass der Verbraucher ein neues Bewusstsein zu Zutaten, Verfahren und den Personen hinter dem Handwerk entwickelt. Die Brauer haben großartige Geschichten, Personen, Traditionen und Innovationen zu berichten. Sie sollten endlich anfangen, sie tatsächlich zu erzählen.

Auch im Alltag des Ausschanks, Handels und der Wahrnehmung von Brauspezialitäten können Entwicklungen beobachtet werden, die sich auch in 2017 fortsetzen werden. Was mögen die nächsten zwölf Monate bringen? Zumindest in den großen Städten kann es sich kein neues Gastronomiekonzept erlauben, das Thema „Bier“ auf der Getränkekarte zu ignorieren. Eine neue Wertschätzung sorgt für eine wachsende Vielfalt und eine Bereitschaft des Endverbrauchers, angemessene Preise für wertiges Handwerk zu entrichten.

Hoffentlich beginnt die Kreativbier-Szene nicht bereits jetzt, sich selbst zu zerfleischen. Craft Beer in Supermärkten ist kein unbekannter Anblick mehr, das Gefühl stellt sich ein, dass der Wettkampf um Regalmeter bereits begonnen hat und ein Preisduell um Zapfhähne entbrennt.

Ist die Zeit der Wanderbrauer vorbei? Früher fanden wir sie niedlich, die „Kuckucksbrauer oder Gypsy-Brewer“, oft Heimbrauer, die ohne Investition in eigenes Gerät an fremden Sudkesseln ihre Rezepturen brauten. Allzu oft konnte keine konstante Qualität erzeugt werden, auch weil eine komplette Kontrolle der Brauschritte nicht möglich war. Gut, dass eine zunehmende Zahl von früheren Wanderbrauern nun in eigene Anlagen investiert und die Ernsthaftigkeit ihrer Projekte und den Wunsch nach qualitativer Konstanz unter eigener Kontrolle unter Beweis stellt.

Die folgenden zehn Brauereien prägten und inspirierten 2016 und werden uns auch genussvoll durch 2017 begleiten, ob mit einem Pils oder mit einem Imperial India Pale Ale.

10) Steamworks Brewing Co.

Unweit von Vancouver erwirbt Eli Gershkovitz 1995 den historischen Gastown Brewpub. Darin entdeckt er ein uraltes Dampfheizsystem für Braukessel. Er macht es wieder funktionsfähig und ruft die erste neue Dampfbrauerei Kanadas ins Leben. Die Wurzeln der Familie liegen in Österreich und so liegt die Überlegung nahe, die Spezialitäten-Biere auch in der alten Welt verfügbar zu machen. Steamworks braut hervorragende Klassiker von Lager bis India Pale Ale, aber insbesondere filigrane Kreativbiere mit spannenden Zutaten, wie Jasmin oder Gurke.

Probiertipp: Killer Cucumber Ale

9) Buddelship

Ein Bierfachmann bemerkte kürzlich: “Während die Berliner Bier-Nerds alle aufgescheucht im Kreis herum rennen, überzeugen die Hamburger Kreativbrauer bereits mit echtem Handwerk und zuverlässiger Konstanz.” Allen voran Simon Siemsglüss. Der Braumeister teilt seine Brauspezialitäten in zwei Kategorien. Der „Heimathafen“ verschreibt sich traditionellen einheimischen Bierstilen, die Serie „Auf hoher See“ wagt sich an die internationalen Stile der Craft-Bewegung. Dazwischen überrascht er immer wieder mit saisonalen Spezialitäten. Egal ob traditionell oder kreativ, ober- oder untergärig, die Ergebnisse sind tadellos, wie auch die Ergebnisse im MIXOLOGY TASTE FORUM (MTF) beweisen, wo Buddelship in den Kategorien Pils und Schwarzbier siegte.

Probiertipp: Kohlentrimmer Schwarzbier

8) Põhjala

Der Craft Beer-Blick geht zunehmend nach Osteuropa und ins Baltikum. Die hohe Qualität der dortigen Biere hält jedem Vergleich stand, und so wählen die ersten Importeure bereits einige der faszinierenden Sortimente aus, um sie auch nach Deutschland zu bringen.

Aus Tallinn in Estland stammt  die Põhjala Brauerei. Gegründet im Jahr 2012, sind die Brauspezialitäten sehr ausgereift und schmackhaft, dabei auch zuweilen kühn und kreativ. Das Virmalised IPA, was soviel wie „Polarlicht“ bedeutet, setzt Maßstäbe in diesem Bierstil. Und die Biere, wie Gin-Gose oder das Roggen- und Birken-Porter, strotzen vor Wagemut.

Probiertipp: ÖÖ XO – Cognac Barrel Aged Imperial Baltic Porter

7) Private Landbrauerei Schönram

Wer das Logo mit dem historischen Wappen und der Frakturschrift sieht, mag nicht glauben, dass die Brauerei eine der kreativsten und besten Braustädten des Landes ist. Der aus Wyoming, USA, stammende Braumeister Eric Toft bringt seit 1998 US-Impulse in die Biere der Brauerei aus Oberbayern, die sich seit 1780 in Familienbesitz befindet. In der klassischen Traditions-Serie glänzt insbesondere das Schönramer Pils, das auch gerne als das beste Pils der Welt bewertet wird. Daneben zeigt eine innovative Serie rings um IPA und Imperial Stout, dass Tradition und Innovation sich nicht ausschließen.

Probiertipp: Grünhopfen Pils

6) Thornbridge

2005 füllte die Kult-Bierschmiede aus Derbyshire in den englischen East Midlands die ersten Fässer. Seither wurde Thornbridge mit Auszeichnungen überschüttet und von Cologne Style Ale über Vienna Style Lager bis Smoked Bock gibt es kaum einen Bierstil, in dem das Resultat nicht überzeugt. Erfolg und Nachfrage sorgten 2009 für den Bau einer zweiten Brauerei mit erweiterten Kapazitäten. Der Pionier des Craft-Brewing in England ist dank des Vertriebspartners Hofmark nun auch in Deutschland verfügbar.

Probiertipp: Thornbridge Chiron Pale Ale

5) Riegele

Seit fünf Generationen befindet sich die Augsburger Brauerei in Familienbesitz. Wobei die Geschichte der Braustätte mit der Brauerei “Zum Goldenen Roß” sogar bis ins Jahr 1386 zurück reicht. Sebastian Priller und Frank Müller verantworten die bewährten Sude rings um Kellerbier und Commerzienrat, riefen darüber hinaus aber auch die Serie der „BrauSpezialitäten“ ins Leben, in der Spezialitätenbiere und internationale Braustile eine zeitgemäße Seite moderner Bierkultur unter Beweis stellen.

Probiertipp: Noctus 100 Imperial Stout

4) Stone Brewing

Die kalifornische Kult-Brauerei im Zeichen des gespenstischen Gargoyles eröffnete 2016 ihre Brauerei in Berlin, wo nun Spezialitäten rings um Arrogant Bastard Ale und Xocoveza gefertigt werden. Dazu ein gigantisches Restaurant mit Bier-Bar und unzähligen Zapfhähnen. Neugierig blickt die Biergemeinde auf den Süden Berlins und fragt sich, wie der Ort angenommen wird, der beinahe schon in Brandenburg liegt. Jott Wee Dee, wie der Berliner sagt – janz weit draußen. Aber der Besuch lohnt. Die Küche des Restaurants ist beachtlich und neben den kühnen Kuriositäten aus dem Stone-Portfolio stehen auch Dutzende Biere befreundeter Brauer bereit. Stone bleibt ein Garant für spannende Biere und einen hohen Unterhaltungswert.

Probiertipp: Ruination Double IPA

3) Brlo

Der Name stammt von dem slawischen Ur-Wort für Berlin. Anfangs entstanden die Hauptstadt-Biere mit guter Craft-Einsteiger-Kompatibilität in Sudhäusern in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. 2016 war es endlich soweit und Braumeister Michael Lembke konnte die eigenen Braukessel in Betrieb nehmen. Ehemalige Überseecontainer wurden umfunktioniert und beherbergen nun Brauerei und Restaurant. Beständige Qualität und neue Kreativität des engagierten Braumeisters dürfen die Bierfreunde Berlins in 2017 nun zunehmend erwarten. Das Brlo Pale Ale hat sich in der Berliner Gastronomie bereits sehr gut durchgesetzt. Was kommt als nächster Coup?

Probiertipp: Brlo Porter

2) Hopfenstopfer

Braumeister Thomas „Hopfenstopfer“ Wachno darf sich immer wieder anhören, wie merkwürdig hässlich seine Etiketten anmuten. Es juckt ihn nicht, denn: Auf den Inhalt kommt es an und der Inhalt seiner Anti-Design-Flaschen ist beständig herausragend.

Der Craft-Brauer begann bereits 2008 damit, mit Kreativbieren in Bad Rappenau zu experimentieren. Während es um einige der „First Mover“, der frühen Kreativbier-Pioniere, deutlich ruhiger geworden ist, glänzt der Hopfenstopfer mit Beständigkeit und Bieren, die hohe Maßstäbe setzen. Sein Citra Ale ist womöglich das beste American Pale Ale eines einheimischen Brauers und seine saisonalen Spezialsude sind stets viel zu rasch ausverkauft. Möge er seine Etiketten gerne in dieser Anti-Kult-Variante beibehalten. Schön wäre nur, er würde mehr brauen.

1) Maisel & Friends

Der Name Maisel war lange Zeit mit einer hervorragenden Weizenbier-Tradition aus Bayreuth verbunden, die bis ins Jahr 1887 zurück reicht. Heute führt Jeff Maisel in vierter Generation die Geschicke des Brau-Unternehmens. Als einer der ersten Traditionsbrauer widmete er sich den innovativen Inspirationen der internationalen Kreativbiere und gründete die Marke Maisel & Friends, mit der er die experimentelle Seite der Bierwelt gemeinsam mit seinen Freunden umsetzen wollte. Der Erfolg der charaktervollen Sude in den eleganten Großflaschen rings um Jeff´s Bavarian Ale stellte sich rasch ein.

Das Bier-Engagement von Jeff Maisel wuchs und er gehörte zu den ersten, die behutsame Neuerungen im konservativen Bayerischen Brauerbund anregten. Dazu kam die Eröffnung von Liebesbier. Die Liebeserklärung an Braukultur umfasst 4.500 Quadratmeter mit Restaurant, Braumuseum, Holzfassspezialitäten, Verkostungen und mehr als 100 Bieren in Bayreuth. Innovation trifft Tradition, das Ganze gepaart mit Engagement, Kreativität und Weitsicht. So geht Bierkultur heute.

Probiertipp: Citrilla Wheat, Gemeinschaftsprojekt mit der Ratsherrn Brauerei in Hamburg

Credits

Foto: Foto via Maisel & Friends

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