Energy Drinks: Reif für ein Verbot?
Das mögliche Verkaufsverbot von Energy Drinks an Minderjährige ist seit Wochen in den Medien präsent. Doch woher kommt das Betreiben? Schließlich sind doch Energy Drinks seit über 20 Jahren akzeptiert. Nur ein Strohfeuer also? Mitnichten. Wir geben einen Überblick und beziehen Stellung.
Spricht man über Energy Drinks, dann kommt man nicht umhin, eine tiefe Spaltung in deren Wahrnehmung zu konstatieren: entweder man liebt oder man hasst sie. Das weite Spektrum dazwischen scheint in unserer Gesellschaft mehr oder weniger unbesetzt zu sein.
Aus Sicht der Bar darf von einem vergleichbaren Phänomen gesprochen werden, denn so wenig die meisten Bartender ernsthaft auf die Idee kämen, mit einem Energy Drink zu mixen, so sehr sind doch die kleinen, schlanken Dosen von Red Bull & Co unter Bartendern ein überaus beliebtes Hilfsmittel vor, während oder nach einer anstrengenden Schicht.
Wenn die Koalition sich streitet…
Immer wieder wird öffentlich über die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen von Energy Drinks gesprochen. Und ein Thema, das zwar nicht die Bar-, wohl aber die Getränkeindustrie an sich betrifft, ist das wiederkehrend und besonders aktuell ins Gespräch gebrachte Abgabeverbot von Energy Drinks an Minderjährige. Derzeit werden die Forderungen nach einem Verkaufsverbot aus Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion laut, während sich der zuständige Bundesernährungsminister Schmidt vom Koalitionspartner CSU entschieden dagegen ausspricht. Doch macht ein Verbot wirklich Sinn? Dazu müssen wir ein wenig ins Detail gehen.
Mit dem Begriff „Energy Drink“ ist zunächst einmal derselbe Wirkstoff verbunden wie mit Kaffee und Cola: Koffein. Hinzu kommen ein extrem hohes Maß an Zucker sowie weitere Zusatzstoffe wie etwa die in Red Bull enthaltene organische Säure Taurin. Auf genau jene Inhaltsstoffe zielen die Verfechter des Verbotes ab. Dabei sind doch Koffein und Zucker überhaupt nichts Schlimmes, sollte man meinen. Doch damit ist der Wahrheit nur teilweise Genüge getan.
Ist Koffein ein Gift?
Betrachtet man es einmal nüchtern, ist Koffein die am weitesten verbreitete „Droge“ der Welt. Das liegt vor allem an der Verbreitung von Kaffee, Tee, Mate und Cola. Wenn Koffein jedoch so weit verbreitet ist, kann es sich doch dabei um keine schädliche Substanz handeln, oder?
Diese Behauptung stimmt jedoch nur teilweise. Es ist richtig, dass Koffein in niedrigen Mengen vornehmlich als Stimulans wirkt, also als Stoff, der auf das zentrale Nervensystem (ZNS) des Menschen anregend wirkt, den Blutdruck geringfügig erhöht und vor allem die Leistungsfähigkeit bestimmter Areale der Gehirns leicht steigert. Für diesen Effekt reichen jedoch schon ein bis zwei Tassen Kaffee aus. Dabei ist wohlgemerkt der Konsum durch Erwachsene gemeint. Erhöhte Koffeinzufuhr hingegen zeigt ein breites Spektrum negativer Auswirkungen auf den Blutdruck, das Herz und das ZNS.
Die Grenzen des Jugendschutz
Besonders schädlich ist der Konsum von Koffein bei Kindern oder noch im Wachstum befindlichen Jugendlichen: bereits eine Menge von zwei bis drei Dosen Energy Drink kann bei Kindern und Jugendlichen zu Symptomen wie Schlafstörungen und auffälliger Nervosität führen. Man mag einwenden, dass wenige Tassen Kaffee den selben Effekt nach sich ziehen, doch wer so argumentiert, der vergisst folgenden, aber sehr wichtigen Umstand: keine Kinder und nur wenige Jugendliche nehmen in kurzer Zeit eine solche Menge Kaffee zu sich — bei süßen, schnell trinkbaren Energy Drinks kann die Lage rasch anders aussehen. Besonders aus diesem Grund sehen Einrichtungen wie die Verbraucherzentralen oder das Bundesinstitut für Risikobewertung „dringenden Handlungsbedarf“ im Hinblick auf eine mögliche Abgabebeschränkung.
Nur für Erwachsene? Die Industrie zeigt sich halbherzig
Man mag nun einwenden, dass es sich doch, wie die Hersteller der einschlägigen Produkte nicht müde werden zu betonen, bei Energy Drinks um Produkte handelt, die sich an erwachsene Konsumenten richten. Die Erhebungen zum Kaufverhalten zeigen jedoch wiederholt, dass Energy Drinks besonders unter Jugendlichen in extrem hohem Maße verzehrt werden. Die Reaktionen der Produzenten sind dennoch halbgar.
So äußerte sich kürzlich Andreas Herb, Geschäftsführer des Konzerns MBG und damit Hersteller der deutschen Energy Drink-Marke effect, dass man zwar eine Angabe an unter 16-Jährige skeptisch sehe, jedoch hier nicht den Handel, sondern das familiäre Umfeld in die Pflicht nähme, was das Konsumverhalten jener Jugendlichen angeht. Doch wie soll eine solche Aufsicht bei Jugendlichen gewährleistet werden, die bereits in erheblichem Maße eigenständig konsumieren?
Der Ansatz von Herb hinkt gewaltig: Der Unternehmer wehrt sich dagegen, sein Produkt aus gesetzgeberischer Lage mit Alkohol und Tabakwaren gleichzusetzen, obwohl er selbst einräumt, dass eine Abgabe an Jugendliche kritisch sei. Und wer, wenn nicht Gesetzgeber und Einzelhandel sind wirklich in der Lage, eine mögliche Empfehlung seitens der Hersteller umzusetzen? Oder anders gefragt: wenn die Produzenten von Energy Drinks ihre Produkte an Erwachsene ausrichten, warum stören sie sich dann an einer möglichen Verkaufsbeschränkung?
Wenn „Recht“ zur Richtgröße schrumpft
Besonders die Sichtweise von Ernährungsminister Christian Schmidt wird durch zahlreiche Interessenverbände wie z.B. foodwatch kritisiert und als in Konflikt mit dem deutschen und europäischen Lebensmittelrecht stehend beschrieben. Und auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat zuletzt im Herbst 2014 erneut darauf hingewiesen, dass Energy Drinks aufgrund ihrer immer flächigeren Verbreitung und immer niedrigeren Preise vor allem im Discount-Segment als ernsthafte gesundheitliche Bedrohung einzuordnen sind.
Besonders problematisch ist der gleichzeitige Verzehr von Koffein und Alkohol, denn beide Substanzen wirken zwar zunächst anregend und aufmunternd, sie tragen allerdings zu einer starken Dehydration des Organismus bei. Vorhang auf für den Vodka-Energy! Die landauf, landab hektoliterweise in Großraumdiscotheken ausgeschenkte „Discoschorle“ bringt genau jene Wirkstoffe zusammen — quasi nichts anderes als ein „Instant-Alcopop“.
Der Gedanke des Verbots betrifft nun eben nicht nur eine Eindämmung des Purgenusses von Energy Drinks durch Heranwachsende, sondern in sekundärer Weise auch eine Erschwerung des Vermischens harter Alkoholika mit stark gezuckerten Energy Drinks, die den Alkoholgeschmack überdecken. Hier müssen sich, in gleichem Maße wie der Handel, auch Gastronomen verantwortlich fühlen. Freilich weniger klassische Bars, aber dennoch.
Ein „Ja“ macht Sinn
Über geschmackliche Vorlieben darf sich niemand ein Urteil erlauben. Der eine zieht einen Sazerac vor, der andere eben einen Vodka-Bull. In dem Moment jedoch, wo von einer spezifischen Produktgruppe ein Gefährdungspotential ausgeht, sieht die Lage anders aus. Sicher: der Ruf nach und die Debatte über ein Verbot bzw. eine gesetzliche Beschränkung geht stets einher mit generellen ideologischen Erwägungen.
Macht ein Verbot Sinn, wo man doch eigentlich auf den mündigen, selbstbestimmten Konsumenten setzen möchte? Doch dann müsste auch das Zugangsverbot zu Alkohol und Tabak neu diskutiert werden. Es mutet skurril an, dass es innerhalb der EU zeitweise Richtlinien für den Krümmungsgrad einer Salatgurke gab, jedoch keine Vorschrift zur Abgabe von Energy Drinks.
Dass die Industrie sich sperrt ist klar. Aber wenn man es neutral betrachtet, sollte ein stärkerer Schutz Minderjähriger gegeben sein. Wenn dieser nicht von den Herstellern ausgeht, muss es vielleicht doch die Gesetzeskeule sein.