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Mehr Platz auf dem Tisch: Der Yakima Sling

Aus drei mach eins: mit dem Yakima Sling vereint Evan Martin aus den USA drei Drinks. Und das mit den wuchtigen Partnern India Pale Ale und Reposado Tequila. Ein weiteres herausragendes Beispiel dafür, dass mit der richtigen Kenntnis der Zutaten auch ohne viel modernen Bar-Schnickschnack ein komplexer Drink entstehen kann.

In gewisser Weise ist der heutige Drink ein Hybrid, das Ergebnis folgender Frage: Wie bekommt man ein Herrengedeck — also ein Bier und einen Shot — und eine Paloma in nur ein Glas? Aromatisches India Pale Ale, frische Grapefruit und knackiger Tequila gemeinsam vereint. Aber heben diese kraftvollen Partner nicht auf sobald sie nicht nebeneinander, sondern miteinander getrunken werden? Die Antwort lautet ganz klar „nein“!

Den Highball weitergedacht

Das dachte sich auch der Bartender Evan Martin aus Seattle bei der Entwicklung seines Yakima Sling. Und wie gut ihm dieses gedankliche Spiel gelungen ist, zeigt nicht nur der Drink selbst, sondern auch die Aufnahme der Rezeptur in Jacob Griers Anfang 2015 erschienenes grandioses Buch „Cocktails on Tap — the Art of Mixing Spirits and Beer“. Für Grier ist das Wesen des Drinks einfach beschrieben: „Die Paloma (…) ist ein Beleg dafür, wie hervorragend Tequila und Grapefruit zusammenpassen. Dieses Rezept von Evan Martin ist das Ergebnis einer komplexeren Herangehensweise an die Kombination.“ Im Gegensatz zur üblichen Paloma, die auf Blanco Tequila basiert, verlangt der Yakima Sling hingegen nach einem „volleren“ Reposado.

Dabei ist die Rezeptur selbst alles andere als große, komplexe Barkunst — keine aufwendige Infusion, kein Cold Drip oder Sous Vide, nix mit Fat Washing. Lediglich ein hausgemachter Sirup wird erbeten. Martins Leistung ist vielmehr das grundlegende Verständnis seiner Zutaten: Im Prinzip nichts anderes als ein klassischer Fizz, gesellt sich zu Reposado Tequila, Grapefruit und Limette nichts als ein wenig Zimtsirup und anstelle des Sodas ein großzügiger Schuss India Pale Ale. Mit dem Zimtsirup mag man dann sogar jenes grässliche Trinkritual aus Orange und Zimt in den Drink integriert sehen, von dem guter Reposado so oft heimgesucht wird. Tatsächlich kennt man diese Unart aber zumindest in Mexiko nicht.

Die Wahl der Waffen macht den Drink

So simpel die Zubereitung, so reichhaltig und komplex ist der Yakima Sling schließlich im Glas. Besonders die malzige Wärme des Ales bildet gemeinsam mit dem reichen Aroma des Zimtsirups ein herrliches Fundament für die frischen, herben und grasigen Töne von Tequila und Grapefruit. Dabei hängt das Ergebnis freilich von der Wahl des spezifischen Tequilas und des Bieres ab: gerade im Reposado-Segment gibt es höchst unterschiedliche Spielarten und Interpretationen, von leicht und floral bis hin zu schwer, fast wie ein Añejo. Und auch durch die Wahl des Bieres lässt sich erheblich auf das Wesen des fertigen Cocktails Einfluss nehmen.

Vom zurückhaltenden, leichten Pale Ale zum kraftvollen West Coast IPA sind auch hier die Möglichkeiten mannigfaltig. Martin selbst gibt mit dem ursprünglich vermixten Fremont Interurban IPA eher dem zweitgenannten Typus den Vorzug (was beim Entstehungsort Seattle nicht weiter verwundern sollte). Und auch die vom Autor zubereitete Variante mit dem sattfruchtigen und bitteren Backbone Splitter IPA von Hanscraft zeigte genau den gewünschten Effekt: das Bier bringt, wie stets beim Beer Fizz, nicht nur zusätzliche Würze, sondern auch jene wunderbare Portion Trockenheit in den Fizz, die man mit keinem Soda dieser Welt erreicht.

Der Name des Drinks bezieht sich übrigens auf das nahe Seattle gelegene Yakima Valley im Bundesstaat Washington, eines der größten US-Anbaugebiete für Grapefruit und Hopfen. Damit setzt Evan Martin mit dem Yakima Sling auch seiner Heimat ein kleines flüssiges Denkmal. Und das alles in nur einem Glas. Dann ist auch mehr Platz auf dem Tisch.

Credits

Foto: Yakima Valley via Shutterstock.

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