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Frisco Cocktail

Warum der Frisco Cocktail kein Schattendasein fristen sollte

Das Zusammenspiel von Whiskey und Bénédictine verleiht dem Frisco Cocktail, einem Klassiker aus den 1930er Jahren, sein Gerüst. Verkannt als Abwandlung des Whiskey Sours, steht der Drink darüber hinaus sinnbildlich für eine Stadt, deren Facetten er außergewöhnlich gut repräsentiert.
Wie die Möwen, die erhaben ihre Kreise um die der Stadt vorgelagerten Gefängnisinsel ziehen, nur um kurze Zeit später zielsicher und leicht befremdlich den von Seelöwen bewohnten Pier 39 anzusteuern, so hat sich vor ein paar Wochen auch meine Freundin verfolgen. Eigentlich sollte sie wie die Möwen in San Francisco landen, doch sollte sie dort nicht so lange bleiben wie die Seebären.

Down in Frisco

Was macht man also mit diesem unverhofften, als Stand-by-Passagier fast schon leidlichem Schicksal? So ein amerikanischer Flughafen – das ruft mir die Erinnerung der gähnenden Langeweile aus Dallas entgegen – hat ja auch nur einen, diplomatisch ausgedrückt, eher geringfügigen Unterhaltungswert. Glück hat man da, wenn San Francisco vor der Nase liegt.
Diese in Kalifornien verordnete Stadt, die sich auch im Sommer für den Fleece-Pulli empfiehlt; diese klebrig liberale Stadt voller Hipster, Start-Ups und Andersdenkender; diese alteingesessene Enklave der Franziskaner, dessen hügelige Straßenzüge einem jeden Lebergeschwächten ein hohes Maß an Ausdauer abverlangen. Die Stadt der Krebse und Lobster. Die namensgebende Cocktail-Stadt.

Frisco Cocktail ist mehr als nur ein Twist mit Bénédictine

Richtig gehört. Die an der amerikanischen Pazifikküste gelegene Stadt ist nämlich auch namentlicher Pate eines Cocktails, den man heutzutage kaum noch auf den Barmenüs dieser Welt antrifft: des Frisco Cocktails. Auf dem Papier klingt der aus Rye Whiskey, Bénédictine, Zitronen- und Limettensaft sowie (im Originalrezept) einer Cocktailkirsche zusammengeschraubte Drink erst einmal reichlich unspektakulär.
Tatsächlich aber ist dieser irgendwo in den 1930er-Jahren zu verordnende Drink, der 1934 zum ersten Mal seine Niederschrift in „The World’s Drinks and How to Mix them“ von William Boothby fand, jedoch mehr als nur ein langweiliger Twist auf den Whiskey Sour. Zum einen –  das wird häufig unterschätzt – fügt er dem Drink über eine zweite, süßlicher veranlagte Säurekomponente ein in diesem Geschmacksprofil deutlich breiteres Gewand hinzu, zum anderen besteht das Husarenstück des Drinks in der Vermählung der schweren, roggenlastigen Aromen mit dem herb-süßlichen, fast schon nach Medizin anmutenden Bénédictine, ohne dabei irgendwie künstlich oder kompliziert zu werden. Dafür ist er in seiner Komposition zu schlank, ja zu ehrlich.
In den 1940er-Jahren dann tauchten vermehrt Rezepte auf, die explizit nach Bourbon verlangten. Nun ist das ja per se nichts Schlechtes, nur sollte in jedem Fall darauf geachtet werden, dass die Dosierung des Bénédictine in Verbindung mit Bourbon deutlich restriktiver zu handhaben ist, da der Drink ansonsten leicht ins Süße abdriftet.

Frisco Cocktail fristet ein Dasein im Schatten der Großen

Ereilt den Frisco am Ende das gleiche Schicksal wie seinem Namensgeber? Ist er wie diese herrlich verschrobene Stadt, die im Schatten all der von Wolkenkratzern gesäumten New Yorks, Chicagos und Bostons steht, doch nur zweite Garde? Oder ist er als Klassiker einfach im unsicheren Fahrwasser des Whiskey Sours oder Old Fashionds abgesoffen?
Nein! Er ist ein Drink, der primär den kongenialen Aromen des Bénédictine huldigt und damit sekundär anders ist als irgendein x-beliebiger Twist. Ein individuelles, in Vergessenheit geratenes Stück Cocktailkultur, das wird alle einmal bestellen sollten. Ob in San Francisco oder ganz mutig gar in New York.

Credits

Foto: Tim Klöcker

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