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Das ewige „Y“: FÜNF! Twists auf den Martini

Zwei Zutaten reichen, um die Welt des Cocktails zu erschließen. Nicht von ungefähr wurde das Martini-Glas zum Symbol unserer Profession. Doch wie legt man ihn an? Trockener als die Sahel-Zone? Da geht noch mehr. Von süß bis rauchig: FÜNF! Versionen des Martini.

Der Martinez, den Jerry Thomas mixte, hat mit dem heutigen Martini bekanntlich nur wenig gemeinsam. Sein 1887 publiziertes Rezept – „one dash Bitters, two dashes Maraschino, one wineglass of vermouth, one pony of Old Tom gin” – geht in eine deutlich süßere Richtung. Die zwar nicht namentlich, aber bei den Zutaten „modernere“ Variante stellte die Marguerite dar, die ein 2:1-Verhältnis von Plymouth Gin und trockenem Wermut vorsah. Mit Orange Bitters versehen, gilt Thomas Stuarts um die Jahrhundertwende entstandene Version als Geburtsstunde des Dry Martini, wenngleich es bis zu David Emburys 7:1-Fassung aus 1948 noch ein paar Jahre dauerte. Dazwischen lagen die Jahre der Prohibition, wo angesichts der „Bathtub Gins“ auch 1:1-Mischungen keine Seltenheit waren. Der „ultimative“ Martini war also durchaus auch ein Kind seiner Zeit. Womit wir bei den heutigen Interpretationen des ewigen Klassikers wären – ganz ohne Olivenlake und Zwiebeln.

1) Alles auf Anfang: Die goldene Marguerite

Auf Thomas Stuarts Ur-Version bezieht sich der „Goldene Bartini“, den Klaus Stephan Rainer („Jede Bar braucht ihren Signature Martini-Cocktail“) für seine Münchener Wirkungsstätte kreiert hat. Die Rezeptur selbst nimmt Anleihe an der Marguerite, bemerkenswert ist das Abgehen vom Cocktailspitz: Serviert wird im Old Fashioned-Glas. Die Kühlung durch tiefgefrorene Isar-Steine stellt einen weiteren Bruch mit der Tradition des ansonsten „straight up“ servierten Drinks dar.

Goldener Bartini on the rocks

(Klaus St. Rainer, Goldene Bar, München)

6 cl Tanqueray Ten

2 cl Lillet Blanc

2 Dashes Orange Bitters

1 kleine Zitronenzeste

Gefrorene Isar-Steine (im Geschirrspüler reinigen und bei -18 Grad im Gefrierschrank kühlen)

Glas: Old Fashioned

Garnitur: keine

Zubereitung:

Alle Zutaten im Rührglas mit doppelt gefrosteten Eiswürfeln 72 Mal rühren und in das Glas mit den gefrorenen Isar-Steinen geben. Mit einer kleinen Zitronenzeste parfümieren, diese aber nicht in den Drink geben.

2) Für den Einsteiger: Heimkehr nach Italien

Für Wikipedia ist er einfach „similar to an unsophisticated Martini“, doch im Grunde ändert sich beim Gin & It einfach das Länderfähnchen auf der Wermut-Flasche. Denn statt Extra Dry aus Frankreich darf es auch „Sweet“ aus Italien sein. Warum man das gleich „unsophisticated“ schimpfen muss? Vielmehr sei an Klaus Stephan Rainers Bemerkung erinnert: „Leider hat sich der Dry Martini im letzten Jahrhundert zu einem einfachen Glas Schnaps entwickelt“. Statt der angeblich auf Hemingway zurückgehenden 15:1-Variante greift der Anfänger da vielleicht doch lieber zum Gin & It.

Doch auch Cocktailians können dieser Variante etwas abgewinnen; immerhin verbirgt sich hier ein Treppenwitz im Drink. Zumindest wenn man die These glaubt, dass die Kampagne für den „Extra Dry“ von Martini & Rossi dem Klassiker im Y-Glas den Namen gab, dann zaubert die Bestellung mit dem süßen Wermut des Weltmarktführers uns natürlich ein Kenner-Lächeln auf die Lippen.

3) Für Süßmäuler: Der Eierbecher des Löwen

Mit einem gänzlich anderen Mischungsverhältnis – der Gin spielt die zweite Geige – hat der „Hausdrink“ des Hamburger Le Lion die Limitierungen des Klassikers im Cocktail-Spitz aufgebrochen. Kein einfacher Reverse Martini, sondern eine Kombination aus Lillet, Gin und Peychaud´s Bitters, die man somit auch als Twist auf die Vesper lesen kann, den ersten Martini, in dem auch Vodka zum Einsatz kam.

3 cl Tanqueray, 5 cl Lillet Blanc und vier Dashes Peychaud‘s Bitters geben dem gerührten „Eierbecher des Löwen“ den Geschmack. Dass auch der Name – Le Coquetiez du Lion– zum Erfolg dieses Twists beigetragen hat, darf man durchaus annehmen. Zumal Gonçalo de Sousa Monteiros Kreation bei der Eröffnung des „Löwen“ 2007 auch gleich auf der ersten Seite des Bar-Menüs zu finden war. Schon damals gab es also kein Vorbeikommen an diesem Drink.

4) Für Frankophile: Der provençalische Twist

Die Herkunft des trockenen weißen Wermuts hat auch eine sehr (süd-)französische Version inspiriert. Die Prager Bar L´Fleur hat sich beim Dirty Martini inspiriert, statt würziger Lake hat man sich aber für eine Infusion des Wermuts mit einem aromasatten Südfranzosen entschieden. Schafskäse gibt dem Noilly Prat im „L’Fromage Martini“ von Vítězslav Cirok das Aroma, ein Stückchen Käse steckt dann auch am Ende des Pickers.

L’Fromage Martini

(Vítězslav Cirok, L´Fleur, Prag)

5 cl Tanqueray Ten

1 cl Provence-Wermut (=Infusion von Noilly Prat mit provençal. Ziegenkäse, z. B. Banon)

Glas: Cocktailschale

Garnitur: Ziegenkäse

Zubereitung: Gin und der infusionierte Wermut werden im Rührglas auf Eis gerührt und in die Cocktailschale abgeseiht. Als Dekoration kommt statt einer Olive ein kleines Stück Ziegenkäse ins Glas.

5) Für Gin-Verächter: Würzen mit Single Malt

Nur gereifte Spirituosen sind das Wahre? Gin hingegen wäre nur ein billig herzustellendes Getränk für den Pöbel? Keine Angst, auch für die Snobs an der Bar gibt es einen Martini. Bei ihm kann man sein Nerdtum („Beim Laphroaig kommt der Rauch subtiler als beim Ardbeg“) herrlich selbst ausstellen. Der Smoky Martini verwendet statt Wermut Whisky, so weit herrscht Einigkeit. Ob es aber Blended Scotch sein soll oder – dem Namen wohl näher liegend – Peated Single Malt und da wieder bevorzugt von der Insel Islay, ist nicht hundertprozentig klar.

Auch bei den Mischverhältnissen finden sich von Dale DeGroffs Variante (7,5 cl Gin und 0,75 cl Whisky; bei „King Cocktail“ ist es Blended Scotch) aus „Craft of the Cocktail“ bis zu 5 cl Gin und ein paar Dashes Islay Malt eine ganze Palette an Rezepten. Auch bei der Garnitur sind Zitronenzesten so häufig zu finden wie Oliven. Lassen wir es so stehen: Die Individualität, die Bartender und Gast bei diesem Drink an den Tag legen können, ist offenbar ein Erfolgsgeheimnis dieses Martini.

Credits

Foto: Martini via Wikimedia, Postproduktion: Tim Klöcker.

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