FÜNF! mal der Bartender als Therapeut
Schwermütige Gespräche am Boulevard of broken dreams. Der Bartender als Ratgeber und Psychologe? Klischee, Klischee! Der Beruf ist doch viel ernsthafter, mögen viele meinen. Doch Augenblick: ja, doch ein guter Bartender ist auch ein Seelsorger. Vielleicht der beste. FÜNF! Gründe, die dafür sprechen.
Niemand wird heutzutage noch ernsthaft behaupten wollen, dass Bartender wirkliche Psychologen seien. Ein Haufen von Klischees und einschlägige Filmszenen haben über die Jahrzehnte zu einem Bild des immer Rat wissenden, verständnisvollen Hexenmeisters geführt, der so manchem Gast die imaginäre Couch zurecht rückt.
Trotzdem sind Bartender immer noch und zu jedem Zeitpunkt hervorragende Seelsorger. Punkt. Viele Menschen werden sich daran erinnern können, entweder geplant oder spontan mit ihrem Gastgeber hinterm Tresen einmal persönliche, gar intime Themen besprochen zu haben. Aber woran liegt das eigentlich? Ist der Bartender nur ein Beichtvater, der gleichzeitig ein Mittel parat hält, das die Zunge lockert? Was ist sinnvoller: ein vertrauter Bartender in der Stammbar oder aber ein unbekannter, bei dem die ausgeplauderten Geheimnisse in der Versenkung der Anonymität gesichert scheinen? Wir können es nicht abschließend klären.
Was wir aber durchaus tun können, ist es, FÜNF! Tatsachen zu versammeln, warum der Bartender ein begnadeter Therapeut ist.
1) Er MUSS zuhören
Dieser Grund scheint auf den ersten Blick nicht besonders überzeugend zu sein. Doch es stimmt: der Bartender muss einfach zuhören, zumindest wenn es nicht zu laut ist – denn er kann ohnehin nicht weg.
Diese Tatsache mag an so manchem Abend für das Tresenpersonal ein nervender Begleitumstand sein, doch er bietet dem Gast, der reden will den ersten Ansatzpunkt. Wer nicht weg kann, der bietet eine Konstante, etwas Festes, dem man sich letztendlich lieber anvertraut als dem Sitznachbarn.
2) Er KANN zuhören
Genug gemusst. Denn ein erfahrener Bartender oder eine gestandene Bartenderin KANN auch zuhören, selbst wenn das Thema nicht besonders interessiert. Doch das ist dann nur zweitrangig, denn wer sich als Gastgeber begreift, der geht auf die individuellen Sorgen und Bedürfnisse seiner Gäste ein. Der eine will über die Menge an Bitters im Old Fashioned reden, der nächste über Fußball. Und der dritte eben vielleicht darüber, dass er seine Freundin betrogen hat.
Freilich ist dieses Zuhören-Können etwas, das sich nur in einer ruhigen Atmosphäre praktizieren lässt. Wer sich also seinem Barman anvertrauen möchte, sollte sich dafür nicht unbedingt den Freitag Abend gegen 23 Uhr aussuchen. Denn der schmale Grat, der die liebevoll erfüllte Pflicht des Barpersonals von penetrantem Nerven trennt, gehört zu den schmalsten dieser Welt.
3) Der Unbeteiligte als Heiliger
Der Mensch, der bei seinem Bartender Hilfe sucht, mag manchen als verloren gelten: hat der denn sonst keine Freunde?! Doch das ist falsch gedacht. Oft ist es für einen Menschen mit Problemen nur wichtig, sich jemandem öffnen zu können, der nicht zu seinem direkten Umfeld gehört, der aber dennoch Festigkeit ausstrahlt.
Als Bartender strahlen wir diese Eigenschaften aus. Wir bewegen uns sicher in einem weniger normierten Umfeld, als dies bei den meisten andern Leuten der Fall ist. Wer sich bei uns Hilfe sucht, der zeigt uns damit implizit auch, dass er unser Berufsbild erheblich besser begriffen hat als ein Großteil der Gesellschaft. Der Bartender wird nie der beste Freund seines Gastes sein können. Doch manchmal ist das eben auch hilfreich.
4) Die Erfahrung der Nacht
Bartender haben durch ihren Job und ihre Arbeitszeiten mit so allerlei sehr „speziellen“ Personen zu tun. Denn der Grundsatz, dass man sich prinzipiell mit jedem Gast auseinandersetzen muss und eben nicht einfach fliehen kann, gilt nunmal für alle Gäste, nicht nur für solche mit seelischen Nöten. Das prägt. Und schult. Es gibt wohl nur wenige Menschen, die gleichmütiger, geduldiger und erfahrener im Umgang mit Problemen sind als Bartender.
Das macht die Thekenkünstler dieser Welt dann auch oft zu Gesprächspartnern, die eine andere Perspektive auf die Dinge haben. Vielleicht kann der Bartender durch seine Sicht sogar Ratschläge gegen, auf die der Freundeskreis niemals käme.
5) Manchmal braucht man einen Drink
Wenn die anderen vier Gründe nicht überzeugen konnten, dann dieser: es gibt Momente, da muss es ein Glas zur Beruhigung oder Selbstfindung geben. Oder einfach eins, das zu einem leichten Glimmer führt. Das hat nichts mit einem verantwortungslosen Umgang mit Alkohol zu tun, sondern mit einer realistischen Einsicht. Ein wenig rauschhafte Ablenkung muss eben manchmal sein.
Der Bartender des Vertrauens, der überdies auch alle anderen schon erwähnten Tugenden beherrscht, sorgt dafür, dass dieser Drink auch schmeckt. Wenn ansonsten schon alles andere gerade offenbar nicht so gut zu laufen scheint, dann sollten wenigstens die flüssigen Bekämpfungsmaßnahmen auch geschmacklich ein wenig Linderung verheißen. Und am Ende, wenn die Stühle auf den Tischen stehen und es Zeit ist, zu gehen, trinkt er bestimmt auch einen letzten Schnaps mit. Welcher echte Psychologe kann das schon von sich behaupten? Genau.