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Die Crux der Innovation: Vielanker Pale Ale

Schnell mal ein Pale Ale brauen, weil es gerade modern ist? Dieser Eindruck entsteht bisweilen, wenn sich deutsche Traditionsbrauer hektisch an Craft-Stilen versuchen. Dabei ist diese Entscheidung oft niemandem zu wünschen. Ein Beispiel für jene Schattenseite der Craft-Revolution ist das Pale Ale aus der Brauerei Vielanker. Ein Bericht. 

Immer mehr deutsche Traditionsbrauer versuchen sich derzeit auch an den in der Craft-Szene populären Braustilen. Daran ist zunächst auch nichts auszusetzen, vielmehr mag man es begrüßen, wenn auch vermeintlich konservative Häuser ihre Aufgeschlossenheit demonstrieren. Gleichzeitig bemängeln viele Bierfreunde in diesem Kontext jedoch eine gewisse Form von Trittbrettfahrerei: trotz oft jahrzehnte- oder gar jahrhundertealter Erfahrung und Expertise in puncto Helles, Pils oder Doppelbock heißt es nicht, dass jedes Traditionshaus automatisch ein gutes India Pale Ale oder Imperial Stout hervorbringt.

Nicht ohne Grund haben einige alteingesessene Brauereien, wie etwa Riegele oder Maisel, sich für die Entwicklung ihrer neuen Abfüllungen reichlich Zeit zum Experimentieren genommen, bevor die erste Charge das Licht des Marktes erblicken durfte.

Freund oder Feind?

Für den aufgeschlossenen Konsumenten steht dann oft die Frage im Vordergrund, ein mittelmäßiges Pale Ale entweder zu verteufeln, weil es hinter den mittlerweile zu Recht hohen Ansprüchen zurückbleibt, oder aber eine grundsätzliche, anerkennende Haltung gegenüber jeder kleinen Brauerei einzunehmen, bloß weil auch sie nun ein IPA braut. Doch solch eine Haltung wäre verkehrt. Denn wer sich an einem Stil — immer auch ein Orientierungspunkt für den Verbraucher — versucht, der muss jenem Stil gerecht werden. Startschwierigkeiten mag man verzeihen, aber nur in gewissem Maße.

Eines der Biere, die genau diesen Zwist heraufbeschwören, ist das vor wenigen Wochen erschienene, limitierte „Jahrgangsbier 2015“ aus dem Mecklenburgischen Brauhaus Vielanker. Die Brauerei genießt für ihre klassischen Stile einen durchaus guten Ruf, die Biere in den urigen Halbliter-Bügelflaschen sind daher auch in gut sortierten Geschäften und LEH-Märkten immer wieder auch in Regionen abseits der Ursprungsortes erhältlich.

Mit dem Jahrgangsbier in Form eines Pale Ale wagt man sich nun also in Vielank an eine der seit Beginn des Craft-Booms populärsten Brau-Stilistiken. Ein selbstbewusster Schritt, wenn man bedenkt, dass es heutzutage zahlreiche Brauereien — alte wie junge — gibt, die diesen Biertyp auf extrem hohem Niveau beherrschen und bedienen. Auf der anderen Seite hat im Frühjahr mit Beck’s auch einer der Giganten ein Pale Ale auf den Markt gedrückt. Der Begriff genießt im Deutschland des Jahres 2015 eine gewisse Verbreitung, anders als noch vor wenigen Jahren.

Pale Ale, wo bist Du?

All das hilft leider nicht, wenn am Ende ein Bier im Glas landet, das mit dem Braustil „Pale Ale“ so gut wie nichts gemein zu haben scheint und das auch ansonsten recht unausgewogen wirkt. Was das genau bedeutet?

Zunächst kommt das Vielanker Pale Ale mit einer sehr ansehnlichen Farbe und Konsistenz ins Glas. Das Bier leuchtet in kräftigem, goldorangenen Honigton samt starker Trübung. Die Schaumbildung ist verhalten und die entstandene Krone setzt sich außerdem sehr rasch. In der Nase dominiert eine deutlich brotige Note, flankiert von einem Hauch Kornblume und etwas Leder. Was leider komplett fehlt, sind die für den Stil so typischen Fruchtaromen, besonders da das Bier laut Etikett mit „erlesenem amerikanischen Hopfen“ kaltgehopft worden sein soll. Eine Kalthopfung mit US-Aromahopfen lässt jedenfalls auf ein vollkommen anderes Aromenprofil schließen. Welche Hopfensorten genau in den Sudkessel kommen, mochte man MIXOLOGY bei einer telefonischen Anfrage leider nicht verraten – außer, dass es sich beim Blend um eine sorgfältige Auswahl verschiedener US-Edelhopfen handelt.

Den enttäuschenden Eindruck bestätigt das Vielanker leider auch im Mund. Zwar offenbart sich im Antrunk sehr eine Menge Malz mit etwas Karamell, der leicht phenolische Charakter weist deutlich auf den mit eingebrauten Weizen hin. Das Ganze wird dann jedoch ausschließlich von einer sehr einseitig wirkenden Bitteren flankiert, die keinen Zugang zum getreidigen Gerüst finden mag. Ebenso, wie die einschlägigen Aromen schon zuvor beim Nosing fehlten, sind sie auch hier abwesend. Dadurch geht dem Bier nicht nur jede Form von Komplexität verloren, sondern auch seine Spritzigkeit, die bei einem Ale mit moderaten 5,1% Vol. erwartet werden dürfte. Der Abgang ist leicht erdig, insgesamt bestätigt auch er den zuvor gewonnenen Eindruck. Nach einiger Zeit und weiteren Schlucken drängt sich eher die Idee von einem klassischen Weißbier auf, das bei der Hopfengabe aus der Balance geraten ist.

Was bei der Stellprobe geht, gehört nicht in die Premiere!

Derlei Anlaufschwierigkeiten in Form eines unterdurchschnittlichen Bieres gehören zur Entwicklung neuer Abfüllungen dazu. Als Zwischenstufe, die das Sudhaus nicht verlässt. So wie auch kein Regisseur stets den ersten Take in den fertigen Film einbindet. Die eigentliche Frage ist daher, weshalb man bei Vielanker so ungeduldig ist, ein solch unausgegorenes Bier in den Verkauf zu nehmen und den eigenen Ruf zu gefährden. Besonders, wenn man den Anschein des Besonderen, Exklusiven erwecken möchte, indem man vollmundig „Jahrgangsbier“ aufs Etikett druckt.

In der vorliegenden Ausprägung ist das Pale Ale nämlich ein Bier, das bei Kennern und Laien scheitern muss: für Laien, weil es einfach halbgar und nicht ausbalanciert ist, bei Kennern zudem aufgrund seiner nicht vorhandenen Interpretation des Stils. Das Vielanker Pale Ale ist keines, mit dem man Neulinge für interessante Stile begeistern könnte. Vor allem aber ist das Vielanker Pale Ale eines nicht: ein Pale Ale.

Credits

Foto: Ochse via Shutterstock

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