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Ein sanfter Teufel: der El Diablo

Wie er zu seinem Namen kam, fragt man sich zumindest mit heutiger Perspektive. Denn der El Diablo Cocktail ist weder ausnehmend alkoholisch, noch sticht er durch besondere Schärfe oder Säure hervor. Tatsächlich ist er eigentlich eine recht milde Angelegenheit. Der Teufel muss also im historischen Detail stecken.

El Diablo

Zutaten

5 cl Blanco Tequila (100% Agave)
1,5 cl Crème de Cassis (z.B. Merlet, Supercassis oder Gabriel Boudier)
2 Limettenviertel bzw. 1 cl frischer Limettensaft
5-6 cl Ginger Ale

Vielleicht blickt man damit ja auch am Wesentlichen vorbei, aber fragen muss man einfach: Warum, bitteschön, heißt ein Highball aus Tequila, Limette, Crème de Cassis und Ginger Ale „El Diablo“, also „der Teufel“? Um mal gleich den ersten Grund beiseite zu schieben, die Farbe kann es eigentlich nicht sein. Klar, der Drink ist rötlich bis rot, und dem Vernehmen nach ist der Teufel das wohl auch. Aber auch andere Drinks sind rot, eine ganze Menge sogar. Eine ganze Menge absolut unteuflischer und auch teuflischer Drinks.

Interessant wird es aber vor allem mit Blick auf die Zutaten. Schließlich haben wir es beim El Diablo, der hierzulande mutmaßlich vor allem durch seine Listung auf den frühen Menüs der Boilerman Bar in Hamburg ein wenig aus der historischen Versenkung kam, mit einem generell recht zugänglichen Highball zu tun. Zwar prägnant und je nach Tequila durchaus charakteristisch, aber immer mit der nötigen Portion Frucht und Süffigkeit. Insgesamt also keine Anlagen, mit denen man aus sensorischer Sicht als teuflisch rüberkommt.

El Diablo: der kleine, milde Tiki-Teufel

Tatsächlich hatte der El Diablo im Gegensatz zu vielen anderen Drinks so etwas wie einen recht klaren ersten Auftritt: Seine, wenn man beim Bild bleiben will, Feuertaufe hatte der Drink 1946/47 in Trader Vic’s Book of Food and Drink vom berühmtem Gastronom und Tiki-Abgott Victor „Trader Vic“ Bergeron. Zu diesem Schluss kamen vor einigen Jahren sowohl die Recherchen des US-Barexperten Camper English als auch jene von MIXOLOGY-Autor Armin Zimmermann auf seinem Blog „Bar Vademecum“. Das heißt mitnichten, dass die Kombination der erwähnten Zutaten vorher nirgendwo zubereitet wurde, doch Trader Vic liefert die erste Quelle (übrigens nicht zu verwechseln mit dem „Diabolo“ mit Brandy, Curaçao und Wermut aus den 1930ern).

Auf dem Olymp des Trader Vic

Aufgrund der letzteren Beobachtung ist der El Diablo Cocktail auch ein wunderbares Beispiel dafür, wie sehr der Zufall sowie das Renomée eines Absenders zur richtigen Zeit zur Etablierung eines Drinks führen können. Denn Trader Vic behielt den Drink bis in die 1970er in seinen Büchern. 1946 stand der findige Systemgastronom noch am Anfang seiner Karriere, sein erstes Buch dürfte vergleichsweise wenig Reichweite gehabt haben. Doch die späteren Bände wiederum haben eine gewaltige Leserschaft erreicht. Es ist davon auszugehen, dass der El Diablo – in den Fünfzigern vom Esquire Magazine auch als „Flamenco Dancer“ bezeichnet – zumindest teilweise aufgrund von Bergerons Strahlkraft in den Köpfen geblieben ist als jener „andere“ Tequila-Drink neben den Megasellern Margarita und Tequila Sunrise (zu dem ihm durchaus Verwandtschaft attestiert wird).

Der Name des El Diablo ist kein Programm, aber ein Statement

Und hier mag ebenfalls das zu Beginn erwähnte Rätsel des leicht unpassenden Namens liegen. Denn, salopp formuliert: Ein Trader Vic muss nunmal tun, was ein Trader Vic tun muss. Wer sich nur grundlegend mit der Tiki-Welle aus der Mitte des 20. Jahrhunders befasst hat, der lernt schnell: Cocktailnamen müssen nicht kleckern, sie müssen klotzen. Da mag der Drink aus den eigentlich schmeichlerischen Komponenten Tequila (damals sicherlich ein leichter Mixto), Cassis, Limette und Ginger Ale bestehen – einen krachenden Namen braucht er trotzdem. Anders funktioniert das nicht in Trader Vics Universum. Und besonders Männer, die zu ihrem hawaiianischen Barbecue im Trader Vic’s einen spritzigen Highball trinken, möchten keinen Flamenco Dancer. Sie möchten einen El Diablo, einfach weil das besser klingt. Und Tequila als Basis dient, muss der Teufel in diesem Falle eben spanisch sprechen. So funktioniert das Schema.

Merken wir uns also: Wenn wir mal mitbekommen, dass jemand angesichts des Namens zögert, einen El Diablo zu ordern – weisen wir ihn getrost darauf hin, dass Namen manchmal doch eher Schall und Rauch sind. Besonders im Tiki-Himmel.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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