TOP

FÜNF! GSA-Akzente ohne Gin

G wie Gin, G wie Gähn! Produkt-Neueinführungen der GSA-Länder erinnern nicht nur Nietzsche-Fans an die ewige Wiederkehr des Gleichen. Es gibt aber mehr Neues aus der Heimat in unserer kleinen Liste für den Frühjahrsputz am Backboard.

Werfen wir vorsorglich eine Euro-Münze als Pönale ins Phrasen-Sparschwein und schreiben es hin: Regional ist das neue „Bio“. So weit, so gut. Doch in Zeiten, in denen nicht nur verbal wieder eine Festung Europa aufgeziegelt wird, hat die Betonung nationaler Eigenständigkeit immer auch einen Beigeschmack. Und den brauchen wir nicht unbedingt. Bars, die ausschließlich einheimische Zutaten verwenden, soll gerne das Chauvi-Land Frankreich eröffnen. Wir lassen uns lieber von einem Mann vom anderen Ende der Welt inspirieren, der eine kindliche Freude hat, wenn er seinen Negroni als Dreiteiler made in Australia einschenkt. Michael Tomasic aus dem Rhonda’s in Terrigal nimmt die internationalen Inspirationen und setzt sie mit den Produkten lokaler Destillateure um. Erweiterung statt Ausgrenzung heißt die Devise. Und mit einem Red Okar statt Campari im Rührglas ist schließlich auch für Gesprächsstoff gesorgt.

Das gilt auch jenseits von New South Wales. Vodka ist keine russische Erbpacht. Wer ausschließlich schottischen Single Malt für Whisky hält, darf sich in eine Eselsbank setzen und soll hundertmal das mixologische Mantra abschreiben: Cocktails leben von Bausteinen, nicht von Monolithen. Fünf – relativ – junge GSA-Spirituosen, die den Spielraum Bar erweitern, haben wir an dieser Stelle aufgelistet.

1) Bar-Mann, lass das Träumen – der Meermaid-Rum

Dass sich die wiederentfachte Liebe der Bartender zu selbstgemachten Zutaten nicht auf Sirup, Filler und Liköre beschränkt, sondern auch bald nach neuen Spirituosen ruft, war klar. Dass ausgerechnet Rum zum Objekt der Begierde wird, überraschte 2014 dann doch ein wenig. Zumal sich der ehemalige Tabou Tiki Room-Gründer Stefan Waltz für die in High-End-Bars keineswegs gut beleumundete Kategorie „Spiced Rum“ entschieden hatte.

17 Botanicals wandern bei ihm in die Meermaid-Flasche, die mit ihrem gemalten Etikett schon mal an die Matrosen-Romantik anschließt. Das Rezept selbst geht auf sein Unbehagen mit den handelsüblichen aromatisierten Rums zurück, für die er nach Ersatz suchte. Doch anstatt zu jammern, startete Waltz mit dem Erstellen seines eigenen Rezepts: „Ich möchte beweisen, dass es möglich ist, einen handgefertigten Infused Rum für einen erschwinglichen Preis herzustellen und dabei qualitativ weit über dem Industrie-Standard zu liegen“.

Mit einer kleinen Auflage von 450 Flaschen, die mit ihrer Seemanns-Tattoo-Optik auch einen echten Hingucker am Rückbuffet darstellen, startete der an sich beruflich stark ausgelastete Messe-Standbauer das Spirituosen-Abenteuer, dessen Basis ein vier Jahre alter Brand darstellt. Waltz selbst empfiehlt übrigens einen Rum-Sour als Anwendungsgebiet seines Buddel-Inhalts. Namensvetter Christoph Waltz würde sagen: „Das ist ein Bingo!“

2) Weltmeister und Rapper-Freund: Vodka und mehr von Josef Farthofer

In mehrfacher Hinsicht steht Josef Farthofer in dieser Liste als Stellvertreter. Denn einerseits steht seine Kreativität für eine neue Art des Brennerei-Verständnisses, das auch zum Erblühen der Whisky-Szene im Alpenland geführt hat. Zum anderen kennt man ihn außerhalb seiner Heimat vor allem als Vodka-Hersteller, was Farthofers Werk nicht gerecht wird. Insofern sei gerade im vielfältigen GSA-Brenn-Reich hier das Plädoyer für umfassendes Verkosten abseits des „einen“ Produkts mit Renommee angebracht.

Die „Mostelleria“, Produktionsstätte mit Erlebnischarakter in Öhling, liegt im Mostviertel – und dass die ganze Region ihren Namen vom vergorenen Apfel- bzw. Birnensaft, gerne auch als „Landessäure“ geschmäht, hat, ist puncto Alkoholkompetenz schon mal ein Omen. Da Farthofer aber auch als Fachhochschul-Lehrer mit Schwerpunkt „Management im ländlichen Raum“ agiert, kennt er die Notwendigkeit des Veredelns der Rohstoffe. Und so geht er den Weg hin zu nachvollziehbaren Materialien. Der Heubrand entsteht aus Mäh-Gut seiner eigenen Wiese, den alten Nackthafer „rettet“ er, indem er ihn zu Vodka verarbeitet. Das „Kabumm!“ genannte Ergebnis, eine Kooperation mit Rapper Sido, zeigt die Kompetenz Farthofers als Brenner. Wer ihn auf seine klaren Getreidebrände – mit der Biovariante seiner „O“-Serie (O wir Organic) wurde er in London zum weltbesten Vodka gekürt – reduziert, übersieht aber die Vielseitigkeit der Destillerie. Rum, wieder aus der Biolinie, findet sich ebenso wie der Heubrand, an sich eine Domäne des alpinen Westösterreichs. Und mit dem Mostello, einem fassgereiften Mostbrand mit Birnensaft entsteht sogar eine Art Austro-Pineau de Charente oder Floc de Mostviertel.

3) Hommage vom Nachbarland: Säntis Malt „Germany“

Ein durchwachsenes Bild, wie der Schweizer gerne sagt, zeigt die aktuelle Entwicklung der Spirituosenszene in der kleineren Alpenrepublik. Denn die bei den Fruchtbränden gute Ernte 2015 erhöhte zwar die helvetische Produktion kräftig (konkret um 42 Prozent gegenüber dem verregneten Jahrgang 2014), vor allem bei Kirsch- und Pflümli-Bränden (Pflaume). Doch der Export brach im gleichen Zeitraum um 17 Prozent ein, was man vor allem dem Rückgang beim Absinth zuschreibt. Und selbst beim beliebtesten gebrannten Export, der Williamsbirne, verzeichnete man ein Minus von 25 Prozent. Die Zahlen lieferte die „Eidgenössische Alkoholverwaltung“, die auch den Rückgang bei Kernobstdestillaten beklagt: „Seit Anfang der Dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde in der Schweiz noch nie so wenig Apfel- und Birnenbrand hergestellt“. Da trifft es sich gut, dass in der beliebtesten Import-Kategorie, dem Whisky, die Schweizer Brenner mächtig aufgerüstet haben. Hersteller wie die Langatun Distillery in Aarwangen, der Whiskypionier Rudi Käser („Whisky Castle“), der „Chicken Hill“ des Metzgers Werner Limacher aus Hünenberg oder Terreni alla Maggia mit ihrem „Ascona Whisky“ stehen für die unterschiedlichen Größenordnungen und Zugänge der Schweizer Szene.

Über die Landesgrenzen hinaus hat aber vor allem der Säntis Malt das Bild des Schweizer Whiskys geprägt. Immerhin war die Destillerie-Serie die erste deutschsprachige Destillerie, die bei der Londoner Wine & Spirits Competition (IWSC) mit Gold ausgezeichnet wurde. Dem Erfolg der Appenzeller Brauerei Locher folgten Abfüllungen, die vor allem mit den Reifezeiten und Fasshölzern experimentieren. Die Familie ist seit 1886 als Brauer und Brenner aktiv, 2002 sorgte nach der Liberalisierung des Schweizer Spirituosenrechts Karl Locher mit dem Säntis Malt für eine Innovation. Die historischen Bierfässer sowie auch Eichenholz bilden die Basis für die Aromatik des Gerstenbrands, doch Kombinationen – etwa mit Rahm für den Cream Liqueur „Marwees“ – erweiterten das Portfolio in den Folgejahren.

Der fünfjährige „Säntis Germany No. 2“, der im Vorjahr aufgelegt wurde, bringt neben seiner leicht rauchigen Note auch ein interessantes Double-Wood-Ageing mit: Der Zeit im Bierfass aus den 1960er Jahren folgte ein Sherry-Cask-Finish. Dieser mit Rauchmalz gebrannte Single Malt wurde explizit für den deutschen Markt konzipiert und wurde lediglich in 800 Flaschen aufgelegt. Gelebtes GSA-Bewußtsein, können wir nur anerkennend sagen.

4) Sehr mutig, nämlich wermutig – Pontica

Doch es muss nicht immer hochprozentig sein, was die Palette um regionale Spirits erweitert. Reinhard Pohorec, Bartender aus der Wiener Tür 7 und MIXOLOGY-Autor, hat sich privat etwa dem Kräutlein „Artemisia Pontica“ verschrieben. Der rote Wermut, den er gemeinsam mit Peter Weintögl kreiert hat, „entstand aus Spaß an der Freud‘“. Eigentlich wollte Pohorec, der ursprünglich an der Weinakademie ausgebildet wurde und sich selbst schon mal als „Riecher und Schmecker“ definiert, nur einen eigenen Weinaperitif entwickeln. Die Verkaufsüberlegungen standen nicht im Mittelpunkt, „mich interessierten vor allem die Kräuter, denn das ist die Königsklasse“, so der Pontica-Erfinder.

Denn der mit Kräutern aromatisierte Rotwein aus dem Anbaugebiet Carnuntum hat seine eigenen kombinatorischen Gesetze: „Bei der Kräutergleichung gilt halt nicht immer, dass Eins und Eins auch Zwei ergibt“, formuliert es Pohorec. Gestartet wurde mit 1.000 schwarz-weißen Flaschen, die nach einer der Wermutkraut-Arten – botanisch: Artemisia Pontica – benannt sind. Weitere 500 Liter reifen in Fässern, sie sollen eine Spezialabfüllung werden. Auch wenn Pohorec‘ Interesse nicht im Vertrieb an die Barkollegen liegt, haben diese schnell die Flasche entdeckt; der rotweinige Pontica ergibt mit Rye schließlich einen gefährlich guten Manhattan. Drei Batches, darunter eine fassgelagerte Edition, sind bereits gefüllt, mit dem Green Absinth folgt der nächste Streich aus dem Hause Pontica.

5) Die Babylonier vom Kaiserstuhl – Wermuts von Belsazar

Aromatisierte Weine als Bar-Trend haben aber nicht nur in Ösi-Land ihre Freunde, die sich mit eigenen Kreationen daran versuchen. Mit dem Firmensitz Berlin, einer Produktionsstätte im Schwarzwald und Basis-Weinen vom Kaiserstuhl und aus dem Markgräflerland steht eine Art „Deutschland United“ hinter der markant verpackten Wermut-Range von Belsazar. Sebastian Brack hat sich nach seiner Aufbauarbeit bei Thomas Henry mit Maximilian Wagner, der wiederum beim Münchener Duke Gin dabei war, und Philipp Schladerer aus der seit 1844 bestehenden Breisgauer Brenner-Dynastie zusammengetan. Bis zu dreißig Botanicals geben dem neuen deutschen Wermut ihr Aroma. Wobei die genaue Rezeptur nicht nur geheim bleibt, sondern auch je nach Sorte variiert. Gereift wird im Steinzeug und auch das spielt  laut den Machern eine große Rolle. Die Variationen reichen dabei vom weißen und roten bis zum Rosé-Wermut, die Option „Dry“ macht klar, dass das Trio auch für Freunde des französischen Wermut-Stils etwas anzubieten hat.

Und wie passt da Belsaszar hinein? Immerhin nahm der babylonische König, nachdem ihm eine Flammenschrift an der Wand (das sprichwörtliche gewordene „Menetekel“) erschienen war, kein gutes Ende. Der Name der Wermut-Range nimmt aber weder auf das alttestamentarische Buch Daniel, noch auf Heinrich Heines Ballade oder Johnny Cashs´ Vertonung Bezug. Auf den babylonischen König kam man über einen Schladerer-Ahnen namens Balthasar, die modernere Form des historischen Namens.

Credits

Foto: Rumfass & Landschaft via Shutterstock. Postproduktion: Tim Köcker.

Kommentieren