TOP

FÜNF! flüssige Probleme in Schweden

Trinken in Schweden will gelernt sein. Sehnsuchtsland und Bullerbü-Romantik. Endlose Wälder, zahllose global erfolgreiche Pop-Bands und jede Menge Schnaps: Unsere nördlichen Nachbarn trinken gerne. Vor dem ersten Glas gilt es aber, einige Hürden zu kennen und zu meistern. Ein kleiner Überblick über FÜNF! wichtige Tatsachen zum Trinken in Schweden.

Vor einigen Wochen blickten wir nach Sydney und zu den Schwierigkeiten des dortigen Alkoholkonsums. Wie Australien, so ist auch Schweden ein Sehnsuchtsland vieler Deutscher. Herzlichkeit, Weltoffenheit, ein gefeiertes Bildungssystem, unberührte Natur — und eine trinkfreudige Bevölkerung. Unsere nördlichen Nachbarn zwischen Lappland und Malmö wissen einen guten, großzügigen Schluck zu schätzen. Wer einmal mit schwedischen Bartendern am Tisch saß, wird sich an den Kopf vom Folgetag ein Leben lang erinnern können. Doch ganz so leicht macht es einem die Schwedische Krone dabei nicht. Eine kleine Rundumschau für potentielle Schweden-Urlauber.

1) Das Monopol

Anfang des 20. Jahrhunderts erstarkte auch in Schweden die Abstinenzbewegung nach amerikanischem Vorbild. Hier wie dort trugen fundamentalistische religiöse Gruppen, wie etwa Laestadianer, Schartauanianer und andere pietistische Gemeinschaften, die besonders in den ländlichen Gegenden Schwedens starken politischen Einfluss nahmen, in hohem Maße zur Dämonisierung des Alkohols bei. Aus der Luft gegriffen waren deren Ideen allerdings nicht völlig: Schweden kämpfte — wie viele Länder zu der Zeit — mit massivem, weit verbreitetem Alkoholmissbrauch besonders unter der einfachen arbeitenden Bevölkerung.

Während ein komplettes Alkoholverbot niemals durchgesetzt werden konnte, begann in der zweiten Hälfte der 1910er eine umfassende Einschränkung alles betreffend, was mit Alkohol zu tun hatte. Ab den 1920ern hatte der Schwedische Staat nicht nur das Monopol auf die Herstellung und den Verkauf, sondern auch auf den Im- und Export alkoholischer Waren. Jene Regelungen wurden zwar im Laufe der Zeit immer wieder modifiziert, verändert oder abgeschwächt, aber im Grundsatz bestanden sie bis zum EU-Beitritt im Jahre 1995.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union mussten Produktion sowie Import und Export wieder entstaatlicht werden, was auch geschah. Nicht so beim Verkauf: Bis heute sind in Schweden alkoholische Getränke im Einzelhandel nahezu ausschließlich in den staatlichen System Bolaget-Geschäften erhältlich.

2) System Bolaget: das Verkaufsmonopol

Schlendert man durch eine schwedische Stadt, dauert es nicht lange, bis man auf das erste System Bolaget stößt. Besonders an Freitagen und Samstagen erkennt man die Läden schon von weitem, denn dann bilden sich nachmittags gerne lange Schlangen durstiger Menschen vor den Geschäften der staatlichen Firma, die die Verkaufshoheit für Alkohol genießt. Seit 1991 ist es den einzelnen Verkaufsstellen freigestellt, ob sie ihren Kunden Selbstbedienung erlauben, zuvor war dies verboten.

Übrigens unterliegen auch diese Geschäfte noch einer Vielzahl an Beschränkungen: so müssen die angebotenen Produkte gleichberechtigt präsentiert werden — in-store-Werbung gibt es also genauso wenig wie Mengenrabatte oder Gratisfläschchen als Goodie beim Kauf eines regulären Gebindes. A propos Gebinde: Bündelungen sind komplett verboten. Das ist besonders beim Kauf von Bier umständlich, denn die Flaschen oder Dosen dürfen nur einzeln verkauft werden — das Sixpack als praktische und oft passende Menge ist nicht erlaubt. Gekühlte Waren dürfen nur dann angeboten werden, wenn der Betreiber das gesamte Sortiment gekühlt vorhalten kann. Und während in Schweden der Konsum alkoholischer Getränke zwar ab 18 Jahren gestattet ist, liegt die Altersgrenze für den Kauf im System Bolaget bei 20 Jahren.

3) Definiere Alkohol! Alles, außer Bier?

Keine Vorschrift ohne Lücke. Denn das gesetzliche Monopol klammert solche Getränke aus, die keinen Branntwein enthalten und einen Alkoholgehalt von höchstens 3,5%/Vol. aufweisen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um den in Schweden immens beliebten Cider und das einfache Schankbier, das sogenannte folköl, nach deutscher Regelung „Leichtbier“.

Offenbar ist man bei unseren nördlichen Nachbarn der Auffassung, dass man die Volksgesundheit durch leichtes Bier nicht ganz so sehr gefährdet wird. Diese Produkte dürfen von allen Einzelhändlern, also Supermärkten, Kiosken und Tankstellen, ganz regulär verkauft werden. Alles, was einen höheren Alkoholgehalt mit sich bringt, also auch praktisch alle deutschen Standardbiere, gilt bereits als starköl und muss daher wiederum im System Bolaget gekauft werden.

4) Abends gibt es nur die Kneipe

Leider ist es kein Scherz, aus den obigen Umständen ergibt sich folgende Tatsache: wenn die Monopolgeschäfte abends geschlossen sind, dann gibt es eben nur noch wässriges Leichtbier. Alles andere ist dann exklusiv in der Gastronomie erhältlich, sofern der jeweilige Wirt eine Lizenz für den Ausschank „starker“ alkoholischer Getränke (also mit mehr als 3,5%) sein Eigen nennt. Selbst ein spontanes Glas Wein, das man gerne mit Freunden daheim genießen möchte, ist leider nicht drin.

Freilich ist nichts gegen einen Besuch im nächsten Pub oder einer Bar einzuwenden. Doch jene sind an den Wochenenden extrem gut ausgelastet, eben weil es ja nirgendwo sonst noch richtige Drinks gibt. Hinzu kommen die für deutsche Gäste teilweise schmerzhaft hohen Preise im sehr wohlhabenden Schweden. Schlägt eine Flasche Wein im Handel schon oft mit einem rund dreimal so hohem Preis wie in Deutschland zu Buche, so liegt der Preis im Pub oder Restaurant natürlich noch um einiges höher. Auch ein einfaches Bier liegt dann im gastronomischen Umfeld rasch bei einem Preis von 70 bis 80 Kronen — bei einem Kurs (Krone – Euro) von circa 9,5:1 ein stattlicher Posten für einen Drink, der nichtmal eine Spirituose enthält.

5) Diffuse Aussichten

Im Jahre 2006 wurde eine erste Studie erhoben, die aufzeigen sollte, welche Konsequnzen eine Lockerung oder gar Abschaffung des Verkaufsmonopols haben könnte. Die Ergebnisse der Untersuchung, die vom Staatlichen Institut für Volksgesundheit durchgeführt wurde, sprechen allerdings eine klare Sprache. Für den Fall, dass sämtliche Lebensmittelhändler alle Alkoholika verkaufen dürften, sähe sich Schweden mit einer deutlich gestiegenen Quote bei Gewaltverbrechen, Missbrauchshandlungen, Verkehrstoten und vor allem wirtschaftsschädlichen Krankheitsfällen konfrontiert.

Gleichzeitig schätzen Experten, dass nach wie vor ein großer Teil des in Schweden konsumierten Alkohols Schmuggelware ist. Hinzu kommen die gewaltigen Mengen, die jedes Jahr legal als Duty Free-Ware, z.B. aus Deutschland oder — seit dem EU-Beitritt von Estland, Litauen und Lettland — auch über Fährverbindungen ins Baltikum, ins Land gebracht werden. Und außerdem gibt es, besonders in den ländlichen Gegenden, nach wie vor eine große Zahl jener mutigen Menschen, die hin und wieder die nicht ganz legale heimische Brennblase anwerfen und eigenen Vodka oder Fruchtbrand produzieren. Ob das dann wirklich weniger ungesund ist?

Credits

Foto: Schild und Pferd via Wikipedia/Shutterstock

Comments (1)

  • Whiskydrinker

    Ich kann nur empfehlen, mal am Wochenende mit der Fähre von Helsingör nach Helsingborg zu fahren. Wenn die Glocke läutet und sich der Rolladen vom Schnapsladen hebt…

    reply

Kommentieren