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Die Abkürzung des Weges: der El Camino Cocktail

Der El Camino ist ein Twist, wenn auch nicht unbedingt klar, von welchem Drink. Fakt ist: Die Mischung aus Rye, Mezcal und Bénédictine ergibt einen teuflisch guten Cocktail. Entstanden ist der Drink im Chestnut Club in Santa Monica – aber wieder einmal führt der Weg auch an David Embury vorbei.

Als ich anfing, mich für Cocktails zu interessieren, führte mich ein Markenbotschafter einer Rum-Marke an die Materie ran. „Die DNA der Drinks hast du schon kennengelernt, oder?“ Ich nickte, wusste aber eigentlich gar nicht, wovon er sprach. Also begann ich zu lesen und verstand schnell, dass Drinks nach ihrem äußeren Korsett in verschiedene Kategorien gesteckt werden. Da gibt es den Sour, den Smash, den Old Fashioned. Alles schön und gut und verständlich.

El Camino

Zutaten

3cl Mezcal
3cl Rye Whiskey
1,5 cl Bénédictine
4 Dashes Peychaud’s Bitters

El Camino Cocktail: The Twist of the Twist of the Twist

Seltsam mutet es aber dann an, wenn man beginnt, die DNA auf Teufel komm raus zu biegen oder ins schier Unendliche zu stretchen; wenn jemand einen Cocktail als einen modernen Klassiker anpreist, der ja funktioniere wie ein Last Word mit Wermut anstelle von Maraschino, Dom Bénédictine anstelle von Chartreuse Vert, der doppelten Menge an Gin und völlig auf eine Säurequelle verzichtet. Mal ehrlich, man muss nicht alles in irgendeinen Rahmen quetschen, was nicht reinpassen will.

Dieser Kategorisierungswut begegnete ich auch bei meiner Recherche zum heute vorgestellten Drink, dem El Camino. Ist der El Camino eigentlich ein simpler Twist auf einen Monte Carlo, erfuhr ich, dass der Monte Carlo ja selbst eigentlich ein Manhattan sein müsste, in dem Dom Bénédictine roten Wermut ersetze, aber durchaus auch als „Improved Whisky Cocktail“ durchgehen könnte, obwohl eben Maraschino durch Bénédictine ersetzt worden ist, aber viel eher ja noch ein „Cocktail à la Louisiane“ sei, der auf Wermut verzichtet.

Ich halte nichts von dieser vertechnisierten, nerdigen Einordnung von Drinks, da sie einen jeden nicht cocktailaffinen Barbesucher eher abschreckt als anfixt, den Drink zu probieren. Warum gibt man dem Drink nicht einfach einen Namen? Das ist einfacher und zugänglicher. Und gerade bei Klassikern aus drei Komponenten durchaus weniger konstruiert.

El Camino, ein Cocktail auf Durchreise

Verstehen Sie mich nicht falsch. Man kann durchaus sagen, dass der El Camino sich am Monte Carlo orientiert hat. Letzterer findet in der modernen Barliteratur nicht allzu häufig Erwähnung und wurde erstmalig 1948 in David A. Emburys Barmanifest „The Fine Art of Mixing Drinks“ niedergeschrieben. Rye, Bénédictine, jeweils ein Dash an Peychaud’s und Angostura Bitters ist das einfache, aber sehr effektive Grundgerüst des nach der Spielerstadt schlechthin benannten Drinks, der eine ähnliche Eleganz versprüht.

Im Chestnut Club in Santa Monica entwarf man hierauf einen Twist. Ohne Angostura Bitters, da eine zweite Würze nur ablenken würde, und zusätzlich mit Mezcal. In der einfachen, aber durchaus interessanten aromatischen Kombination aus rauchig-erdigem Mezcal, dem knackigen Rye, den sich anbiedernden, herb-süßlichen Kräutern des Dom Bénédictine und den bittersüßen Peychaud’s Bitters ist ein Drink entstanden, der einen eigenen Namen verdient und seitdem als El Camino beworben wird.

So wird es möglicherweise noch ein längerer Weg sein, bis wir mit dem pedantischen Kategorisieren aufhören und einfach nur den Drink wertschätzen können, der seinerseits, möglicherweise beruhend auf einem Klassiker, ebenfalls einen langen Prozess durchlaufen ist. Genießen wir einfach den El Camino, einen teuflisch guten Cocktail.

Dieser Beitrag erschien erstmals im Dezember 2018 auf MIXOLOGY Online. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er überarbeitet und mit einem neuen Bild versehen.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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