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DIE MIXOLOGY-VERKOSTUNGSRUNDE MAI 2016

Bayswater Gin, Mezcal Meteoro, Herbarium Kräuterlikör und das neue Tonic Water der Bad Pyrmonter Quellen. Es bleibt abwechslungsreich in der Redaktion. Der Wonnemonat geht zu Ende, die Verkostungsrunde nimmt sich ein paar Produkte für den Sommer unter die gustatorische Lupe.

Aufgrund der zeitlichen Nähe könnte man natürlich auch meinen, es sei sinnvoll, einfach ein paar mögliche Biere für die kommenden, mit ordentlich Europameisterschaftsfußball gesättigten Tage zu verkosten. Doch vor den abendlichen Fußballgenuss hat sich die Redaktion wie immer die Arbeit gesetzt. Auf geht’s zur nächsten Verkostungstour mit Safran, Maracuja, neuem Tonic, einem herausragenden Mezcal und Kräuterlikör. Den Anfang aber macht – wie so oft – ein Dry Gin.

Bayswater London Dry Gin

So richtig weiß die eckige Flasche vom Bayswater nicht, wo sie stilistisch hin will. Schweres Glas mit einem etwas simpel wirkenden Labeldruck, dessen Transparenz den Blick freigibt auf einen alten Stich eines Gebäudes – mutmaßlich die Brennerei. Das ganze scheint ein wenig stückhaft und ohne erkennbaren Stil. Gleichzeitig gewinnt die Flasche durch das hohe Gewicht und den Korkstopfen einen durchaus wertigen Eindruck. Die Optik gefällt eben, oder auch nicht.

Geschmacklich ist der mit neun Botanicals in der traditionsreichen Thames Distillery hergestellte Weizenbrand überaus klassisch und besticht durch eine ausgeprägte London Dry-Typizität: Klare Zitrusnoten, sowohl in etwas würzig-zitroniger Form vom Koriander als auch etwas frischere Grapefruit-Töne, dominieren zunächst das Bild. Etwas deftige Nuancen kommen durch klassische Zutaten wie Iris, Angelika und Cassia. Die holzig-erdige Wacholderspielart tritt erst später hinzu, ein kraftvoll moosig-harziger Eindruck verweist auf das Zentralbotanical, am Gaumen dann flankiert von einer sehr präsenten Süßholzspur. Mit seinen verhältnismäßig milden 43% Vol. und dem vielseitigen Aromenspektrum ist der Bayswater einerseits ein runder, angenehmer Gin, der sich jedoch schwer festlegen will: Vielleicht zu wenig „spitz“ für einen G&T, vielleicht zu lakritzig für einen knackigen Martini. Möglicherweise gelingt ein würziger Martinez? Für rund 47,90 Euro à 0,7-Liter-Flasche kann man das ausprobieren, gibt aber dadurch schon eine recht hohe Summe aus.
0,7 l
43% Vol.
ca. € 48

Mezcal Meteoro Joven

Man muss den immer flächiger in Europa vertretenen Mezcal-Herstellern einfach lassen, dass sie ein Händchen für Design und Packaging haben. Marken wie Buen Suceso, Amores oder San Cosme haben die Latte im Kampf um die wertvollen Plätze im Rückbüffet hoch angesetzt. Dem kommt der Meteoro Joven fraglos nach, indem er sich in diese Riege toller Markenauftritte einreiht. Eine elegante, zylindrische Flasche mit Prägung des namensgebenden Meteoriten umschließt den Brand, der zu 100% aus der Espadin-Sorte gebrannt und als ungelagerter Joven abgefüllt wurde. Dazu kommen ein Etikett aus feinmattem Papier und eine edle Lederschnur, die den Korken hält.

Im Glas ist der Meteoro vor allem eins: elegant! Einerseits typisch-derbe Mezcal-Aromen von Schinkenspeck, grünem Gemüse, leichtem Rauch und Erde, gleichzeitig aber balanciert durch eine deutliche Blütentönung und ein wenig Litschi. Dabei dominiert keiner der genannten Eindrücke, das Spektrum oszilliert harmonisch zwischen den einzelnen Komponenten. Im Mund präsentiert sich dann die Fruchtigkeit etwas stärker mit klaren Tönen von Birne, Feige und Spuren von Rauke. Der Meteoro mündet in ein langes, rundes Finish und macht definitiv Lust auf mehr – sei es pur oder im Drink. Momentan nur in der Schweiz verfügbar, schlägt er mit knapp 50 Euro zu Buche, einem Preis, der für diese Qualität jedoch absolut angemessen erscheint.

Nachtrag: Der deutsche Vertrieb durch Seven Spirits wird in Kürze beginnen.
0,7 l
45% Vol.
ca. € 50

Miasa Liqueure Florale de Safran

Die Firma Miasa gehört zu den wichtigsten Händlern mit bestem persischen Safran. Seit kurzer Zeit produziert das Haus gemeinsam mit einem nicht genannten französischen Brenner einen Likör, der das teuerste Gewürz der Welt in Szene setzen und für die Barwelt besser erschließen will. Die Halbliterflasche kommt im zeitgenössisch-typischen Design samt Stopfen daher und ist minimalistisch sowie farblos gehalten, wohl um dem kupferorange leuchtenden Inhalt nichts von seiner Show zu stehlen.

Die Mischung aus Safran und weiteren (teils geheimen) Botanicals wie Holunderblüte und Litschi ist zuallererst: zugänglich, fruchtig und floral. Man muss sich darüber klar werden, dass hier durchaus eine Zielgruppe angesprochen werden soll, die gerne allerlei Dinge mit Champagner auffüllt. Dennoch eröffnet der Miasa mit 15% Vol. eine neue Nuance, die sich in einigen klassischen Drinks für blumige Twists anbieten könnte, dazu kommen außerdem durchaus die für Safran so charakteristischen, erdigen und leicht bitteren Aromen. Umgehen können muss man dafür allerdings auf jeden Fall mit der starken Süße, die – zumindest aus Sicht der Verkoster – den Purgenuss fast ausschließlich mit viel Eis möglich macht. Sie gilt es auszugleichen. Dennoch eine – wenn auch nicht ganz günstige – Möglichkeit, das Aromenspektrum hinter dem Tresen um einen Akzent zu erweitern.
0,5 l
15% Vol.
ca. € 44

Herbarium Kräuterlikör

Der Momentum Gin ist mittlerweile durchaus ein Begriff im deutschsprachigen Barkosmos, er bekommt seit Kurzem Gesellschaft vom brüderlichen Kräuterlikör Herbarium, der auch zu den Sponsoren der letzte Woche in Basel abgehaltenen Made in GSA Competition gehörte. Der Likör basiert – wie sollte es anders sein – auf dem verwandten Gin und ergänzt dessen Aromen um 37 Botanicals. Teilweise, wie im Falle des indischen Tulsi-Basilikums, sind diese Botanicals bereits im Gin enthalten, viele weitere kommen zusätzlich in den Herbarium, der mit 30% Vol. durchaus im oberen Likör-Bereich liegt und angemessen in einer anthrazitfarbenen Steingutflasche auf dem Tisch thront.

Der erste Eindruck ist besonders vom Thymian geprägt, hinzu treten weitere herbal-ätherische Noten, etwa von Melisse und eben Basilikum. Insgesamt ist die erste Assoziation leicht medizinal, die Zitrusaromen sind noch nicht so präsent wie erwartet. Besonders loben die Verkoster die zurückhaltende Süße, die den Herbarium in leichte Nähe zur Fernet-Kategorie hebt. Am Gaumen kommt eine kraftvolle Bittere mit deutlicher Pomeranzen-Tönung, der Likör hat eine schöne Adstringenz und setzt sich wohlig am Gaumen fest.
0,5 l
30% Vol.
ca. € 19

Skiclub Kampen North Sea Sun

Zugegeben: Maracuja-Produkte sind in der Bar im Jahre 2016 (das eigentlich gegenüber Fruchtaromen wesentlich liberaler ist als seine Vorgänger) noch immer eine heikle Angelegenheit – besonders dann, wenn entsprechende Dinge dann auch noch unter einer Sylter Lifestylemarke firmieren. Man mag dann von einem „Easy Target“ sprechen und liegt damit im Falle des North Sea Sun wohl auch nicht falsch. Zumindest muss man dem Marajuca-Orangen-Vanille-Likör auf Vodkabasis zugute halten, dass die Flasche absolut gelungen ist und zudem einen extrem hohen Wiedererkennungswert aufweist.

Allein, dahinter verbirgt sich leider nichts, was in einer Bar ernsthaft Berücksichtigung finden könnte. Denn ins Glas kommt nach kräftigem Schütteln etwas, das sich am ehesten mit flüssigem Solero-Eis vergleichen lässt. Die 15% Vol. Alkohol machen sich nicht bemerkbar, was wahrscheinlich auch intendiert ist. Dafür wuchert dem Verkoster eine etwas zu penetrante Note von Maracujanektar und Vanillin entgegen. Man muss der goldgelben Nordseesonne einräumen, dass sie in Bezug auf die Ausgewogenheit von Süße und Säure gelungen ist – die Zuckerkeule bleibt dem geneigten Trinker erspart. Dennoch stellt sich die Frage, warum man nicht lieber auf frische Maracuja, Limette und etwas Vanille zurückgreifen sollte, wenn die gewünschten Aromen in den Shaker gebracht werden sollen. Den North Sea Sun jedenfalls, dem jegliche Komplexität abgeht, der aber dafür mit 30 Euro zu Buche schlägt, könnte man hingegen getrost durch eine Flasche Nektar ersetzen, der ein Zehntel dessen kostet.
0,7 l
15% Vol.
ca. € 30

Bad Pyrmonter Tonic Water

Seit wenigen Wochen versucht die in Gastrokreisen bekannte Bad Pyrmonter Mineral- und Heilquellen GmbH auch, im aktuellen Gin & Tonic-Game mitzuspielen. Die Range umfasst dabei die klassische Trias aus Tonic Water, Bitter Lemon und Ginger Beer, die Verkostungsrunde hat sich das Tonic Water zur Brust genommen. Angeboten werden die Filler exklusiv für die Gastronomie in der typischen, keulenförmigen 0,25-Liter-Bad Pyrmonter-Flasche, die durch ihr Kreuz-Relief am Flaschenhals einen edlen Touch erhält.

Vom Aroma her ist das Tonic aus dem kleinen Kurort an der Grenze zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen klassisch, simpel und knackig gehalten: Nur leichte Zitrusaromen umspielen die Nase, man greift offenbar auf keine neuartigen Botanicals zurück und geht so bewusst nicht in die Richtung der gekräuterten Tonic Waters. Im Mund setzt sich dieser positive Eindruck fort, denn das Tonic legt eine satte, schöne Bittere bei unter 10 Gramm Zucker à 100 ml an den Tag, getragen wird es durch eine schöne, feine und cremige Kohlensäure. Eine schöne Alternative aus Deutschland, der allenfalls ihre Gebindegröße von 250 ml zum Verhängnis werden könnte, was vielen Genießern definitiv zu viel für ein Serving, in den meisten Fällen aber gleichzeitig zu wenig für zwei Portionen sein dürfte.
0,25 l
0% Vol.
kA

Credits

Foto: Bild via Sarah Liewehr

Comments (3)

  • Johann

    Der Bayswater-Gin lässt sich sehr gut mit dem Tonic von Indi & Co. kombinieren! Geht dann in eine komplett andere geschmackliche Richtung. Aber es gefällt mir.

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  • Andreas Fürbach, Ardau Weinimport GmbH

    Liebe Redaktion,

    herzlichen Dank für die Vorstellung des von uns vertriebenen BAYSWATER LONDON DRY GIN. 48 € empfohlener Endverbraucherpreis (!) ist natürlich Geld, aber dafür gibt’s auch eine 0,70-l-Flasche. Umgerechnet auf den 0,50-l-Inhalt vieler toller Mitbewerber beträgt der EVP 34,29 € – und das relativiert das ganze doch ein wenig, oder? 😉 Herzliche Grüße aus dem Rheinland.

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