TOP

FÜNF! Drinks mit Scharfmachern

Die Schärfe der kleine Schote macht Drinks mit Chili zu einer besonderen Gratwanderung. Denn wie Säure oder Süße kann sie die Balance zerstören.  FÜNF! Vorschläge, wie man das Feuer in Drinks bändigt.

Je mehr saisonale und selbstgemachte Zutaten den Bar-Alltag prägen, desto größeres Interesse herrscht auch an „Savoury Drinks“. Denn die Zutaten aus dem eigens angelegten Gemüsebeet wollen ja ebenfalls verarbeitet sein. Doch nicht alles, was verführerisch gelb, rot und grün blinkt, macht es dem Bartender auch einfach. Chili etwa lässt sich pur kaum einsetzen in Cocktails, zu mächtig ist das Capsaicin, jenes Stoffwechselprodukt, das wir als Schärfe wahrnehmen. Die nach dem Amerikaner Wilbur Scoville benannte Scoville-Skala der Schärfe gibt zwar einen guten Anhaltspunkt, für die praktische Arbeit macht sich aber vor allem ein physiologisches Detail bezahlt, will man den Gast nicht für immer verlieren. Denn die Konzentration des Capsaicins ist dort am höchsten, wo es entsteht – in den Trennwänden der Chilis. Das Fruchtfleisch selbst hat nur rund die Hälfte der Schärfe dieses Teils.

Fett- und alkohollöslich, kam Chili erst spät zu Drink-Ehren. Im „Savoy Cocktail Book“ sucht man ihn vergeblich, David Embury hält ihn für eine Verirrung. Dabei lassen sich auch Klassiker – ein „Dirty Martini“ mit der Lake eingelegter Jalapeños etwa – durchaus „verschärfen“. Und so startet auch unsere Rubrik der FÜNF! scharfen Cocktails mit einem Twist.

1) Verschärfte Klassik – Die errötende Maria

„Außer Botanikern würde niemand eine Paprika eine Beere nennen“, feixt Amy Stewart. Doch die seit 5.000 Jahren bekannten Varietäten von Capsicum annuum werden tatsächlich als Beeren geführt. Womit sich auch eine Verwandtschaft zur Tomate ergibt, mit der Chili gerne kombiniert wird. Die Fruchtigkeit und Säure trifft dabei auf die Schärfe, wie auch Amy Stewarts Rezept aus ihrem „Botanischem Barbuch“ zeigt. Es handelt sich um einen Twist auf die Bloody Mary, der Frau Maria aber mit seiner Schärfe zum Erröten bringt. Den Schärfegrad der Chili lässt Stewart bei der „Blushing Mary“ dabei ebenso offen wie die präferierte Spirituose.

Blushing Mary

(Amy Stewart, Botanisches Barbuch, Bloomsbury/Berlin)

4,5 cl Wodka oder Tequila
12 cl Tonic Water
4 bis 5 halbierte Kirschtomaten
1 milde oder scharfe Chilischote
2 Dash Worcestersauce
2 Dash Sellerie Bitters
2-3 Blätter Basilikum, Petersilie oder Koriander
Schwarzer Pfeffer

Glas: Tumbler

Garnitur: Paprikastreifen oder Selleriestick

Zubereitung: Beide Gemüse mit Worcestersauce, der Spirituose und den Kräutern im Shaker muddlen. Eiswürfel zugeben und gut schütteln, dann ins Glas abseihen und mit kaltem Tonic Water auffüllen. Bitters zugeben und mit schwarzem Pfeffer bestreuen.

2) Handschuhe aus Mexiko – der „Green Gloves“

Chili ist nicht gleich Chili, wie Hobby-Gärtner wissen, die Sorten jenseits der bekannten Sorten Bird’s Eye und Habañero kultivieren. Immerhin 300 Sorten kennen Botaniker, mehr als 200 davon sind in Mexiko daheim. Als Jeffrey Morgenthaler 2008 sein Sangrita-Rezept postete, löste das einen Kommentar-Sturm aus (nachzulesen hier). Denn der Verzicht auf Tomatensaft zugunsten von Chili („3 Dashes Hot Sauce oder ¼ Esslöffel Pasilla Chili-Pulver“, so der US-Bartender) schmeckte im wahrsten Sinn des Wortes nicht allen. Dafür entspann sich parallel auch eine Debatte über den „richtigen“ Chili und seinen Aggregatszustand, also frisch oder getrocknet.

Die Palette der Chilis dekliniert auch die New Yorker Bar Mayahuel durch, das Ex-Pegu Club- und Death & Co-Bartender Philip Ward eröffnet hat. Eine ganze Sektion seiner mexikanisch inspirierten Bar-Karte widmet sich dem Thema „Some like it hot“, zumeist durch Sirups oder Infusionen mit dem Scharfmacher umgesetzt. Für einen der beliebtesten Drinks daraus greift Ward nur zu den schärfsten Bestandteilen, die eigentliche Chili bleibt außen vor. „Grüne Noten sind schon genug im Drink“ – daher kommt auch der der Name des „Green Gloves“, der darauf anspielt, dass man beim Chili-Schneiden besser Handschuhe trägt.

Green Gloves

(Philip Ward, Mayahuel, New York)

4,5 cl Tequila (Jalapeño-Infusion)
1,5 cl Zuckersirup (ein Teil Wasser, zwei Teile Turbinado-Zucker)
1,5 cl grüner Sellerie-Saft (von einer Stange Sellerie)
0,75 cl grüne Chartreuse
2 cl frisch gepresster Limettensaft

Glas: Coupette

Garnitur: Geräuchertes Salz

Zubereitung: Chili-Tequila, Sirup, Sellerie-Saft und Limette in einen Shaker geben und mit Eis füllen. 15 Sekunden shaken und ins Glas abseihen. Mit geräuchertem Salz garnieren.

*Jalapeño-Infusion:

Trennwände und Samen (Kerne) von zwei halbierten Jalapeño-Chilis schneiden, den grünen Teil entfernen. In einem großen verschließbaren Glas (Mason Jar) mit 25 cl Tequila Blanco auffüllen und neun Minuten stehen lassen. Schärfe testen und weitere sechs Minuten ruhen lassen. Die genaue Ziehzeit hängt von der Schärfe der Chilis ab. Am Ende abseihen und wieder verschließen.

3) Es muss nicht immer Chili sein – Dark & Spicy

Eine Bar, die regelmäßig eine „Empire Masterclass“ anbietet, hat naturgemäß auch zum Thema „spicy” viel zu sagen. Schließlich zelebriert das Londoner Merchant House nicht den britischen Imperialismus, sondern die Drinks der großen Seefahrer-Zeit. „Wir sind Riesen-Fans von würzigen Drinks“, unterstreicht Nate Brown vom Betreiber London Bar Consultants das Faible für eine Zeit, „wo Gewürze noch nicht selbstverständlich und überall erhältlich waren“. In Punkto Schärfe verlässt man sich aber nahe der St. Paul’s Kathedrale lieber auf Ingwer. „Wenn er frisch geraspelt ist, unterscheidet sich sein Geschmacksprofil von Ingwerpulver oder Likören“. Die Merchant House-Fassung des natürlich mit Goslings Black Seal gemixten Dark & Stormy setzt auf einen Sirup mit frisch gepresstem Ingwer.

House Dark & Stormy

(Nate Brown, Merchant House, London)

5 cl Goslings Black Seal
Saft einer halben Limette
2,5 cl Sirup aus frisch gepresstem Ingwersaft (1:1)
7,5 cl Soda
4 Dashes House British Colony Bitters
1,5 cl Goslings 151

Glas: Collins

Garnitur: Ingwer-Schnitz

Zubereitung: Alle Zutaten – außer Ingwer-Sirup und Soda – mit Eis shaken und doppelt ins Glas abseihen. Sirup mit Soda aufgießen und vorsichtig umrühren, den Drink mit dem Ingwer-Mix auffüllen.

4) Vorsichtige Dosierung – die Münchner Margarita

Dass eine Bar mit kolonialem Fokus natürlich auch Chili-Cocktails braucht, war Andreas Till bewusst. Der Münchener, dessen 1997 eröffnete Pacific Times die Weite des Ozeans schon im Namen trägt, sah aber die Hauptschwierigkeit in der Reproduzierbarkeit des Rezepts. „Chili lässt sich nur schwer in Form von ganzen Schoten dosieren“, so Till, der auch auf die unterschiedlichen Schärfegrade optisch gleich aussehender Schoten verweist. „Deshalb empfehle ich die Dosierung über das Einreiben des Glasrandes“. Für seine Margarita-Version geben rote Chili – undogmatisch lässt Till die Sorte offen – eine dezente Schärfe ab, als Basis dient Cognac, daher auch der Namenszusatz „French“ für den Münchener Margarita-Twist.

French Margarita

(Andreas Till, Pacific Times, München)

5 cl Hennessy VS
2,5 cl Agavennektar
2,5 cl frischer Zitronensaft
2 Dash Angostura Bitters
2 Dash Orange Bitters
1 angeschnittene, rote Chilli Schote

Glas: Tumbler

Garnitur: Chilischote & Orangenzeste

Zubereitung: Alle Zutaten bis auf die Chili im Rührglas mit viel Eiswürfel kalt rühren. In den mit Eiswürfel gefüllten Tumbler abseihen und mit Orangenzeste twisten. Glasrand mit der Chilischote einreiben.

5) Der Chili-Tee: Tonka Bonga

Doch es geht auch ohne das dezente Glas-Einreiben, wenn man einem Drink mehr Tiefe mit Chili verleihen will, ohne einen Feuerlöscher zu brauchen. Tom Hausknecht von der Linzer Bar Frau Dietrich etwa hat eine ganz einfache Methode, den Scharfmacher in den Cocktail einzubringen: Für seinen „Tonka Bonga“ wird die halbierte „Bird’s Eye“-Schote nur vier Minuten in den fertigen Cocktail gehängt. „Das funktioniert wie bei einem Teebeutel, nur deutlich schärfer“, lacht Hausknecht.

Tonka Bonga

(Tom Hausknecht, Frau Dietrich, Linz)

5 cl Havana Club 7 years, Tonkabohnen-Infusion (10 Tonkabohnen pro Flasche)
2,5 cl Bananensaft
2 cl frischer Limettensaft
1 cl frischer Zitronensaft
1 Bird’s Eye Chili

Glas: Martini

Garnitur: Chilischote

Zubereitung: Alle Zutaten shaken und ins gefrostete Glas abseihen. Die Chilischote halbieren und mit einer Klammer ans Glas heften, sodass sie in die Flüssigkeit ragt. Nach vier Minuten die halbe Schote entfernen, die zweite Hälfte dient als Garnitur.

Die Möglichkeiten von Infusionen, Sirupen und Shrubs mit Chili, Pfeffer oder Ingwer sind natürlich vielfältig. Und dann wären da natürlich noch Liköre (z. B. Monins Mangalore) oder Filler wie das französische „Pimento“. Eine noch nicht für Cocktails genutzte Variante hätte auch Francisco Ruano zu bieten, der in Guadalajara das Restaurant Alcalde betreibt. Chili-Saucen prägen seine Küche, die sich nahe bei einem der großen Anbaugebiete („Dort riecht alles nach Chili“) befindet.

Ein Highlight ist Ruanos „Asche-Sauce“, die aus verkohlten Ancho-Chilis gefertigt wird. „Da steht ein Mitarbeiter mit Flammenwerfer und Atemschutz am Flachdach, in der Küche würden dich die Dämpfe töten“, schildert der Mexikaner die Zubereitung. Im kleinen Maßstab lässt sich die pechschwarze Tinktur aber auch für die Bar adaptieren. Sie zeigt vor allem, dass das Vorurteil der eindimensional-brennenden Schote nicht zutrifft: Säure, Rauchigkeit und natürlich auch Schärfe bringen reichlich Struktur in Speisen und Drinks. Salud!

Credits

Foto: Chilia via Shutterstock

Kommentieren