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Brand oder Geist? Fünf Fakten über die Unterschiede

Brand oder Geist? Fünf einfache Fakten zur Aufklärung

Alle reden über Obstbrand. Dabei meinen sie doch oft den Geist. Denn nicht alles, was gebrannt wurde, ist ein Brand. Und was haben eigentlich Gin und Himbeergeist gemeinsam? Wir bringen ein wenig Licht ins Dunkel der begrifflichen Verwirrungen.

Technisch gesehen sind gleich zwei Trendspirituosen – der immer noch mächtig gepflegte Hipster-Liebling Gin und das langsam, aber stetig prominenter werdende Nordlicht Aquavit – Geist. Was verbirgt sich hinter dieser Spirituosen-Kategorie aber genau?

Eigentlich sind alle Spirituosen irgendwie „Geist“. Was als Aussage den Gärungstechniker auf die Palme treibt, sieht zumindest der Klassische Philologe entspannt: Denn „spiritus“, das Grundwort hinter den Destillaten, bedeutet nun einmal auch „Geist“. Die „geistigen Getränke“, wie ein großväterlicher Ausdruck lautet, zeigen diese Verwandtschaft auch im Deutschen noch. In technischer Hinsicht liegen aber klare Vorgaben vor, wann man von einem „Geist“ spricht. Und auch die Sprachwissenschaftler nicken dann brav, wenn es bei der Methode dann „vergeistet“ heißen muss. Und nicht „vergeistigt“.

1) Geistes-Schwäche: Fermentierst Du eh selbst?

Das „geistige“ Prinzip hat der Destillationszubehör-Händler und Autor Kai Möller schön auf den Punkt gebracht: „Wir verwenden einen beliebigen Alkohol ohne eigenes Aroma und verleihen ihm den Geist aromatischer Kräuter, Gewürze oder Früchte“. Der bekannteste „Geist“ neben Frucht-Auszügen wie der Himbeere, wo dieses Wort ja am Etikett steht, ist sicherlich der Gin. Aber auch andere (spätere) Destillate, deren Aroma aus Nüssen, Gewürzen oder Beeren durch Auslaugung in Neutralalkohol gewonnen wird, sind Geist. Kümmel etwa oder Haselnussgeist, auch wenn sie ansonsten wenig gemeinsam haben. Dabei muss der Geist auch nicht immer „reinsortig“ sein, auch diverse französische Aperitifs, etwa das „Delixier“ der in Brive beheimateten Destillerie Denoix, bestehen aus einer Mischung an aromagebenden Stoffen. Anders als beim Gin, wo der Schwerpunkt der Botanicals neben Zitrusfrüchten meist bei Kräutern und Gewürzen liegt, kommen dafür Nüsse mit Orangenschalen, Erdbeeren und Himbeeren in den neutralen Alkohol.

2) Die das Aroma auswaschen: Geistreich I

Aber auch beim Ouzo oder dem französischen Pastis (beide nutzen das Anis-Aroma) findet die Technik Anwendung, deren Basis immer ein aromatischer Auszug ist. Das Mazerat wird dann nach der entsprechenden „Ziehdauer“ gebrannt. Je nachdem, wie flüchtig die Aromen sind, wird dies mit kalter oder warmer Mazeration gemacht. In Frankreich würde man dabei zwischen Infusion (heiß) und Mazeration (kalt) unterschieden. Die Dauer variiert je nach Frucht, eine Lagerzeit im „Primasprit“, dem neutralen Alkohol aus landwirtschaftlicher Erzeugung, kann auch mehrere Wochen betragen.

3) Die das Aroma wegschleppen: Geistreich II

Eine zweite Methode bringt das Aroma nicht durch Mazerieren zustande, sondern durch Dampf. Was in der britischen Tradition „Vapour Destillation“ heißt, hört bei uns auf den weniger spannenden Namen „Schleppdestillation“. Das Prinzip kennt man von einigen Gin-Herstellern, die mit einem „Geist-Korb“ arbeiten, der oberhalb des Brennkessels angebracht ist. Der Neutralalkohol wird erhitzt, bis er in Dampf übergeht und durch den Korb strömt, der mit den Botanicals gefüllt wurde. Neben Wacholder können darin Zitronengras, Kümmel, Minze, aber auch Knoblauch, Rosenblätter, Galgant oder Lavendel lagern. Stoffe, bei denen das Auslaugen auch Beigeschmack erzeugt, etwa erdige Noten oder Bitterstoffe, eignen sich tendenziell besser für die Dampfdestillation.

4) Mystische Säuberung: Geist der Pflanzen

Im Grunde liegt hinter dem Vergeisten ein altes alchimistisches Prinzip. Die „Quinta Essentia“, das übertragbare „Wesen“ oder eben der Geist eines Stoffes wird dabei auf einen eigenschaftslosen Stoff (prima materia) übertragen. Zuerst muss dieser aber gereinigt werden – wie eben auch der möglichst neutrale Alkohol. Erhalten hat sich das Reinigen von Pflanzen durch Destillation in der von Paracelsus begründeten Spagyrik, wenn man so will, dem medizinischen Zweig der Alchimie. Auch hier will man den „Geist“ eines Stoffes, seine heilkräftigste Form, erhalten.

5) Der Geist ist billig: Die Sicht des Brenners

Bei der Gutsverwaltung Bürg, die sich in Württemberg dem Himbeeranbau widmet, erklärt man auch die Mathematik hinter der Preisdifferenz zwischen Destillat (vergorener Alkohol aus dem jeweiligen Rohmaterial) und Fruchtauszügen in Neutralalkohol. Der geringe Zuckeranteil der Beeren, rund 5% der Masse, bringt es bei Alkohol aus Vergärung der Früchte mit sich, dass Nikolaus Freiherr von Mentzingen in Neuenstadt „beispielsweise aus ca. 50 Kilogramm Himbeeren nur einen Liter Destillat gewinnt“.

Der Geist ist hier also deutlich günstiger zu erzeugen, im konkreten Fall kommt der Himbeerbrand auf einen Literpreis von 110 Euro, der Geist auf 36 Euro. Wer also hauptsächlich zuckerreichere Früchte vergärt, sieht den Geist eher als Nebenthema. David Gölles von der gleichnamigen österreichischen Manufaktur hatte gemeinsam einen Schokoladen-Geist mit seinem Landsmann Sepp Zotter gefertigt. „Für den haben wir erst einen eigenen Zuckerrohr-Brand gefertigt und mit diesem im Anschluss die Kakaobohnen überzogen“. Will man derlei außergewöhnliche Aromen einfangen, bleibt das Vergeisten die Methode der Wahl.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Juni 2016 auf MIXOLOGY Online. Für diese Wiederveröffentlichung wurde er mit einem neuen Bild versehen und minimal adaptiert. 

Credits

Foto: Mr. Music – stock.adobe.com

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