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Von Fehlgeschmack und fehlendem Geschmack

Der Sommer ist da. Zeit für einen Besuch im Park, ein bisschen Sonnenbaden und natürlich ein kühles Bierchen zur Erfrischung. Super, dass es jetzt diese neumodischen Pale Ales, mit ihren fruchtigen Hopfenaromen gibt. Doch was ist das? Das Bier schmeckt irgendwie so säuerlich.
Muss das so sein? Ist das jetzt Craft? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich hat sich hier eher ein Fehlgeschmack eingeschlichen. Doch was genau ist eigentlich ein Fehlgeschmack? An verschiedenen Stellen des Weges, von der Bieridee im Kopf des Brauers zum Gaumen des Konsumenten, kann sich das Bier unerwünscht verändern. Dabei gibt es leider etliche Fehlerquellen und kritische Punkte. Angefangen von geringer Rohstoffqualität, über Probleme in der Brauanlage oder der Sorgfalt beim Brauen, bis hin zu Lagerung und Transport bei Distributor, Einzelhändler und Konsument.
Ein Bier braucht Zeit und Fürsorge
In erster Instanz hängt natürlich alles am Brauer. Er erschafft die Rezeptur in seinem Geiste, stellt die Rohstoffe zusammen und braut dann, wenn alles gut geht, ein leckeres Bier. Wenn aber die nötige Geduld und Sorgfalt fehlen, kann das auch schief gehen. Zum Beispiel bei der Gärung.
Garrett Oliver, der Braumeister der Brooklyn Brewery, postulierte einst: “Es ist ein Irrglaube, dass die Hefe für den Brauer arbeiten würde, der Brauer arbeitet für die Hefe.”
Fühlt sie sich nämlich nicht wohl und findet nicht die richtigen Temperaturen vor oder wird die Gärung zu schnell abgebrochen, verbleibt im Endprodukt zu viel Diacetyl und damit ein buttriger bis ranziger Geschmack. Nicht für jedes Bier und jeden Gaumen geeignet.
Going viral
Doch selbst wenn der Brauer den Prozess bis nach der Gärung perfekt im Griff hat, bleibt es kritisch. Besonders die Flaschenabfüllung, ist der perfekte Angriffspunkt für Keime wie das Essig- oder Milchsäurebakterium. Die Bierhefe gärt nicht mehr und kann die ungewollten Eindringlinge nicht verdrängen, die dann in aller Ruhe die restlichen Zucker im Bier vertilgen und die sauren Noten erzeugen. Das Bier „kippt um“.
Um diese Gefahr gar nicht erst einzugehen, füllen viele kleine Brauereien ihr Bier nicht in Flaschen ab, sondern servieren ihr Bier ausschließlich frisch vom Fass. Wie beispielsweise das Hops & Barley in Berlin, welches eine Referenz für absolut klar gebrautes, naturbelassenes Bier in Gasthausbrauereien ist.
Der Konsument in der Pflicht
Kommt ein nicht pasteurisiertes, ungefiltertes Bier trotzdem in die Flasche, sind vor allem auch Händler und Konsumenten in der Pflicht es stets dunkel und kühl zu lagern. Denn auch wenn keine Infektion durch unsaubere Abfüllanlagen oder Flaschen besteht, kann die noch aktive Hefe das Bier verändern. Bei einigen Biertypen ist eine Flaschengärung und -reifung durchaus erwünscht, aber das sind eher Ausnahmen und das frische Pale Ale wird am besten so ruhig wie möglich gestellt. Das trägt auch zum Erhalt der intensiven aber flüchtigen Hopfenaromen bei, wie sie hopfengestopfte Biere mitbringen. Diese ätherischen Hopfenöle reagieren sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen und schnell ist das fruchtigste Pale Ale nur noch ein langweiliger Schatten seiner selbst.
Hopfen hat zudem noch eine anderen Feind: UV-Licht. Werden die Bitterstoffe im Bier erleuchtet, setzt ein chemischer Prozess ein, der 3-Methyl-2-buten-1-thiolerzeugt. Das Bier riecht und schmeckt sehr schnell skunky, was einen Bereich von sehr grasig bis zum Raubtierkäfig abdecken kann. UV-Strahlung wird am einfachsten durch Braunglas abgehalten, weshalb der neue Craft-Beer-Trend in diese Richtung oder zur Dose tendiert. Mittlerweile gibt es zwar auch für Grün- und Weissglas spezielle Beschichtungen, diese sind aber teuer und werden von größeren Brauereien eingesetzt. Der spezielle Charakter von Becks wurde übrigens durch Lichtgeschmack geprägt und es wird gemunkelt, dass die Brauerei diesen nun künstlich und kontrolliert nachstellt, bevor das Bier ins beschichtete Grünglas wandert.
Doch keine Angst, der sommerliche Parkbesuch mit Bier ist nicht in Gefahr. Wichtig ist nur, dass das Bier vorher so lange wie möglich durchgehend kühl und dunkel aufbewahrt wird. Also am besten die Kühlbox direkt aus dem Kühlschrank befüllen.
 
Offenlegung: Robert Pazurek ist Mitbegründer des deutschen Bierbewertungsportals www.bier-index.de
 

Credits

Foto: Löwe via Shutterstock

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