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Charles Roll Fever Tree

„Filler-Start-Ups rauben mir nicht den Schlaf“

Charles Rolls, Gründer von Fever-Tree und ehemals Eigentümer von Plymouth Gin, verbindet eine persönliche Beziehung mit dem Chinin. Darüber, aber auch warum er seine Filler verstärkt mit Spirituosen-Giganten entwickelt, spricht der Unternehmer im Interview.
Der Begründer der Premium-Mixer-Kategorie trinkt heute ein Ginger Ale. Charles Rolls blickt mit seinem Fever-Tree-Kompagnon Tim Warrillow auf ein großartiges Geschäftsjahr zurück. Im Vorjahr machte die Fever-Tree Drinks PLC 170,2 Millionen Pfund Umsatz, selbst im Heimatmarkt Großbritannien, wo 2005 alles begann, legte man beim Umsatz 96 Prozent zu. Der 61-jährige Rolls, dem dieses Jahr allein der Verkauf von knapp 3 Prozent Firmenanteilen 100 Millionen Euro beschert hat, ist britisches Understatement pur. Er trägt den Hemdkragen offen, scherzt im Interview mit MIXOLOGY ONLINE über das „Problem Wachstum“ und erklärt, wo für ihn die geschmackliche Kreativität aufhört.
Mister Rolls, Tonic Water ist ja untrennbar mit dem Aufstieg des Gins verbunden. Irgendwann geht der Gin-Konsum aber wieder zurück. Was dann?
Charles Rolls: Wachstum ist ja an sich nichts Schlechtes. Und man muss auch zurückblicken: Vor dem Vodka war Gin die weiße Spirituose schlechthin. Das war massiv, gerade auch in Cocktails. Der Gin hat also momentan gerade eine Wiedergeburt und manche erleben das als Einführung in den Geschmack. Entweder in den klassischen, mit viel Wacholder, oder eben in die neuen Richtungen, die floraler, zitrusfruchtiger oder auch krautiger sind. Das wird noch Jahre so gehen. Und ganz ehrlich: Man kann schlimmere Probleme haben als Wachstum.
Der Gin-Boom bringt aber auch immer mehr Anbieter von Fillern – von Start-Ups bis zu Getränkekonzernen – auf den Markt. Wie geht man damit um bei Fever-Tree?
Charles Rolls: Ich erinnere mich noch an die Anfänge von Tim und mir, da wollte kein Journalist etwas schreiben, weil es keinen Mitbewerber gab. Dann kamen neue Firmen und plötzlich war das interessant, weil man über eine ganze Kategorie schreiben konnte. Aber zurück zur Frage: Es mögen ja vielleicht 100 Marken sein, die es bereits als Mitbewerber gibt. Doch als wir 2007 mit Fever-Tree in Spanien begonnen haben, waren es dort allein auch schon 60. Ich bin da aber ehrlich gesagt nicht allzu besorgt über die neuen Anbieter. Sieht man sich die Zahlen in Großbritannien an, dann haben wir einen wertmäßigen Marktanteil von 40 Prozent – und alle Kleinen zusammen kommen auf 4 Prozent. Das raubt mir wirklich nicht den Schlaf.
Welche Märkte sind die wichtigsten für Fever-Tree? Wo liegt Deutschland?
Charles Rolls: Deutschland ist ein wichtiger und wachsender Markt für uns, vor allem beeinflusst er Europa ganz massiv. Die USA wiederum, wo wir 2007 gestartet sind, sind unser zweitgrößter Landesmarkt, wobei die EU insgesamt wieder mehr verkauft als die USA. Unser Heimmarkt UK wiederum macht mehr als die Hälfte aller Verkäufe aus.
Was die Barszene gerne ausblendet, aber für Produzenten natürlich ein Thema ist: Wieviel wird von den sogenannten „Fillern“ eigentlich pur konsumiert?
Charles Rolls: Das haben wir in Deutschland erst im Mai abgefragt und die Ergebnisse sind spannend: Beim Tonic ist das natürlich ein kleiner Anteil. Aber bei Ginger Ale und Ginger Beer hält sich das beinahe die Waage zwischen Mixen und Purgenuss. Das ist für uns als Firma natürlich eine Chance zum Wachstum. Denn wenn wir die besten Zutaten verarbeiten, warum soll das nicht auch pur schmecken? Das wäre für einen denkenden Verbraucher nur logisch – und die waren immer unsere Zielgruppe.

 »Wenn wir bei Fever-Tree nur die besten Zutaten verwenden, warum soll das nicht auch pur schmecken?« – Charles Rolls

Die Geschmackrichtungen der Filler werden, vorsichtig gesagt, immer kreativer. Wo ziehen Sie eine Grenze, was geht gar nicht für Fever-Tree?
Charles Rolls: Die Grenzen setzen Tim und mir alle Produkte, die nicht dem Spirit von Fever-Tree entsprechen würden. Um ein Beispiel zu geben: Als wir unser „Aromatic Tonic“ konzipierten, dachten wir zunächst über die Farbe nach. Rosa war da – nicht nur wegen des Pink Gins – eine große Sache in England. Wir wollten aber dann nichts Triviales machen wie „Peach & Prosecco“, sondern mit Klasse. So kam es zu Angostura in der Rezeptur. Also: Es wird also auch weiterhin kein „Pfirsich & Prosecco“ von uns geben.
War die jüngste Zusammenarbeit mit Patrón – ein Citrus-Tonic speziell für Tequila – eine einmalige Sache oder kommen jetzt vermehrt speziell für Marken kreierte Filler?
Das war bestimmt keine einmalige Aktion. Denn das ist auch keine Neuigkeit. Schon 2005, als wir begonnen haben, klopften wir bei Diageo an. Die hatten zwei Gins. Gordons wurde mit Schweppes beworben, aber sollten sie für ihr Premium-Produkt Tanqueray den gleichen, altbekannten Filler anbieten? Das war unser Argument und binnen eines Jahres haben sie in Spanien mit uns gearbeitet. Fever-Tree ist da so etwas wie der Katalysator für höhere Verkäufe, es gab ja auch schon kleinere Promotions mit Havana Club. Aber Patrón war von der Zusammenarbeit, die global und bis hin zu den Garnituren der Drinks erfolgte, aufregend für uns.
Das wird aber recht verwirrend für Bars und Kunden, wenn ich zu jeder braunen Spirituose auch noch einen passenden Filler habe?
Charles Rolls: Ich sehe da kein großes Problem für die Bars. Für die Konsumenten ist es sicher aufregend, wenn es an der Bar eine große Auswahl gibt.

»Es ist kurios: Heute stammt das Chinin für mein Unternehmen genau von dort, wo damals die Medizin gegen mein Malaria herkam.« – Charles Rolls

Je mehr Zutaten, vor allem rare Botanicals, in die Filler kommen, desto wichtiger werden die Rohstoff-Märkte. Sichern Sie sich hier auch schon mit mehreren Anbauländern gegen Ausfälle ab?
Das wird zunehmend ein Thema. Wir hatten etwa den Ingwer ursprünglich aus Ecuador. Dann fiel eine Ernte vernichtend klein aus und ich hatte den großartigen Job, an der Elfenbeinküste Ersatz dafür zu finden. Das gehört aber zu unserer Philosophie. Als wir begonnen haben, dachten alle „Oh, ihr macht jetzt eine billigere Version von dem, was es schon gibt“. Nein, wir suchen die besten Rohstoffe!
Das Chinin kommt bei uns etwa aus dem Kongo und da haben wir auch Aktien des Herstellers angekauft, um das zu sichern. Das kommt als weißes Pulver, das man fast mit einem anderen verwechseln könnte (lacht). Aber ich kenne dieses Chinin gut, da ich selbst Malaria hatte. Denn es ist komisch, wie das Leben oft spielt. Vor 35 Jahren wäre ich fast gestorben an der Krankheit, bis man mir Chinin verabreicht hat. Heute kommt es für mein Unternehmen genau von dort, wo damals die Medizin herstammte, die mein Leben gerettet hat.

Credits

Foto: Roland Graf

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