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Eigengrau Bar Kreuzberg

Eigengrau Bar: Der Raum ruft

In einem Kreuzberger Souterrain liegt die Eigengrau Bar, entworfen vom Designteam des Berghains. Dementsprechend ist es dunkel, leuchtet neon und erinnert an den Berliner Kult-Club. Auf den Tellern und in den Gläsern allerdings schimmert es bunt und warm.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, welche Wirkung Namen haben. Man sieht das an Brands und an Marken, aber auch Bars und Clubs. Besonders, wenn es um einen so geschichtsträchtigen Ort geht wie das Berghain.

Denn das Berghain ist weitaus mehr als ein Club. Das Berghain wird gehandelt als die einzuholende Referenz, Berlin erlebt zu haben, schlechthin. Menschen treten Flüge an, um einmal (oder auch regelmäßig) Zeuge des vibrierenden, schwarzledernen Kults zu werden, sie erzählen sich davon im Ausland, wenn es darum geht, schon einmal in Deutschland gewesen zu sein, und sie verfallen in Depressionen, wenn Sven Marquardt einmal stumm den Kopf schüttelt. Wer immer an mangelndem Geltungsbedürfnis leidet und die Möglichkeit sieht, das Berghain in seine Biographie einzubauen, sollte das tun.

Eigengrau Bar im dunklen Design

Aufmerksamkeit bekommen die beiden Designer Thomas Karsten und Alexandra Erhard als studio karhard zwar mehr als genug; immerhin haben sie – neben dem Berghain, wohlgemerkt – auch etliche Clubs der Stadt, Bars, Restaurants und Orte der Kunst geplant und umgesetzt. So unter anderem auch die Eigengrau Bar in der Skalitzer Straße in Kreuzberg.

Nicht gerade eine Gegend, der dringend eine Bar gefehlt hat. Nördlich haben wir die Rias GT Bar, im Westen den Kotti mitsamt Würgeengel und all seinen liquiden Orts- und Wirtschaften. Dann ist da etwas weiter westlich auf der Landkarte die Kantine Kohlmann, deren Speisekarte der des Eigengrau recht nah ist: zwischen zehn und fünfzehn kleine Gerichte, allesamt beschrieben mit maximal drei Zutaten.

Eigengrau, die Farbe des nächtlichen Pulses

Aber so macht man das ja nun sowieso. “Ayran, Makrele, Ingwer Labneh, um den Rest kümmern wir uns”, so ist das eben. Während man in der Kantine Kohlmann zum Trinken und gegebenenfalls Rauchen allerdings schlichtweg an die Bar und somit wenige Stufen ums Eck schlappt, ist das Eigengrau rauchfrei.

Nun muss man in Städten wie Berlin wirklich nicht mehr erwähnen, wenn Orte im Industrial Design gehalten werden. Eher wenn nicht – und dann ist es entweder “Shabby” oder “Scandinavian Minimalism”. Hier haben wir es klar mit einem Vertreter des Teams “Industrial” zu tun, und wenn das Eigengrau keine Bar wäre, dann wäre sie ein Club, wie er im Berliner Buche steht: schwarz, kantig und ausgestattet mit dem perfekten Maß an atmosphärischer Kälte. In “eigengrau” eben, dem Grau, das wir bei absoluter Dunkelheit wahrnehmen. Irgendwo zwischen dunkelgrau und hellschwarz gelegen ist das die Farbe, in der Berlins nächtlicher Puls schlägt.

Eigengrau Bar: Der Raum ruft

Auf dem Teller und im Glas allerdings ist’s bunt und warm. Aufgeteilt in die Kategorien “Garten”, “See” und “Land”, ist der Zugang zur Karte intuitiv gehalten und es ist für alle etwas dabei, die gerne teilen. Die Gerichte sind zum Teilen angelegt, mit etwas Hunger kann man also durchaus bis zu drei Gerichte bestellen.

Das wäre dann so etwas wie “Gegrillter Oktopus”, Teilnehmer: Gurke, fermentierte rote Zwiebel, geräucherte Chili; außerdem, und gar nicht so unerheblich, auch Kartoffeln. Die Trinkkarte ist, wie sollte es anders sein, nach Farben sortiert, und selbstredend wird zunächst der “EigenGrau” probiert, mit Sloe Gin, Eiweiß, Aktivkohle und Sodawasser. Für etwas süßer als gedacht befunden, fällt positiv auf, dass bei der Bestellung einer Weißweinschorle – und das geschieht nicht oft – der Wein gewählt werden darf.  Die grundlegenden Spirituosen sind mit mindestens einem Drink in der Karte vertreten, und wessen Herz für Mezcal schlägt, der sollte den “LimonenGelb” versuchen.

So wird man die Berghain-Bar …

Bisher bekannt als Barchefin im “Bricks”, gibt Eva Wenger, gemeinsam mit ihrem Kollegen Fabrice Binto, der Bar ein klares Club-Gefühl. Konkret geschieht das an den fünf an der Decke eingelassenen Neonröhren, die dem Raum eine sphärische Weite zukommen lassen, wie man es sie eben aus Clubs kennt.

Das Backstein an der Bar und die kleinen Separees, an denen man sich in kleinerer Runde aus dem Hauptraum zu exkludieren vermag, tun ihr übriges; auch wenn man dort nicht ganz so abgeschieden ist von der Außenwelt wie in einem Dark Room. Kein besonders origineller Vergleich, aber so ist das nun einmal, wenn man sich Berghain-Designer holt: Man wird die Berghain-Bar und somit einer der Orte, die man den Besuchern zeigt, die aus dem Heimatdorf kommen und derweil in Hamm eine Kita für den Jüngsten suchen. Weil es wie ein Ort wirkt, der die Stadt lebt und zeigt in ihren Gründen und Abgründen; weil Design komprimiert und kommuniziert.

Das wird an dieser Bar deutlich, und so hervorragend Essen und Trinken vor Ort auch sein mögen – die Eigengrau Bar sucht man auf, weil ihr Raum ruft.

Credits

Foto: Jorge Becker / Eigengrau

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