„Die Champagne wird nicht nur feminin sein, sondern sie muss auch feminin sein.“
Die Champagne ist reich an Interessensverbänden mit einer geteilten Passion für ihr begehrtes Aushängeschild Champagner. Mit „La Transmission – Femmes en Champagne“ rund um Initiatorin Anne Malassagne von A. R. Lenoble macht sich erstmals ein Frauenkollektiv stark für Terroir, Diversität und Image des luxuriösesten Schaumweins der Welt. Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Seit mehr als zehn Jahren formieren sich Interessensverbände der Champagne für Le Printemps des Champagnes. Es handelt sich um ein einwöchiges Get-together mit internationalen Importeuren, Restaurants, Sommeliers und Weinhändlern der Champagne, deren Weinberge seit 2015 zu der Liste des Unesco-Weltkulturerbes zählen. Dann präsentieren Terres & Vins de Champagne, die die Frühjahrsveranstaltung 2009 in Aÿ ins Leben gerufen haben, Passion Chardonnay, Les Pépites des Indépendants, Club Tresors de Champagne, Le Cercle des Créateurs de Champagnes Confidentiels, Bulles Bio en Champagne und viele andere das bekannte Terroir und die Vielfalt der Champagner-Qualitäten.
Bei Tastings und Workshops geben sie auch Einblick in ihr Leben, das Handwerk und die streng reglementierte Herstellung des herkunftsgeschützten Weines und seiner individuellen Nuancen. Sich zusammenzuschließen und auszutauschen hat in der nordfranzösischen Weinregion Tradition. Stets mit dem Ziel verbunden, die Herstellung des weltweit beliebten Schaumweines zu perfektionieren.
Kollektiv aus neun weiblichen Führungskräften
Seit rund fünf Jahren bemüht sich dessen auch „La Transmission Femmes en Champagne“, ein Kollektiv aus neun weiblichen Führungskräften oder Eigentümerinnen etablierter Champagner-Häuser mit dem Ziel, die Vielfalt der Champagne mit vereinten Kräften zu fördern. Margareth Henriquez, Präsidentin des Champagnerhauses Krug unter der Ägide des französischen LVMH-Konzerns, teilte Anne Malassagnes damaligen Wunsch nach einem Netzwerk aus Frauen zum Austausch über Expertise, Erfahrung und Know-how auf Anhieb. Bald darauf wurde auf die Gründung der ersten weiblichen Interessensgemeinschaft angestoßen.
„Diese Gruppe sollte nicht einfach nur aus Frauen, sondern aus Repräsentantinnen der Champagne bestehen. Wir sind neun engagierte Persönlichkeiten an der Spitze von unterschiedlich großen Häusern aus allen Regionen der Champagne, haben verschiedene Hintergründe und stammen aus unterschiedlichen Generationen. Diese Diversität spiegelt auch jene der Champagne wider“, erklärt Ideengeberin Anne Malassagne von A.R. Lenoble.
Mittlerweile sind auch Evelyne Boizel von Champagne Boizel, Delphine Cazals, Eigentümerin von Champagne Claude Cazals, Charline Drappier, Miteigentümerin Champagne Drappier, Chantal Gonet, Miteigentümerin Champagne Philippe Gonet, Alice Paillard, Miteigentümerin Champagne Bruno Paillard, Vitalie Taittinger, Miteigentümerin Champagne Taittinger und Mélanie Tarlant, Miteigentümerin Champagne Tarlant, Teil dieses femininen Kreises. „Im Kollektiv zu arbeiten macht uns stärker. Mit unseren Aktionen wollen wir Menschen die Vielfalt des Champagners entdecken lassen. Wir wollen ihnen nahebringen, dass Champagner die schönste Form ist, guten Wein zu probieren. Denn er hat die Fähigkeit, einfache Momente in einzigartige zu verwandeln“, ist Anne Malassagne überzeugt.
Champagner ist Genuss ohne Reue
Neben gemeinsamen Aktivitäten und regem Erfahrungsaustausch setzen die „Femmes en Champagne“ auf Diskussions- und Themenrunden zu Nachhaltigkeit oder zukünftigen Herausforderungen wie globaler Erwärmung, aber auch auf Tastings oder Workshops zu Champagne-Pairings. Wie leicht Champagner zu kombinieren ist, vermitteln sie beispielsweise auch bei Pairings mit einem weiteren französischen Nationalgut, dem Käse. „Es ist eine gute Gelegenheit zu zeigen, wie bedeutend die Glasform für den Genuss von Champagner und wie leicht es ist, Champagner zu kombinieren. Wir laden unsere Gäste ein, zu teilen und zu versuchen. Wir sollten niemals zögern, eine Flasche zu öffnen, denn Champagner ist Genuss ohne Reue. Sei es zur Käseplatte, bei Treffen mit Freunden oder beim Familienpicknick“, ist Anne Malassagne sicher.
Das will man auch der jüngeren Generation mit anderen Konsumgewohnheiten, gestiegenen Ansprüchen auf Transparenz und Informationsbedürfnis vermitteln, ihr mit Schlichtheit und Aufrichtigkeit begegnen. „Das Publikum unserer Workshops ist oft jung und sehr interessiert an Champagner, den wir mit mehr Offenheit und Authentizität präsentieren. Es liegt an uns, mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, sagt die Lenoble-Eignerin. Schließlich will man auch die zugängliche, nonchalante und weniger versnobte Facette des Champagners betonen. Wenn die Situation es zulässt, will die Damenrunde im Oktober sogar schon ihr erstes, vorerst in Französisch gehaltenes Buch der Öffentlichkeit präsentieren: ein Rezeptbuch über Champagner-Pairings und einem Fokus auf die Besonderheiten der Region.
Zur Rettung des Hauses aus Paris zurückgekommen
Wie hilfreich und bedeutungsvoll der Zusammenschluss und Austausch mit Gleichgesinnten ist, weiß Anne Malassagne nach 28 Jahren als Verantwortliche für Marketing, Verwaltung und Verkauf im familiengeführten Haus A.R. Lenoble zu schätzen. Leicht sei es anfangs nicht gewesen, sagt sie, als sie 1993 ihren Vater in der Erhaltung des krisengebeutelten Hauses zu unterstützen und dieses vor dem beabsichtigten Verkauf zu retten beginnt. Ihr älterer Bruder, ein Chirurg in Paris, kam dafür nicht in Frage. Ihr jüngerer Bruder war damals noch Student und zu jung für diese Herausforderung.
„Das Haus für die Familie zu erhalten gab meinem Leben einen Sinn“, denkt die heutige Leiterin des Familienweinguts zurück. Das Schicksal beschleunigte ihre angedachte Entscheidung, die Welt der Kosmetik zu verlassen, um in die Region ihrer Vorfahren zurückzukehren. Als ihr Vater schwer erkrankte, verließ sie die Finanzabteilung des Kosmetikriesen L’Oréal in Paris und trat in die Fußstapfen ihres Vaters. „Damals war ich 28 Jahre alt und wusste nicht viel über Champagner“, blickt sie zurück. Es sei eine schwere Aufgabe gewesen, in der männerdominierten Welt des Weines beachtet geschweige denn anerkannt zu werden. „Frauen und insbesondere jungen Frauen, die keine Erfahrung im Weinbau hatten, wurde keine Anerkennung gezollt. Ich musste viele Jahre kämpfen, um andere von meiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen.“
Gemeinsam mit ihrem Bruder Antoine, der als Önologe für die Weinberge und die Weine verantwortlich zeichnet, leitet sie heute das Haus in vierter Generation. „Es ist nicht immer leicht, als Familie zu arbeiten, aber mein Bruder und ich haben sehr unterschiedliche Arbeitswelten. Darüber hinaus verfügen wir über gemeinsame Werte, die uns eine ruhige und effiziente Zusammenarbeit ermöglichen.“
Für ein gemeinsames Interesse ohne Ego
Wie bei La Transmission sprudeln nun geteilte Erfahrungen, Schicksale und Überlegungen, um gemeinsam voranzukommen und die Herausforderungen von morgen zu meistern. Aktiv wie einst deren namhafte Vorgängerinnen Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin oder Louise Pommery wollen Les Femmes en Champagne die Diversität der Champagne repräsentieren, ihr Image ohne kommerzielles oder eigennütziges Interesse weiterentwickeln.
„Auch die Stärke unserer Gruppe liegt in der Verschiedenheit und dem Wunsch, gemeinsam etwas aufzubauen. Frauen haben diese Fähigkeit, sich für ein gemeinsames Interesse ohne Ego und persönlichen Ehrgeiz zu vereinen“, so Anne Malassagne, denn: „Die Champagne wird nicht feminin sein nur, sie muss auch feminin sein.“
Credits
Foto: A. R. Lenoble