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“Geil, deswegen bin ich hier!” – Laura Maria Marsueschke im Porträt

Das Thelonious wohnt in der Weserstraße in Berlin-Neukölln, und seine Hauschefin ist Laura Maria Marsueschke. Auf ein Gespräch über das, was ihre Bar zusammenhält, wie sie zu ihrem Beruf kam – und warum es eigentlich um dieses Stück Holz zwischen Gast und Alkohol geht.

Es ist nicht so, dass man zwingend darüber stolpert. Inmitten der Neuköllner Unzähligkeit an Bars und Restaurants, Spätis und Orten, die zwischen Tattoostudio, Platten- und Vintageboutique oszillieren, liegt das Thelonious.

Im Sommer ist es etwas einfacher, da stehen nämlich zwei Biergarnituren draußen, deren Maße das Ordnungsamt regelmäßig kontrollieren kommt. Und selbst, wer auch die nicht gesehen hat, Laura hat man bestimmt schon einmal die Weserstraße entlang skaten sehen. Oder im Tier sitzen, einer der Neuköllner Tresen ihrer Wahl, sollte sie ihren eigenen einmal verlassen. Das kommt nicht allzu oft vor, denn das Team im Thelonious ist klein und die Bude ab 22 Uhr in der Regel voll.

Fünf Jahre gibt es die Bar mit Namen des Jazzmusikers Thelonious Monk nun, im Moment läuft Hip Hop, der tatsächlich etwas jazzig anmutet. Wir sitzen am Tresen, trinken Weißweinschorle und sprechen über das letzte halbe Jahrzehnt seit Firmengründung, seitdem aus einer queeren Galerie im Nomansland eine der Berliner Bars geworden ist, über die man spricht.

Laura Maria Marsueschke: Bar braucht keine Rolltreppen von Tegel

Zuerst muss ich aber noch einen Rosinen-Dattellikör probieren, den sie heute für den Champagnuary, den Monat der Anti-Vorsätze, kreiert hat; trägt nämlich einen Gips am rechten Arm, Sportunfall, natürlich. Über die Bar an sich ist mittlerweile genug gesprochen worden, über Laura Maria selbst nicht allzu viel.

Gut, letzte Woche im Tagesspiegel, aber so ist das eben, wenn man sich in die Riege der “besten Bars der Hauptstadt” gemixt hat. Was hält Laura Maria von Betitelungen dieser Natur – wo wir doch alle wissen, dass es in einer Stadt dieser Größe keine feststehend besten Bars geben kann? “Natürlich freut sich jede darüber, wenn die eigene Arbeit geschätzt wird, keine Frage. Aber gerecht wird man den Bars da eben selten, ob man nun zu den erwähnten gehört oder zu den anderen.”

Denn wer nicht erwähnt wird, war für gewöhnlich schlichtweg nicht auf dem Radar des Journalisten – und wer erwähnt wird, ist auf alle Zeiten auf einen bestimmten Eindruck einer einzigen Person in einer konkreten Situation festgelegt. “Dabei geht es doch um das Gesamterlebnis, den Abend, die Interaktion, Stimmung, alles. Das ist wie mit Restaurantkritiken: Klar kann jemand aufschreiben, dass das Lachstartar lecker ist, aber über die Zeit, die man dort verbringt, weiß ich dann noch immer nichts.”

Und dabei gab es im Falle der Thelonious Bar bislang ausschließlich positive Berichte. Allzu positiv – der Lonely Planet listete die Bar jüngst unter die besten drei der Stadt, entgegen Lauras Bitte, das nicht zu tun. “Da kann ich mir ja gleich ‘ne Rolltreppe von Tegel und Schöni hierher legen lassen!“ Touris sind bei ihr natürlich herzlich willkommen. Vielleicht aber nicht in Scharen, nicht für Junggesellenabschiede und nicht mit Gelage-Absichten. Den beiden Touristen, die gerade zufrieden den Tresen verlassen und sie um weitere Stationen des schönen Trinkens bitten, schlägt sie die Orte ihrer persönlichen Wahl vor: Tier und Velvet.

Ziemlich Bock auf Menschen

Sich ein Blatt vor den Mund nehmen, das ist Laura Marias Art nämlich so gar nicht. Sie liebt es zu sprechen, und sie liebt Sprachen. Das hat sie dreimal gesagt – und ich fürchte eine Heuschreckenplage, wenn ich diese Tatsache auslasse.

Laura Maria Marsueschke – das merkt man schnell – ist ein Mensch, der nicht gerne still sitzt. Frei nach dem Credo “Stillstand ist der Tod”, hat sie sich auch in Berufsbranchen und auf der Landkarte in unterschiedlichen Gefilden getummelt. Beim Gassigehen mit Hund Charlie um das Schloss Charlottenburg in ihrer Geburtsstadt Potsdam stößt die 12-jährige zum ersten Mal auf die Kneipe “Charlie”, wo sie ihr erstes Bier gezapft hat.

“Der Wirt hatte immer ein Lächeln auf den Lippen und mir ein Glas Orangensaft hingestellt; dort habe ich mich wahnsinnig wohl gefühlt.” Gastgebertum, das war früh klar, ist immer schon Laura Marias Ding gewesen. Eine ihrer Stationen war das Sternerestaurant Margaux  – ein Ort, der in puncto Disziplin extrem wichtig war für ihre Entwicklung, findet sie heute. Es folgte Arbeit in der ägyptischen Hotellerie, ihre ersten Longdrinks mixte sie in einer Schweizer Bar. Sie führte als Betriebsleiterin ein Kaffeehaus in Berlin, arbeitete bei einer Cateringfirma, begann eine Ausbildung und startete als Bartenderin in der Yuma-Bar.

“Ich hatte damals keine Ahnung von Bier, aber immer Bock auf körperliche Arbeit, auf Organisation und eben auf Menschen.” Sie denkt sichtlich nach: “Ich steh’ wirklich wahnsinnig auf Menschen,” freut sie sich. Schlüsselmoment für ein Leben in der Gastronomie ist der gemeinsame Gin & Tonic mit einem Kollegen in einer ägyptischen Nacht: “Ich war Anfang 20, und wie wir über unser Verständnis von Hospitality gesprochen haben, war mir klar, dass das meins ist, das wollte ich sein: Gastgeberin.” 2014 eröffnete sie, gemeinsam mit der Yuma-Crew, das Thelonious; ein Jahr später aber trennte man sich aufgrund von verschiedenen Auffassungen. Seitdem führt sie die Bar alleine.

Geil, deswegen bin ich hier!

Dass sie bereits an vielen Orten gearbeitet hat, hilft ihr beim alltäglichen Tausendsassatum ungemein. Sie liebt das Viele, das Gleichzeitige und niemals nie das Monotone. “Wenn man sich in Sekundenbruchteilen auf neue Menschen einstellen muss, werde ich warm. Der eine Gast hat Liebeskummer, der andere will einen Manhattan, der dritte sucht das Gespräch und die anderen beiden den richtigen Drink zum ersten Date – geil, deswegen bin ich hier!”

Die größte Gefahr im Umgang mit medialer Aufmerksamkeit sieht Laura Maria darin, irgendwann zu denken, man habe ausgelernt. “Nach jeder noch so tollen Review muss ich genauso viel tun wie vorher, wie engstirnig und dumm wäre es denn, sich auf irgendwelchen Lorbeeren auszuruhen?” Laura Maria, auch hier Freundin klarer Worte. “Ein Charles Schumann ist ja auch nicht dort, wo er ist, weil er irgendwann gesagt hat, jetzt weiß ich aber genug.”

Was sie jedem jungen Bartender raten würde? Den Anfang in einer Kneipe zu wagen und später in eine gute Bar zu wechseln. An keinem anderen Ort lerne man so gut, mit schwierigen und betrunkenen Menschen umzugehen und mit verschiedenen Stimmungen zu hantieren. Außerdem zuhören und annehmen. Regelmässig Alkoholpausen einlegen. Und irgendwann in sich selbst reinhorchen und checken, ob „es“ das ist. Leidenschaft muss schon da sein.

Es geht um das Stück Holz

Und in puncto Hype und Fame? Etwa … durch Berichterstattung in sogenannten Bar Magazinen? “Anerkennung ist super, aber grundsätzlich geht es darum, zu reflektieren und den Bezug zur Realität nicht zu verlieren.” Ihr geht es darum, dass man einem Bericht nicht nur abliest, dass er ehrlich gemeint ist, sondern auch erkennt, wie und worüber jemand da spricht. “Es geht ja nicht immer um Verdienst. Einen Haufen Influencer abfüllen kann doch jeder.”

Und dann sagt sie noch etwas, das zwar branchenübergreifend wahr ist, gerade wir in der Gastro-Gemeinschaft uns allerdings öfters mal in den Spiegel sagen sollten: “Es geht hier nicht um dich.” Sowas von. Und es wird noch besser: “Es geht nicht nur nicht um uns Bartender, es geht auch nicht nur um den Gast. Es geht wortwörtlich um die Bar – um das Stück Holz, das den Gast vom Alkohol trennt und das, was sich auf ihm abspielt: Das ist Barkultur.”

Ich habe nichts zu ergänzen. “Das schreibt die bloß, weil sie selbst immer dort abhängt”, könnte man mir jetzt vorwerfen. Die Wahrheit aber ist umgekehrt: Die hängt da immer ab, weil es wahr ist, was sie da schreibt.

Credits

Foto: Tim Klöcker

Comments (2)

  • Jan-Peter

    Den letzten Satz habe ich in der Form echt fast gedacht. Touché 🙂

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  • Juliane

    Daher ja die Aufklärung. You’re welcome. 🙂

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