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FÜNF! „Bartools“, über die niemand spricht, Teil II

Der Kupfershaker bleibt im Schrank, genauso wie der Rührbecher aus Marmor. Wir schauen zum zweiten Mal auf die Underdog-Bartools hinter dem Tresen. Denn es gibt nicht nur die schillernden, blitzenden Prestige-Werkzeuge – nein, es gibt auch die dreckigen, schmucklosen, aber unentbehrlichen Dinge an jedem Tresen, ohne die die Arbeit kaum erträglich oder möglich wäre. 

Fast zwei Jahre ist es schon her, dass wir diesen Ort für ein kleines Loblied genutzt haben auf fünf Dinge, die in keiner guten Bar fehlen dürfen, die aber so alles andere als prestigeträchtig sind. Denn wer spricht schon über Putzlappen, Ausgießer, das Spreedrack, die Eiswanne und die Eisschaufel, wenn er doch edelmetallisch überzogene Shaker auf dem Brett stehen hat? Dabei ist die Bar doch voll von unscheinbaren, aber mehr als zweckmäßigen (und zugegebenermaßen oft nicht wirklich hübschen) Gegenständen, die eine professionelle Arbeit erst ermöglichen. Und zwar so viele, dass wir uns heute zum zweiten Male FÜNF! von ihnen widmen. Denn frei nach Andy Warhol soll ja jeder seine 15 Minuten Ruhm bekommen.

1) Das Poliertuch

Ein typisches Poliertuch ist ein klassischer Nebendarsteller. Nein, vielleicht ist es nicht einmal das. Es ist gar kein Darsteller, sondern vielleicht eher der Praktikant des Regieassistenten. Aber: Wehe, wenn der Regisseur keinen Kaffee bekommt!

Das Poliertuch verbringt im Gegensatz zu anderen Bartools viel Zeit mit Warten – im Regal, im Wäschekorb und an irgendwelchen Haken. Aber wenn sein großes Stündlein in den Händen des Barbacks schlägt, spielt es seine ganze Stärke aus. Denn es bringt jedes Glas nach dem Spülen wieder auf Hochglanz, den der Drink braucht, um überhaupt vernünftig inszeniert werden zu können. Haben Sie mal gesehen, wie schmierig auch ein gefrostetes Glas aussieht, das nicht vernünftig poliert worden ist?

Das Poliertuch ist ein geduldiger, stummer, aber unerlässlicher Partner für jeden exaltierten Tresenkünstler. Und ein bisschen Pflege braucht es aus: Es darf nicht zu heiß gewaschen werden, sonst stumpft es schnell ab (es muss auch nicht heiß gewaschen werden, weil es im Idealfall nie wirklich schmutzig wird). 100% Baumwolle sollten selbstverständlich sein. Es darf auch – um Himmels Willen – nicht gebügelt werden, da seine Fasern sonst abflachen und es sich nicht mehr richtig ins Glas schmiegt (auch wenn die Hausdame vielleicht etwas anderes behauptet). Und es ist wirklich nur für Gläser zuständig, sonst für nichts. Es gibt leider viele Gastronomien, in denen die Tücher Allzweckwaffen sind: Tische, Schmutz, gespülte Gläser werden damit bearbeitet. Das sollte nicht sein. Es empfiehlt sich eine Farbcodierung: Beispielsweise grün kariert für das Trocknen gewischter Tische, rot kariert für das Aufnehmen von Flüssigkeiten und blau eben für Gläser. Wenigstens soviel Beachtung und Hingabe hat das Poliertuch wirklich verdient.

2) Der Zestenreißer

Einen guten Zestenreißer bemerkt man eigentlich gar nicht. Das zeichnet ihn aus. Wer das Schneiden von Zitruszesten jedes Mal als Tätigkeit begreift, der verwendet in aller Regel eben keinen guten Zestenreißer.

Schon in einer mittelgroßen Bar kann es passieren, dass pro Abend zwischen 150 und 200 Zesten von Zitronen, Orangen, Grapefruits und Limetten geschnitten werden müssen. Jetzt rechnen Sie einmal aus, wie viel Zeit das Team pro Abend spart, wenn der Zestenreißer erstklassig schneidet, niemals steckenbleibt, nicht abrutscht und einem dabei in die Hand pflügt. Und über die Qualität der geschnittenen Schalenstücke haben wir noch gar nicht gesprochen! Ein erstklassiger Zestenreißer ist im Prinzip wie ein guter Nassrasierer. Er ist unprätentiös, bescheiden, er erledigt seine Arbeit stillschweigend – und er kostet auch, im Vergleich zu seiner Leistung, nicht wirklich viel.

3) Der GN-Behälter

Jeder Industriedesigner auf der Welt dürfte neidisch sein, den Gastronorm-Behälter nicht erfunden zu haben. So dermaßen vielseitig sind die unscheinbaren Metallquader, die es von ziemlich klein bis zur monströsen Wannengröße in fast jedem Format gibt.

Der Gastronorm-Behälter ist ein bisschen wie Chuck Norris: zeitlos, bodenständig, vielseitig – und absolut unverwüstlich. Die Behälter aus – natürlich! – rostfreiem Edelstahl sind so vielfältig einsetzbar wie keine anderen Schalen, Kästen, Dosen oder sonst was. Die Mise-en-Place kann mit Deckel versehen im Kühlhaus stehen, sogar gestapelt werden, und ist doch im entscheidenden Moment sofort abrufbar. Eis kann darin gelagert, ver- und bearbeitet werden. In den hygienisch einwandfreien Boxen lassen sich Premixes ansetzen. Und – wenn sich entsprechende Schienen und Racks an der Bar finden – lassen sich mit den kleineren Vertretern des GN-Behälters veritable Staffagen an vorbereiteten Zutaten und Garnituren griffbereit an der Bar installieren, ohne dass die Gäste irgendetwas davon sehen. Versuchen Sie das mal mit einer violetten Tupperdose.

4) Das Teesieb

Ja, Teesiebe – oder Finestrainer – gibt es heutzutage auch in abgefahrenen, teuren Ausführungen. Aber mal ehrlich: Wer braucht ein vergoldetes Teesieb? Viel wichtiger ist doch die Zweckmäßigkeit, wenn man schon pro Abend über 100 Drinks doppelt abseiht.

Von daher sollte beim Teesieb weniger auf die Farbfeatures, sondern eher auf die Beschaffenheit geachtet werden: Der feste Draht sollte keilförmig (nicht kreisförmig) geflochten und wirklich fest sein. Er darf auf Druck nur geringfügig nachgeben. Nur so bleibt er in Form und gibt nach dem Sieben einen festen Strahl von sich. Ein verformter Drahtkorb kleckert und matscht so sehr mit dem durch ihn gegossenen Drink umher, dass er dreifach Zeit kostet: Das Abseihen dauert länger, und danach muss man das Glas von außen reinigen und womöglich auch noch den Arbeitsplatz. Komplett ausscheiden sollten jegliche Finestrainer aus Kunststoff. Das sind tatsächlich Underdogs, die eine Bar nur in Begleitung einer Mülltonne betreten dürfen.

5) Das Leergutlager

Freilich ist das Leergutlager kein Werkzeug, erst recht kein Bartool im engeren Sinne. Es ist ein Ort, oft ein eigener Raum. Aber es ist dennoch ein Werkzeug von eminenter Wichtigkeit, der – bei korrekter Pflege – für viel zeitliche Ersparnis sorgen kann.

Das Verräumen von Leergut kann ein wahrer Graus sein. Oft ist es mehr oder weniger die letzte Handlung, die um halb vier Uhr morgens zwischen Bartender und Schichtende steht. Ist dann das Leergutlager ein chaotisches, dreckiges Durcheinander, hat natürlich niemand mehr die Muße, erst einmal das Chaos zu beseitigen. Die Folge ist meist, dass das Chaos einfach von Nacht zu Nacht weiter wächst. Ein aufgeräumtes Lager hingegen sorgt dafür, dass das Wegsortieren von Leergut zur Fingerübung wird, und es erhält sich selbst. Eben weil es nicht erst einmal für Frustration sorgt. Ausreichend Kästen für alle Mehrwegflaschen, ordentlich aufgeräumt, zudem mit genügend Platz für volle Leergutkisten sollten der Fall sein. Überdies ist ein (ausreichend großer!) Behälter für Alt- und Bruchglas ebenfalls nötig, am besten verschließbar – der gegenteilige Fall eines lose vor sich hinstehenden, fruchtfliegenanziehenden Sammelsuriums sollte abschreckend genug sein. Dann geht es auch ganz schnell mit dem Wegbringen der leeren Zeugnisse der Schicht. Und das Feierabendbier wartet nicht ganz so lange.

Credits

Foto: via Shutterstock

Comments (1)

  • Andy

    Ich habe die Funktion des oben abgebildeten Zestenreißers im Zusammenhang mit Cocktails nie verstanden. Klar kann man ab und zu mal diese futzelig kleinen Dinger oben rauf streuen, aber richtig oft macht man das doch nicht?

    Ist nicht viel eher das Kanneliermesser gemeint, so wie hier? http://feecreativkocht.blogspot.co.at/2014/02/verschiedene-kuchenwerkzeuge.html

    Mir ist klar, dass die Begriffe wohl wild durcheinander genutzt werden.. aber ich denke Ziselier- oder Kanneliermesser wäre korrekter?

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