FÜNF! Gedanken zu Cocktailwettbewerben
Für manchen Angehörigen der Barwelt sind sie die Höhepunkte im Jahreskalender: Cocktailwettbewerbe nehmen einen immer prominenteren Stellenwert in der Barindustrie ein. Doch wie Ernst nehmen eigentlich die Beteiligten derartige Wettkämpfe? FÜNF! Gedanken dazu, was bei Cocktailwettbewerben manchmal anders gemacht werden könnte.
Längst ist die Zeit der schnöden Rezept-Competitions vorbei. Viele der großen, von der Industrie getragenen Wettbewerbe sind mittlerweile ausgedehnte, mehrtätige Veranstaltungen, um die reichlich, mehr oder weniger fachbezogenes Rahmenprogramm gebildet wird. Hinzu kommt die Tatsache, dass in den letzten Jahren viele, auch kleinere Marken nachgezogen haben und nun ihr eigenes, meist jährlich wiederkehrendes Wettbewerbskonzept durchführen.
Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die Bilder von Siegern durch den Äther schwirren. Für ambitionierte Bartender sind solche Veranstaltungen eine hervorragende Gelegenheit, in der internationalen Community auf sich aufmerksam zu machen. Trotzdem fallen bei solchen Veranstaltungen immer wieder Umstände auf, die einen grübeln lassen, ob denn wirklich alles Gold ist, was an der begehrten Trophäe glänzt. FÜNF! kritische Gedanken zur Teilnahme an Cocktailwettbewerben
1) Nicht zu viele Competitions!
Für so manchen umtriebigen Bartender scheint sich das Jahr von Contest zu Contest entlang zu hangeln. Einige Spezialisten initiieren im Jahr eine zweistellige Zahl an Teilnahmen, und man kommt unweigerlich ins Nachdenken, was hier noch das berufliche Primat ist: die tägliche Arbeit mit dem Gast, oder aber doch die ständige Wettbewerbsvorbereitung und das mit der entsprechenden Teilnahme verbundene Reisen. Hier kommt auch der Chef ins Spiel, der den Umstand akzeptieren muss, dass ein Mitglied seines Teams allmonatlich einige Tage fehlt.
Sicher, auch so kann man seine Urlaubstage verbrauchen, oder der Chef zeigt sich kulant, weil ja – vor allem im Falle eines Sieges – auch der Name der Bar mit kommuniziert wird. Aber ein fader Beigeschmack bleibt, auch durch die Tatsache, dass derartige Bartender mitunter den Eindruck erwecken, sich vor jedweden Marken-Karren spannen zu lassen, wenn tagtäglich Contest- und damit meist auch Brand-bezogene Meldungen ins soziale Netz gesendet werden.
Wettbewerbe sind schön, aber ab und zu wäre es wünschenswert, wenn sich einige Bartender im Vorfeld überlegten, welche Competitions zu ihnen passen. Dann kann man sich auf drei, vielleicht vier davon im Jahr konzentrieren und sich detailliert auf sie vorbereiten. Auf diese Weise haben alle Beteiligten einfach mehr davon.
2) Die Vorbereitung.
Ein oft gesehener Fall: Die Teilnahme an einem viel beachteten internationalen Wettkampf ist geglückt. Das Rezept ist zum niederknien, der makellose Anzug hat nicht eine Knitterfalte und die Arbeitstechnik lässt jeden Sushi-Meister vor Neid erblassen. Aber dann die Katastrophe: die eigentliche Präsentation ist farblos, weil sie keine ist. Die Jury schaut acht, neun, zehn Minuten einem hervorragenden Mixologen bei seiner größtenteils uninspiriert wirkenden Arbeit zu.
Die großen Contests unserer Zeit funktionieren leider anders. Es geht nicht einfach um eine Rezeptur, die es umzusetzen gilt. Es wird verlangt nach einer Story, einer Philosophie hinter dem Drink. Und die präsentiert ein Bartender, kein Mixologe! Wer sich also einer solchen Herausforderung stellt, sollte sich von vornherein klar machen, dass es um weit mehr als um einen coolen Drink geht. Es geht um Ganzheitlichkeit, um eine individuelle Präsentation eines Rezepts, das grundsätzlich jeder entwickeln könnte. Ohne konzeptionelle Vorbereitung geht nichts!
3) Wenn schon, dann richtig
Jeder Bartender sollte zeigen, was er kann. Hinter der heimischen Bar tut er schließlich täglich nichts anderes. Bei zahlreichen Wettkämpfen hingegen siegt immer häufiger die sichere Variante vor der Demonstration fachlichen Könnens. Gläser kommen schon mit Garnitur auf die Show-Bar, Säfte sind ohnehin immer vorgepresst und einige Male durfte der Autor dieser Zeilen bereits mit ansehen, dass sämtliche Zutaten bereits abgemessen in kleinen Glaskaraffen mit auf die Bühne gebracht wurden.
Besonders mit Letzterem beleidigt sich der Bartender nicht nur sich selbst, sondern auch die Jury und sonstige Zuschauer. Freilich, mag man einwenden, damit kann auf elegante technischen Unsauberkeiten aus dem Weg gegangen werden – aber gleichzeitig wird ein fatales Signal ausgesendet. Denn welcher Juror möchte schon einen Bartender sehen, der eventuell einen Tropfen verschüttet, oder gar beim Jiggern ins nervöse Zittern gerät? Antwort: jeder! Zumindest, wenn Obiges die Alternative ist.
Sonst ist die Entwicklung in fünf Jahren an der Stelle angelangt, an der jeder Teilnehmer mit einem komplett gefüllten Rührglas auf die Bühne kommt und das Rezept nur noch erkärt. Bei Wettbewerben aber soll das Handwerk zelebriert werden – also bitte keine Glaskaraffen mit exakt 2,4 cl Likör!
4) Den Sozialen Aspekt bedenken
Die teilweise gigantischen Competitions der großen Marken versammeln bei ihren globalen Endrunden teilweise 40-50 Teilnehmer. Das Problem: gewinnen kann trotzdem nur einer. Wie auch die meisten damit umgehen können – einige scheinen große Probleme damit zu haben, wenn der Kollege aus Hongkong oder Kapstadt die Nase vorn hat. Auf fast jeder Abschlussveranstaltung der großen Events sitzen mehrere lange Gesichter, die sich, statt den Berufsstand zu feiern und Kollegen aus aller Welt kennenzulernen, lieber in eine Ecke des Saals verdrücken und dort ihr Leid auskosten, nur fünfter geworden zu sein.
Das mutet umso skurriler an, wenn der schwedische Finalist, der auf Rang 17 gelandet ist und am selben Abend nicht nur sich und seine heimische Szene repräsentiert, einen grandiosen Abend verlebt und darüberhinaus eine Menge neuer Freunde gewinnt. Eine Cocktail-Competition, egal wie gigantisch, ist eine hervorragende Gelegenheit, sich hervorzutun. Aber sie ist keine Gesellprüfung. Wenn etwas daneben geht, steht das einer großen Karriere als Bartender nicht im Weg. Wer den sozialen Aspekt jener globalen Events aufgrund unsportlicher Verbissenheit vernachlässigt, begeht einen Fehler, der schwerer wiegt als jeder letzte Platz.
5) Ernst nehmen
In keiner anderen Situation wird das Rockstar-Image für Bartender dermaßen genährt wie bei glamourösen Cocktail-Competitions. Viele können damit umgehen, aber für manche wird es zu viel. Dem einen oder anderen Bartender stünde etwas Understatement beim Wettbewerb gut zu Gesicht. Klar, bei den vielen Reisen, hochwertigen Geschenken, luxuriösen Hotels, Drinks rund um die Uhr und ähnlichem, fällt es bisweilen schwer, auf dem sogenannten Teppich zu bleiben.
Wenn dann die Wettkampf-Performance auch noch zur Blamage geriet, weil man vorher schon eine Turnierladung Gin & Tonic hatte, ist die Katastrophe perfekt. Also: bescheiden bleiben. Und für G&T ist nach dem Contest noch genug Platz. Unter Garantie.
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