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Bar Englhof

Englhof: „Flügerl“-freie Zone im Zillertal

Im kleinen Zell am Ziller geht Andreas Hotter seinen ganz eigenen Weg, 2019 wurde sein Englhof als Hotelbar des Jahres Österreich ausgezeichnet. Der mutige Sammler und Gastronom macht vor, dass es eben nicht immer die Metropole sein muss.

Kaum entsteigt man der putzigen Zillertal-Bahn, die alle zwei Minuten einen Stop einlegt, hat man auch schon ein Update in Sachen Bar-Gossip aus Singapur erhalten. Wenige Minuten mit Andreas Hotter reichen, um jeden Anfangsverdacht von wegen „hinter den sieben Bergen“ zu zerstreuen.

Der Spirituosen-Sammler und Bartender ist bestens informiert, die technische Ausstattung der Englhof-Bar hat auch schon Kollegen inspiriert, sich doch auch den Gläserfroster zu besorgen, den der Englhof verwendet. Eine Ahnung formt sich sehr schnell im Gästehirn: So harmlos und klassisch die Holzstube im Hotel auch aussehen mag — hier wird großes Kino geboten, was Barkultur betrifft.

Cola-Rum verdirbt den Charakter

Was neben den Drinks auch bei den Dialogen gilt: „Sie sind Gestütsbesitzer? Interessant. Aber Cola-Rum serviere ich dennoch nicht“. Diese – wahre – Geschichte vom reichen, schönen und mit zwei Russinnen am Arm an der Bar aufgepflanzten Gast hat vor einiger Zeit für einigen Facebook-Wirbel gesorgt. Sie steht auch für den Typ Andreas Hotter. „Man geht ja auch nicht ins Steakhouse, um etwas Vegetarisches zu bestellen“, zieht Hotter eine Analogie.

Mit Arroganz aber hat das nichts zu tun. Dieser Gedanke wird sofort zerstreut, wenn man nur zwei Sätze mit dem Hausherren gesprochen hat. Hotter ist ein grundsympathischer, meinungsstarker Gastronom, dem es nicht um Bevormundung geht. Man muss eben nur wissen, in welchem Umfeld er sich bewegt: 2008 hat er mit seiner Cocktail-Mission begonnen, und das in einem Skiort, in dem die Gäste eben immer noch primär an warme Shots, Energydrinks und Tanzen auf dem Tisch denken. Auch wenn der Kopf sich dreht — den Stand stabilisiert eh der Skischuh.

„Missverständnisse gab es zu Beginn, was diese Gäste und was wir unter Bar verstehen“, erörtert Hotter knapp. Denn bis 2008 diente die Bar eben tatsächlich als Ort des Après-Ski klassischen Zuschnitts und als Refugium der Hotelgäste.

Missverständnisse sind im Englhof ausgeräumt

Heute, nach mehr als zehn Jahren Überzeugungsarbeit, sind diese Missverständnisse weitestgehend ausgeräumt. Mit der Gastronomie und dem Hotel hatte schon Hotters Großvater begonnen, der bereits zuvor am Ufer der Ziller tätige Wirt namens „Engl“ blieb einfach als Namensgeber erhalten. 30 Zimmer vermieten die Hotters heute, doch der Großteil der Bargäste – „70 Prozent“, schätzt der Hausherr – kommt von außerhalb.

Englhof Bar

Zellbergeben 28
6277 Zell im Zillertal

Mo - Sa 16 - 01 Uhr

Hommage an den Mentor aus Hall

Das alles mag weniger verwundern, wenn man weiß, wer das Verständnis von Gastfreundschaft von Andreas Hotters geprägt hat. Es war nämlich ein Mann, der weit über Tirol hinaus zu Legende wurde.

Mit den Worten „mein Mentor“ zaubert Andreas Hotter in Sekundenschnelle eine alte Karte der von Franz Steinmayr geführten Diana Bar in Hall aus der Schublade. Sie erinnert an den zu früh verstorbenen Tresen-Sir mit seinen unglaublichen 6.300 Spirituosenflaschen. Für die Bar hatten Hotter schon einsame Stunden als „Wirtshauskind“ prädestiniert, in denen er Mixbücher der 1970-er Jahre wälzte. Dass es noch mehr als die Schirmchen-Drinks aus den Kompendien der Hotelbibliothek gab, spürte er in der Hotelfachschule. Sicher wusste Hotter es dann in der Diana.

Seine Barkarte zählt heute als erstes auf, was es bei ihm nicht gibt (u.a. „Alcopops“, „Flügerl“, „Happy Hour“, „Puschkin“), danach folgen Eigenkreationen wie der Wilderdbeer Ramos (Gin, Zitrus, Sahne, Wilderdbeeren Blütenwasser, Neroli, Erdbeerstaub) oder der Brennnessel Gimlet (Beefeater Gin, Brennnessel, Weinsäure, Verjus-Luft). Ein Mustard Bramble (Monkey 47, unreifer Traubensaft, Dijon Senf, Johannisbeerlikör) beweist, dass Andreas Hotter die Cocktail-Historie genau kennt, was er mit einer eigenen Sektion auf der Karte untermauert, die stets alten und modernen Klassikern gewidmet ist.

Tiki in Tirol, Pre-Dinner als Wettbewerb

Das Angebot richtet sich aber auch nach den Ansprüchen einer Gästeschaft, die nach dem Besuch des Englhofs nicht einfach in die nächste U-Bahn steigen kann. „Wir haben viele Fahrer bei uns, und auch die vielen Schüler aus der Hotelfachschule bekommen keinen Alkohol“, erklärt sich der hohe Verbrauch an Ginger Beer, selbst gemachten Limonaden und Eistees.

Im Sommer hat Hotter schon mal ein Tiki-Menü im Programm – „Wenn du in Flip-Flops und mit der Sonnenbrille auf der Terrasse sitzt, passt das einfach super“ – sehr intensiv nimmt er sich stets dem Thema Pre-Dinner-Drinks an. Das soll sowohl die Phantasie der Gäste als auch das Geschäft ankurbeln. Kleine Wettbewerbe unter der Belegschaft, die Hotter gerne mag, sorgen dafür, dass die aktuellen Kreationen auch wirklich geordert werden.

Englhof, die Keimzelle der Tiroler Barkultur

Der leutselige Hotter gibt sein immenses Bar- und Spirituosenwissen auch gerne weiter, seine Schüler verschlägt es mittlerweile auch in Bars in Metropolen. So mag die Landeshauptstadt Innsbruck in letzter Zeit bartechnisch nachgelegt haben, aber die mixologische Keimzelle Tirols ist und bleibt der Englhof.

Und Andreas Hotter hat auch nicht vor, leiser zu treten. Ganz im Gegenteil. Der Englhof wird noch auf lange Zeit die Barkultur mitprägen, und das nicht nur in West-Österreich.

Credits

Foto: ©Bar im Englhof

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